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Carsharing-Angebote sind immer beliebter in Berlin. Ihre Auswirkungen hat nun eine Studie untersucht.
© Ingar Kjer/ picture alliance

Neue Studie zu Berlin und München: Carsharing entlastet den Verkehr kaum

Eine groß angelegte Forschung hat die Nutzung und die Auswirkung von Carsharing auf die Stadt untersucht. Die Ergebnisse sind ernüchternd.

Entlastung des innerstädtischen Verkehrs, bessere Luft, weniger parkende Autos auf der Straße. Die Versprechen der neuen Carsharing-Systeme sind groß. Nun wurden sie erstmals konsequent auf den Prüfstand gestellt. Drei Jahre lang hat ein Forschungskonsortium aus Stadtverwaltungen, Universitäten, Umweltministerium und Anbietern die Auswirkungen von Carsharing auf Städte untersucht. Die Ergebnisse von diesem bislang größten Forschungsprojekt zu dem Thema wurden am Freitag in Berlin vorgestellt. Die Wichtigsten im Überblick:

Wer sind die stärksten Nutzer von Carsharing?

Das Forschungsprojekt WiMobil hat die Nutzung von dem stationären Carsharing-Anbieter Flinkster (Deutsche Bahn) und dem flexiblen Anbieter DriveNow (BMW) in Berlin und München untersucht. Dazu wurden seit 2012 Kunden befragt, die digitalen Standortdaten der Autos analysiert und die Modellregionen in Pankow und Steglitz-Zehlendorf beobachtet.

Bislang werden die Angebote von einer relativ kleinen Gruppe benutzt, die vor allem eines gemeinsam hat: Sie ist männlich und hat Geld. "75 Prozent der Carsharing-Nutzer sind Männer", sagt Barbara Lenz, Professorin am Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrum. 70 Prozent haben zudem einen akademischen Abschluss. Die Nutzer verdienen ein überdurchschnittlich hohes Einkommen und wohnen größtenteils in der Innenstadt. 28 Prozent der Flinkster- und 57 Prozent der DriveNow-Kunden besitzen ein eigenes Auto. Während die Nutzer von dem stationären Anbieter Flinkster meistens auch bei DriveNow angemeldet ist, nutzen die Fahrer der so genannten Freefloating-Systeme wie DriveNow die stationsbasierten Angebote nur wenig. Auch dafür lieferte die Studie eine gute Begründung: 31 Prozent der Freefloating-Nutzer wissen gar nicht, dass es stationäres Carsharing gibt. Und das, obwohl letzteres für längere Trips oft billiger ist.

Carsharing-Nutzung in Berlin vom 9. Mai bis zum 14. Juni 2015 nach Kiezen (Erhebung des Tagesspiegels)

Wie wird Carsharing hauptsächlich genutzt?

Wie auch der Tagesspiegel in seiner kürzlich veröffentlichten Datenrecherche zeigte, wird Carsharing hauptsächlich am Abend und am Wochenende genutzt. Die durchschnittliche Nutzungsdauer von DriveNow betrug dabei 18 Minuten, circa 8 Kilometer werden in Berlin pro Fahrt zurückgelegt. Bei Flinkster liegt der Schwerpunkt ebenfalls auf "Freizeitnutzung", mit durchschnittlich 50 Kilometer pro Fahrt. "Auffällig war in unseren Untersuchungen, dass Carsharing viel für Freizeitaktivitäten benutzt wird, bei denen man Gepäck braucht", sagt Hermann Blümel von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, "die Fahrt zum Fitnesstudio beispielsweise".

Da das Geschäftsgebiet von DriveNow in Berlin fast ausschließlich die Innenstadt abdeckt, wo es genug Haltestellen des öffentlichen Nahverkehrs gibt, werden also vor allem Strecken zurückgelegt, die sonst mit dem ÖPNV, dem Fahrrad oder dem Taxi bewerkstelligt würden. Für einzelne Fallbeispiele wurde ausgerechnet, ob es schneller wäre einen bestimmten Weg durch die Stadt mit Carsharing oder dem Nahverkehr zurückzulegen, erzählt Klaus Bogenberger von der Bundeswehruniversität München. Ernüchternes Ergebnis: Oft dauert es gleich lange.

Welche Auswirkungen hat Carsharing?

Eines der größten Hoffnungen, die Städte und Umweltverbände in Carsharing setzen, ist die Entlastung der Parksituation in den Innenstädten. 95 Prozent der Zeit stehen PKW in Deutschland bewegungslos auf der Straße herum. Bei DriveNow in München und Berlin sind es 12-21 Prozent, sagt Barbara Lenz. Dadurch werden mehr Flächen in der Stadt frei, so die Experten. Das Problem dabei ist, dass wenn die Parkplätze frei werden, einfach andere private PKW dort parken. 1,17 Millionen Autos gibt es derzeit insgesamt in Berlin.

