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Besonders gefährdet. Das Foto von 2013 zeigt ein zu früh geborenes Baby in der Neonatologie der Charité im Inkubator. Derzeit sind dort vier Neugeborene von einem Serratien-Ausbruch betroffen.  Foto: Britta Pedersen/dpa
© Britta Pedersen/dpa

Serratien-Befall bei Frühgeborenen: Charité weist Kritik zurück

Nachdem erneut Frühgeborene in der Charité in Berlin mit Darmkeimen infiziert wurden, wird Kritik laut. Geschehen könne dies nur, wenn gegen hygienische Grundregeln verstoßen wird

Die Charité hat Kritik zurückgewiesen, wonach die Infektion von Frühgeborenen auf durch Personalmangel verursachte mangelnde Hygiene zurückzuführen sei. Man könne nicht keimfrei pflegen, sagte der Vizechef der Neonatologie der Charité, Christof Dame, dem Tagesspiegel.

Angst um Drillinge

Der hatte am Sonntag berichtet, dass die Nachricht über den Ausbruch einer Infektion mit Darmkeimen bei Frühgeborenen in der Charité bei dem Berliner Anwalt Konrad R. (Name geändert) alles wieder hochkommen ließ: die Angst um seine drei Kinder, die vor fünf Jahren auf der gleichen Station im Virchow-Klinikum mit multiresistenten Keimen angesteckt wurden, die Ungewissheit und Wut, weil ihn lange Zeit niemand über Ursachen und Folgen informierte.

„Erst als ich mit einer Klage drohte, redete der Chefarzt damals mit mir“, sagt der Berliner Anwalt. „Dann gab es 2012 den schlimmen Serratien-Ausbruch bei 21 Säuglingen. Und jetzt haben sich schon wieder Kinder infiziert und ich höre von der Hygiene-Chefin der Charité, dass ein Restrisiko eben bleibe? Das kann ich einfach nicht verstehen.“

Es gelten strenge Hygieneregeln

Konrad R. hat deshalb an die Leiterin des Instituts für Hygiene an der Berliner Charité, Petra Gastmeier, einen Brief geschrieben. Dass er ihre Äußerungen als befremdlich empfinde, steht darin. Und dass von einem „Restrisiko“ bei der Häufigkeit der Infektionen ja wohl keine Rede sein könne. „Offensichtlich gibt es ein ganz erhebliches Hygieneproblem bei Ihnen gerade auf dieser Hochrisikostation“, schreibt der Anwalt: „Dass man dieses mit derartigen Äußerungen verharmlost ist das eine, das andere ist offensichtlich die Hilflosigkeit Ihres Instituts bei der Bekämpfung dieses Problems.“

Von Seiten der Charité weist man die Vorwürfe zurück. Es gelten unverändert die strengen Hygieneregeln, wie vom Robert Koch Institut empfohlen, heißt es. Seit dem Ausbruch von Serratien-Erregern 2012, bei dem 21 Kinder betroffen waren (der Tagesspiegel berichtete), habe man die Hygienemaßnahmen auf der Neugeborenen-Intensivstation noch einmal verbessert, sagte Hygienechefin Petra Gastmeier in einem Rundfunkinterview.

Betroffen sind vier Neugeborene

Am vergangenen Donnerstag hatte die Charité über den neuen Ausbruch von Serratien-Keimen berichtet. Betroffen sind vier Neugeborene auf der neonatologischen Intensivstation des Virchow-Klinikums, ein fünftes Kind ist von einem anderen Bakterienstamm befallen – ein Einzelfall also, was laut Charité immer mal wieder vorkommt, weil sich die Neugeborenen beispielsweise bei der Mutter anstecken. Seit Freitagnachmittag vergangener Woche gibt es einen Aufnahmestopp für weitere Neugeborene auf der Frühgeborenen-Station.

„Die normalen Entbindungen sind davon nicht betroffen“, sagte die stellvertretende Pressesprecherin der Charité, Manuela Zingl, am Sonnabend dem Tagesspiegel. Serratien seien auch keine multiresistenten Erreger. In diesem Fall handele es sich um Serratia marcescens – Darmbakterien, die bei vielen Menschen vorhanden sind. Sie stellen bei gesunden Patienten in der Regel kein Risiko dar, können allerdings bei Frühgeborenen und bei schwer kranken Neugeborenen gefährlich sein. Die Bakterien sind gut mit Antibiotika behandelbar, deshalb seien die vier Neugeborenen auch in einem guten Gesundheitszustand.

Ursache von 2012 war nie gefunden worden

Die Charité hatte dieses Mal relativ früh über die Keime informiert, weil es beim Ausbruch 2012 massive Kritik an der Öffentlichkeitsarbeit gegeben hatte. Damals hatte auch die Staatsanwaltschaft ermittelt, die Ursache des Serratienbefalls war aber nie gefunden worden.

Theoretisch könnte sogar dieselbe Person für den erneuten Ausbruch verantwortlich sein, sagt Klaus-Dieter Zastrow, der Leiter des Instituts für Hygiene und Umweltmedizin der Vivantes Kliniken Berlin. „Es könnte sich zum Beispiel um eine Krankenschwester handeln, die Träger des Darmkeims ist und einige Jahre nicht arbeitete, weil sie vielleicht selbst ein Kind bekommen hat“, sagte er dem Tagesspiegel.

Der Vizechef der Neonatologie der Charité, Christof Dame, wies auch das zurück. "Wir haben das selbstverständlich schon Mitte April, nach dem Bekanntwerden der ersten beiden Infektionen überprüft. Es ist molekularbiologisch bewiesen, dass es sich bei dem Geschehen 2012 und 2015 um zwei unterschiedliche Stämme von Serratien handelt", sagte er.

Klaus-Dieter Zastrow hatte zu dem neuerlichen Ausbruch gesagt: „Geschehen kann so etwas jedenfalls nur, wenn massiv gegen die von der Charité selbst maßgeblich propagierte Aktion „Saubere Hände“ verstoßen wurde. In den beiden Frühgeborenen-Stationen von Vivantes hat es so etwas jedenfalls noch nicht gegeben.“

Schwestern wechselten Mundschutz nicht

Wenn vier Kinder am gleichen Keim erkranken, habe das eben nichts mit einem „Restrisiko“ zu tun, meint Zastrow. Eher sei es wohl dem Personalmangel geschuldet, wenn Ärzte oder Schwestern ihre Hände eben nicht wie vorgeschrieben 30 Sekunden lang desinfizierten.

Konrad R. wird nie vergessen, dass er und seine Frau vor fünf Jahren Kittel, Mundschutz und Handschuhe wechseln mussten, wenn sie von einem ihrer Neugeborenen zum anderen gingen. „Die Schwestern haben das nicht gemacht“, sagt er. Zum Glück seien alle drei Kinder gesund und munter. Aber die traumatischen Erfahrungen von damals sollten anderen Eltern möglichst erspart bleiben.

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