Zweite Sitzung im Berliner Abgeordnetenhaus: CDU und AfD schießen sich auf Müller ein
Das Abgeordnetenhaus tagte am Donnerstag zum zweiten Mal seit der Berlin-Wahl. Justizsenator Thomas Heilmann hatte seinen letzten Auftritt vor dem Abgeordnetenhaus.
Ein Parlament zwischen den Welten. Noch saßen sozial- und christdemokratische Senatsmitglieder auf ihren Bänken, doch im Plenarsaal hatte sich schon die rot-rot-grüne Mehrheit breitgemacht. Das Abgeordnetenhaus tagte am Donnerstag zum zweiten Mal seit der Berliner Wahl am 18. September, bei der Rot-Schwarz abgewählt wurde. Doch erst in zwei Wochen konstituiert sich, nach der Wiederwahl des Regierenden Bürgermeisters Michael Müller (SPD) durch das Parlament, der neue Senat. Bis dahin nimmt das alte Regierungsbündnis Abschied auf Raten.
"Ich wünsche dem Land Berlin und dem Senat alles Gute", sagte der Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) in seinem letzten Auftritt vor dem Abgeordnetenhaus. Es sei schon kurios, noch für die bisherige Regierung zu reden und gleichzeitig zu einer Koalitionsvereinbarung Stellung zu nehmen, „an der ich bekanntermaßen nicht beteiligt war“. Es ging, in der Sache, um den offenen Strafvollzug in Berlin. SPD, Linke und Grüne haben im gemeinsamen Regierungsprogramm den Anspruch formuliert: „Der offene Vollzug ist Regelvollzug“.
Die AfD-Fraktion hatte dazu erfolgreich eine Aktuelle Stunde beantragt. Ihre Gegenposition wurde vom Abgeordneten Hans-Joachim Berg so formuliert: "Für Gewohnheitsverbrecher wird der rot-rot-grüne Teppich ausgerollt". Er beklagte die "linke Resozialisierungsromantik" und warnte vor der Zersetzung des Rechtsstaates.
Heilmann: Offener Vollzug "grundsätzlich richtig"
Diesen Argumenten folgten die anderen Fraktionen nicht, auch wenn CDU und FDP mit der künftigen Justizpolitik nicht einverstanden sind. Stattdessen lobte die Vize-CDU-Fraktionschefin Cornelia Seibeld die Erfolge ihres Parteifreunds Heilmann in fünfjähriger Gestaltung des Berliner Strafvollzugs. Rot-Rot- Grün setze stattdessen auf symbolische Veränderungen und gefährde mit ihren Vereinbarungen zum Strafvollzug "schlimmstenfalls die Sicherheit der Bürger".
Heilmann nannte den offenen Vollzug "grundsätzlich richtig", doch eine politisch motivierte Ausweitung sehe er skeptisch. Entscheidend müsse die individuelle Eignungsprüfung des Strafgefangenen bleiben. Bisher sei die Missbrauchsquote beim offenen Vollzug mit 0,03 Prozent der Fälle aber extrem gering. Das Berliner System sei bundesweit vorbildlich.
Heilmann warnte Rot-Rot-Grün ausdrücklich davor, keine zusätzlichen Haftplätze in Berlin mehr zu schaffen. Erstens wachse die Stadt, zweitens hätten Ermittlungserfolge zu deutlich mehr U-Häftlingen geführt und drittens führe die schrittweise Modernisierung der Haftanstalten zum Verlust von Haftplätzen. Schon jetzt liege die Auslastung im geschlossenen Männervollzug bei 97 Prozent.
Müller wohnte Veranstaltung des "Vorwärts"-Verlags bei
Auch die FDP hatte der Noch-Justizsenator an seiner Seite. SPD, Linke und Grüne verzichteten zwar darauf, sich an dem CDU-Politiker noch einmal abzuarbeiten, lobten aber die miteinander ausgehandelte Justizpolitik. Wobei sich der SPD-Rechtsexperte Sven Kohlmeier die Bemerkung nicht verkniff, dass der vereinbarte Anspruch des offenen Vollzugs als Regelvollzug eher ein "semantischer Erfolg" von Grünen und Linken sei. Aber – er wolle es sich mit den künftigen Koalitionspartnern nicht gleich verscherzen.
In der Fragestunde schossen sich CDU und AfD auf den Regierungschef Müller ein, der zunehmend schlechte Laune bekam. Gefragt wurde nach den staatsanwaltlichen Ermittlungen gegen den Chef der Senatskanzlei, Björn Böhning. Dazu wisse er auch nicht mehr, als in der Zeitung stehe, brummelte Müller. Auf eine andere Frage räumte er ein, an einer der umstrittenen Veranstaltungen des "Vorwärts"-Verlags teilgenommen zu haben. Er wisse aber nicht, ob es sich in diesem Fall um ein gesponsertes Essen gehandelt habe.
Er persönlich, so Müller, habe kein Geld erhalten. "Es ist – an mich sowieso nicht – irgendein Geld geflossen." Außerhalb der Parlamentssitzung stellte Müller klar, dass kein Teilnehmer der Veranstaltung gezahlt habe. Es habe auch keinen Sponsor gegeben. Dann teilte er noch mit, am Vertrag mit dem künftigen Volksbühnen-Intendanten Chris Dercon "nicht rütteln" zu wollen. Aber natürlich könne jeder "in ein Amt kommender politisch Verantwortlicher" diese Entscheidung in eigener Verantwortung hinterfragen. Das ging an die Adresse des designierten Kultursenators Klaus Lederer (Linke), der an diesem Tag aber noch freundlich lächelnd auf der Oppositionsbank saß.