"Wir reden hier über homöopatische Dosen", sagt Hermann Blümel von der Senatsverwaltung. In Friedenau haben er und seine Kollegen über einen längeren Zeitraum alle Parkplätze überwacht und dabei festgestellt, dass der Anteil an Carsharing-Autos so verschwindend gering ist, dass kaum Auswirkungen spürbar sind. Interessantes Nebenergebnis seiner Studie in einem der Gebiete mit dem höchsten "Parkraumdruck" der Stadt: Früh morgens und Abends parken hier mehr Autos, als es Parkplätze gibt, oft illegal vor Feuerwehrzufahrten oder an Kreuzungen. Damit wirklich eingesparte Stellplätze für andere Nutzungen frei werden und den Verkehr entlasten, müssten Parkplätze reduziert werden. Darin sind sich die Forscher einig.

Wie viele Nutzer von Carsharing ihr eigenes Auto abschaffen, ist weiterhin unklar. Nach den Umfrageergebnissen des Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrums haben 10 Prozent der DriveNow-Kunden und 20 Prozent der Kunden von Flinkster im Untersuchungszeitraum ein Auto abgeschafft. 18 Prozent der DriveNow-Kunden gaben aber auch an, in Zukunft ein eigenes Auto anschaffen zu wollen (6 Prozent bei Flinkster).

Wie steht es um Elektro-Carsharing?

Die Carsharing-Flotten haben laut der Studie schon jetzt einen geringeren CO2-Ausstoß als neu zugelassene Autos in Deutschland durchschnittlich haben. Um jedoch wirklich zur Verbesserung der Stadtluft beizutragen, gelten Elektroautos als Schlüssel. Von 1040 DriveNow-Fahrzeugen auf Berliner Straßen sind gerade einmal 40 Elektroautos. Dabei zieht ein Großteil der Nutzer nach eigenen Angaben diese vor. In den nächsten Monaten will BMW die Zahl auf 150 erhöhen.

Für die Anbieter sind Elektrofahrzeuge bislang weitgehend unrentabel. Ein Grund ist, dass die Nutzer sie viel zu selten aufladen. Schätzungsweise die Hälfte der Elektro-BMW von DriveNow müssen daher von Mitarbeitern zur Ladesäule gebracht werden. Bei den Verbrennern sind es lediglich 20 Prozent. Hier hoffen die Anbieter auf den in Berlin geplanten Ausbau der Ladesäulen-Infrastruktur. Die Senatsverwaltung schreibt zudem ab 2016 standardisierte Ladekarten für Ladesäulen vor, bislang gibt es unzählige verschiedene. Die neuen Karten sollen dann das Nutzen von Ladesäulen, das Ausleihen von Fahrrädern und das Kaufen von BVG-Tickets mit nur einer Karte ermöglichen, so die Senatsverwaltung.

Was plant die Politik?

Arno Klare (SDP), Mitglied des Verkehrsausschusses des Bundestags, äußerte sich am Rande der Veranstaltung zum geplanten Carsharing-Gesetz. Darüber würde schon seit mehreren Legislaturperioden immer wieder verhandelt. Der aktuelle Entwurf sehe vor, eine "Privilegierung für Carsharing-Autos im Straßenverkehrsrecht" einzuräumen. Das bedeutet, dass die Straßenverkehrsordnung so geändert wird, dass Städte entscheiden können, bestimmte Parkplätze für Carsharing-Autos zu reservieren, so wie es jetzt schon bei Behindertenparkplätzen oder dem Anwohnerparken möglich ist. Man sei sich im Ausschuss größtenteils einig über das Gesetz.

Zu den Studienergebnissen äußerte sich Klare zurückhaltend: "Von überwältigendem Erfolg kann man hier sicher nicht sprechen". Er setze aber auf die komplexen Wechselwirkungen, die Carsharing in Verbindung mit anderen Verkehrsmitteln hat. So würden vielleicht öfter Strecken zu Fuß oder mit dem ÖPNV zurückgelegt, wenn Carsharing-Nutzer wissen, sie können notfalls mit dem Auto zurückfahren. Solche Effekte seien bislang jedoch schwer messbar.

Wenn Sie noch genauer erfahren wollen, wann Carsharing in Berlin am häufigsten genutzt wird, welche Kieze am Stärksten befahren werden und was die Anbieter zukünftig planen, lesen Sie unsere Multimediareportage Mehrfahrgelegenheit.tagesspiegel.de mit umfangreichen interaktiven Karten und Experteninterviews. Die im Artikel gezeigten Grafiken stammen von dort.

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