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Berlin war vorangegangen und wurde jetzt zurückgepfiffen.
© David Gannon, AFP

Berliner Mietendeckel ist gekippt: Dann muss der Mietenstopp jetzt auf andere Weise kommen

Das Bundesverfassungsgericht hat ein Regel-Patchwork verhindert. Der Ball ist wieder bei der Politik. Was sie jetzt macht, wird Wahlen entscheiden. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Ralf Schönball

Karlsruhe hat entschieden. Die Richter am Bundesverfassungsgericht halten den Berliner Mietendeckel für verfassungswidrig. Dass mit dieser Entscheidung die Rechtsunsicherheit endet, ist das Beste an diesem Urteil. Am Kern des Übels, dem Mangel an bezahlbaren Wohnraum, ändert sich dadurch nichts.

Der Ball liegt nun wieder im Feld der Politik – und wie dieser nun gespielt wird, das wird über den Ausgang der bevorstehenden Wahlen mitentscheiden, in Berlin und im Bund.

Mit seiner Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht auch das abgewendet: ein gehöriges rechtliches Durcheinander in der ganzen Republik. Der Oberbürgermeister von Frankfurt am Main hatte schon erklärt, ebenfalls einen Mietenstopp herbeiführen zu wollen. In Potsdam bereiten Aktivisten ein Bürgerbegehren gegen Mietsteigerungen vor.

Es drohte ein Patchwork aus unterschiedlichen regionalen Mietgesetzgebungen plus der Infragestellung der jeweiligen Regulierungen durch die Vermieter und den nachfolgenden Klagen vor den Landgerichten. Das hat Karlsruhe verhindert. Doch nun steht der Bund unter Druck. Das, was er versäumt hat, wird nun zum Problem für die Regierung.

Seit Jahren verhallen die Aufforderungen von Verbändebündnissen, wirksame Anreize zum Bau bezahlbarer Wohnungen in großer Zahl zu schaffen. Die Mietpreisbremse des Bundes und deren seit 2020 geltende Verschärfung kamen viel zu spät und sie bewirkten zu wenig.

Was die Kommunen wirklich brauchen, ist ein Gesetz, das ihnen einen Mietenstopp für einen begrenzten Zeitraum erlaubt, wenn Mangel an bezahlbarem Wohnraum herrscht. Die Entscheidung darüber, ob ein solches Gesetz scharf gestellt wird, kann der Bund wie er es auch bei anderen Regulierungen tut, den Kommunen überlassen. Diese müssten dann nachweisen, dass tatsächlich Wohnungsnot besteht.

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Dass der unaufhaltsame Anstieg der Mieten an einem strukturellen Mangel liegt dafür gibt es - in Berlin allemal - reichlich Anzeichen: Nahezu keine Wohnung steht mehr leer, und seit Jahren nimmt die Zahl der Einwohner stärker zu als das Angebot an Wohnungen. In der Folge steigen die Mieten wesentlich schneller als die Einkommen.

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Diese Entwicklung macht das Leben in vielen Großstädten zum Luxus. Deshalb nahmen sich andere Regionen auch international den Berliner Mietendeckel zum Vorbild: Katalonien hat die Mieten eingefroren, und auch im Mutterland des Kapitalismus werden Mieten reguliert, und zwar direkt in New York.

Der Politik fehlt die Weitsicht

Dass es an bezahlbaren Wohnraum in Ballungsgebieten fehlt, ist der Politik und ihrer fehlenden Weitsicht anzulasten. Die Große Koalition wird das Problem jetzt nicht mehr lösen. Der Stopp, die Bremsung oder die Regulierung der Mieten ist und bleibt aber das große Thema für Zukunft.

Die Grünen haben bereits ein bundesweites Recht auf einen Mietendeckel gefordert und dazu eine Änderung des Baugesetzbuches vorgeschlagen. Die Sozialdemokraten erwägen, mit dem Thema in den Wahlkampf zu gehen. Die politischen Farbenspiele, die der Wähler im Herbst in diesem Land möglich macht, sind offener denn je. Wie die Parteien die soziale Frage unserer Zeit lösen wollen, nämlich die Wohnungsnot, wird ein Zünglein an der Waage für manchen unentschlossenen Wähler werden.

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