zum Hauptinhalt
Zu viel zu tun. Beim Flughafen-Bau reicht die Zeit nicht, um die Probleme bis zum ursprünglich vorgesehenen Eröffnungstermin zu lösen. Die Geschäftsführer Manfred Körtgen (links) und Rainer Schwarz verkünden hier die Hiobsbotschaft der Verschiebung.
© dpa

Trotz stressigen Flughafenbaus: Chefplaner Körtgen nahm sich nebenbei Zeit für Promotion

Die nach eigenen Angaben unter einem enormen Zeitdruck stehenden Flughafen-Geschäftsführer haben noch Muße, nebenher zu promovieren oder Lehrvorträge zu halten.

Rainer Schwarz, der Sprecher der Geschäftsführung, der sich gerne mit Professor anreden lässt, hält Vorlesungen an der Technischen Hochschule Wildau; Manfred Körtgen, für den Bau des Flughafens in Schönefeld zuständig, legte am 29. April 2010 an der Universität Kassel die mündliche Prüfung für seine Promotion ab. Am Flughafen hatte man am Donnerstag allerdings keine Zeit für eine Stellungnahme.

In der Branche hat man für die Nebentätigkeiten kein Verständnis. „Mir ist es schleierhaft, wie man es schaffen will, ein so komplexes Projekt wie den Bau des Flughafens mit einer Promotion zu verbinden“, sagte ein Flughafen-Manager. Man könne nur spekulieren, wie viel Zeit es Körtgen gekostet haben kann, seine Doktorarbeit zu schreiben.

Die Arbeit sei während seiner Berufstätigkeit ab 2003 entstanden, schreibt Körtgen im Vorwort zu seiner 2010 elektronisch publizierten Doktorarbeit. Er hatte 2004 den Bereich Planung und Bau des Flughafens in Schönefeld übernommen. 2008 war er zum Geschäftsführer aufgestiegen. Zuvor war er nach dem Terminalbrand von 1996 Projektleiter beim Wiederaufbau des Flughafens in Düsseldorf.

Sehen Sie hier, in welche Reihe von Pannen-Airports sich der Willy-Brandt-Flughafen einreiht:

Er habe die Arbeit mit dem Titel "Optimierungsansätze zur prozessorientierten Abwicklung komplexer Baumaßnahmen unter Einsatz neuer Informations- und Kommunikationssysteme" über den Zeitraum der „Abwicklung zweier komplexer Infrastrukturprojekte“ angefertigt, betont der Flughafenmanager. Seiner Frau und seinen drei Kindern dankt Körtgen dafür, dass sie ihm in seiner „knapp bemessenen Zeit außerhalb der beruflichen Einbindung die Möglichkeit gaben, ein Stück Freizeit für die Erstellung der Forschungsarbeit abzugeben“. In der Branche fragt man sich: Hat sich Körtgen nach einem langen Arbeitstag nachts noch hingesetzt und an seiner Dissertation gefeilt, hat er Wochenenden und Urlaube dafür geopfert, die eigentlich zur Erholung vorgesehen waren?

Ist eine Doktorarbeit von der Uni gut betreut, kann auch dies Zeit kosten: Standard sollten regelmäßige Treffen mit dem Doktorvater sein, etwa in dessen Doktorandencolloquium. Körtgens Doktorvater, Antonius Busch, war jedoch für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Busch ist Professor am Institut für Bauwirtschaft der Uni Kassel und Autor eines Praxisratgebers zur Ausschreibung, Vergabe und Abrechnung von Bauprojekten. Engagement am Institut scheint Körtgen gezeigt zu haben: Doktorvater Busch, der auch Herausgeber der Arbeit ist, dankt ihm in seinem Vorwort „für die langjährige erfolgreiche Zusammenarbeit“. Körtgen habe mit seinem „aktuellen und praxisnahen Thema zur positiven Weiterentwicklung des Instituts für Bauwirtschaft in besonderer Weise beigetragen“.

Sehen Sie hier den Spott über die Flughafen-Pleite in Bildern:

Über die Note, die Körtgen erhielt, gab die Uni keine Auskunft. Bernd Nentwig, Professor für Baumanagement in Weimar, der in der Promotionskommission saß, glaubt nicht, dass die Arbeit an der Promotionsschrift Körtgen vom Berliner Großprojekt abgehalten hat. Den Hauptteil der Dissertation habe er bereits in Düsseldorf abgeschlossen.

Sehen Sie hier, was Tagesspiegel-Leser vom Flughafen-Debakel halten:

Akademisch unterwegs war in den vergangenen Jahren auch Rainer Schwarz. Der Betriebswirtschaftler promovierte zwar schon 1987 an der Uni Bayreuth. Kurz nachdem er 2006 nach Berlin an die Spitze der Flughäfen wechselte, begann er an der Technischen Hochschule Wildau zu lehren, einer kleinen Fachhochschule in der Nähe Schönefelds. Schwarz war dort erst Lehrbeauftragter, bis ihn die TH 2008 zum Honorarprofessor ernannte – eine Position, die Schwarz bis heute innehat. Geld bekommt er für sein Engagement nicht, eine Honorarprofessur ist grundsätzlich ehrenamtlich. Doch sie wertet ihren Träger auf, der sich nun Professor nennen darf. Die Hochschule will sich im Gegenzug mit einer profilierten Persönlichkeit schmücken.

Jedes Semester hält Schwarz in Wildau vor Studierenden im Masterprogramm „Luftfahrttechnik und -logistik“ eine Vorlesung, sagte ein TH-Sprecher am Donnerstag. Thema: „Flughafen-Management“. Seine Lehrverpflichtung betrage zwei Stunden pro Woche, die er zu einem mehrstündigen Termin zusammenfasse. Dass Schwarz die Veranstaltung sehr beanspruche, glaubt der Sprecher aber nicht. Der Kurs habe sich schließlich immer wiederholt: „Das ist keine Geschichte, die einen besonderen Zeitaufwand erfordert.“ Schwarz müsse auch keine Prüfungen betreuen. Ab und zu hat Schwarz auch andere Termine in Wildau. So referierte er im Januar vor Seniorenstudenten. Das Thema dabei: „Der neue Flughafen Berlin-Brandenburg Willy Brandt.“

Zur Startseite