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Bao Bao, eine echte Diva. (Foto aus dem Jahr 2000)
© dapd

Berlins letzter Panda: Ciao ciao, Bao Bao

Sogar Bundeskanzler Helmut Schmidt war mal in seinem Käfig. Und die Sexexperten kannten ihn natürlich auch. Zum Tod eines recht bekannten Pandabären.

Zur offiziellen Vorstellung kam, natürlich, der Bundeskanzler. Mit Loki, Wintermantel und Prinz-Heinrich-Mütze. Ob er im neuen, für 750 000 Mark errichteten Pandahaus des Zoologischen Gartens auch ein Zigarettchen geraucht hat, ist nicht überliefert, aber sehr wahrscheinlich. Schließlich hat es Helmut Schmidt noch nie länger als ein paar Minuten ohne Kippe ausgehalten, und öffentliches Rauchen fiel Anfang der achtziger Jahre noch nicht unter den Bann der political correctness. Der Kanzler spazierte also ins Pandagehege und schaute auf ein zusammengerolltes Pelzbündel. Andächtige Stille. Weil draußen aber um die 100 Fotografen eine eigens errichtete Barrikade überkletterten und reichlich Blitzlichter Richtung Käfig schossen, zog das Ehepaar Schmidt einen schnellen Abgang vor.

So machte Bao Bao am 8. November 1980 Bekanntschaft mit der Stadt Berlin, damals noch in Begleitung seiner Gefährtin Tian Tian, die schon kurz danach, im Jahr 1984, starb. Am Mittwoch folgte ihr Bao Bao im biblischen Pandaalter von 34 Jahren, er war der älteste in einem europäischen Tierpark lebende Panda und dazu der einzige in Deutschland. Der Berliner Zoo verabschiedete ihn am Mittwoch in seiner Erklärung wie einen Staatsmann: „Traurig müssen wir nun von einer bemerkenswerten Tierpersönlichkeit Abschied nehmen. Bao Bao wird uns immer unvergessen bleiben.“

Bildergalerie: Der Pandabär Bao Bao

Der Berliner und seine Zootiere, das ist eine Geschichte für sich. Bobby und Knautschke, Bao Bao und Knut – jede Generation hatte die Lieblinge ihrer Jugend im Zoologischen Garten adoptiert. Aber auch im reiferen Alter neigt der Berliner seit jeher zu überbordender Sympathie und Loyalität, wenn denn die Tiere nur kuschelig oder aufregend genug sind. Eis- und Pandabären haben es dabei naturgemäß ein wenig leichter als Warzen- oder Hängebauchschweine.

Der Gorilla Bobby ist das Wappentier des Zoos, er steht heute als Denkmal am Eingang und inspirierte den Komponisten Walter Jurmann zu dessen Chanson „Mein Gorilla hat ’ne Villa im Zoo“. Flusspferd Knautschke überlebte als eines von 91 Zootieren den Zweiten Weltkrieg und war bis zu seinem Tod 1988 bevorzugtes Anschauungsobjekt Berliner Schulklassen. Der Eisbär Knut steht für die moderne Hypegesellschaft und den Trend zum Zootourismus. Und Bao Bao? Läutete vielleicht die Ära des Tauwetters zwischen den politischen Blöcken ein.

Der chinesische Staatschef Hua Guofeng hatte das Pandapaar 1979 anlässlich eines Staatsbesuches Helmut Schmidt zum Geschenk gemacht. Auch der Tierpark Friedrichsfelde im Osten der damals noch geteilten Stadt hätte sich gern mit einem Panda geschmückt. Aber mit der auf Moskau fixierten DDR konnten die chinesischen Genossen bekanntlich nicht so gut, und als Egon Krenz im Mai 1989 herzliche Glückwünsche zur blutigen Niederschlagung des Studentenaufstandes auf dem Platz des himmlischen Friedens nach Peking schickte, war es schon ein bisschen zu spät. Für Krenz und für die DDR.

Bao Bao lässt sich aus dem Chinesischen mit „Schätzchen“ übersetzen, und passend dazu stieg er in Berlin schnell zum Popstar auf. Mit allem drum und dran. Ihm verdankte der Zoologische Garten, lange vor der Knut-Mania, gutes Geld im Merchandisinggeschäft, mit dem Verkauf von T-Shirts, Schlüsselanhängern, Kaffeetassen, Stoffpandas. Dazu brachte der Boulevard eine unendliche Soap über Bao Baos glücklose Paarungsversuche zur Aufführung. Am Liebesleben des lebendigen Kuscheltiers nahmen die bunten Blätter ähnlich regen Anteil wie an den regelmäßigen Abstürzen von Harald Juhnke und Hertha BSC.

Andere legendäre Bewohner des Berliner Zoos sehen Sie hier in unserer Bildergalerie:

Nun ist die Aufzucht von Pandabären eine komplizierte Angelegenheit, denn sie sind nur einmal im Jahr empfängnisbereit, und das für gerade 36 Stunden. Mit den Frauen hatte das Schätzchen Bao Bao kein Glück. Tian Tian starb, bevor Bao Bao den Stand der Zeugungsfähigkeit erreicht hatte. Yan Yan, eine Leihgabe aus China, war selbst bei künstlicher Befruchtung nur zu Scheinschwangerschaften fähig. Und ein Ausflug nach London endete damit, dass der rauflustige Bao Bao der Pandabärin Ming Ming ein Ohr abbiss und die beiden mithilfe eines Feuerlöschers getrennt werden mussten.

Es wurde nichts mit schwarz-weißen Plüschbabys für den Berliner Zoo. Weil Bao Bao sich mehr für Bambus, Soja, Reisknödel und Hühnersuppen denn für die ihm zugeführten Pandadamen interessierte, kam kaum ein Text über ihn ohne Versatzstücke wie „lendenlahm“ oder „tierischer Sexmuffel“ aus.

Den Eisbären Knut bewahrte der frühe Tod vor solchen Schlagzeilen, wie sie bei Knautschke undenkbar gewesen wären. Seine Ahnentafel zieren 35 Flusspferdkälber. Eines von ihnen war Nante, und es handelte sich bei ihm offensichtlich nicht um den Lieblingssohn. Bei einem Rivalenkampf verletzte er den Herrn Papa im Juni 1988 so schwer, dass dieser einen Eckzahn verlor und fortan nichts mehr fressen wollte. Der depressive Knautschke magerte ab und musste zwei Wochen später eingeschläfert werden.

Beim tödlichen Streit zwischen Knautschke und Nante ging es… natürlich um eine Flusspferdfrau.

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