Berliner Nahverkehr: BVG erwägt Verzicht auf zwei U-Bahn-Linien
Mitten im Chaos um die S-Bahn prüft die BVG, ob sie langfristig U-Bahn-Strecken einstellen kann. Die Strecken zur Krummen Lanke und zum Innsbrucker Platz sind betroffen – sie gehören nicht zum S-Bahn-Ersatz-Konzept.
Mitten im Chaos um die S-Bahn prüft die BVG, ob sie langfristig U-Bahn-Strecken einstellen kann. Verabschieden würde sie sich von der U 3 (Nollendorfplatz–Krumme Lanke) und U 4 (Nollendorfplatz–Innsbrucker Platz). Alternativ wird auch untersucht, ob auf diesen beiden Strecken die Züge weiter fahren können – aber dann statt alle fünf nur noch alle zehn Minuten. Auf der U 4 gilt der Fünf-Minuten-Takt bereits jetzt nur in der Hauptverkehrszeit.
Diese Szenarien sollen greifen, falls es dem Unternehmen in den nächsten Jahren nicht gelingt, Geld für den Kauf neuer Züge zu beschaffen. Nach Angaben von BVG-Chef Andreas Sturmowski benötigt der Verkehrsbetrieb 2015/16 insgesamt 86 neue Wagen für die Linien U 1 bis U 4, auf denen schmalere Fahrzeuge als im übrigen Netz unterwegs sind.
Die ältesten Fahrzeuge für das sogenannte Kleinprofilnetz seien dann rund 40 Jahre alt, weitere Reparaturen lohnten sich dann nicht mehr. Die Züge sind für eine Nutzungsdauer von 30 oder 40 Jahren ausgelegt. Danach sind die tragenden Teile meist verschlissen, Ersatzteile oft nicht mehr zu haben. Deshalb müssen sie durch neue Bahnen ersetzt werden, was bei den vorgesehenen 86 Wagen einen dreistelligen Millionenbetrag erfordern würde. Das Unternehmen aber ist klamm und hoch verschuldet.
Deshalb heißt es in einem nach einer Vorstandssitzung verfassten Schreiben: „In Anbetracht der wenigen finanziellen Mittel der BVG soll untersucht werden, welche Auswirkungen eine Reduzierung/Streichung der Neubeschaffung (der Fahrzeuge) hätte.“ Geprüft werden nun die Auswirkungen für die U 3 und U 4. Keine Einschränkung soll es dagegen bei den sehr gefragten Linien U 1 (Warschauer Straße–Uhlandstraße) und U 2 (Pankow-Ruhleben) geben.
Die U 3 und U 4 haben heute die wenigsten Fahrgäste im Netz. Die heutige U 4 war von der damals noch selbstständigen – und reichen – Stadt Schöneberg gebaut und 1910 eröffnet worden; vor allem aus Prestigegründen. Einen Anschluss zur „Berliner“ U-Bahn gab es damals noch nicht. Die U 3 „lebt“ vor allem vom Verkehr zur Freien Universität. Gebaut wurde sie bis 1929, um neue Wohngebiete zu erschließen. Deren meist wohlhabende Bewohner fahren heute aber meist Auto. Deshalb könnte die BVG am ehesten auf diese beiden Linien verzichten.
Sie gehören deshalb auch nicht zum Zusatzangebot, das die BVG als Ersatz für die Ausfälle bei der S-Bahn geschnürt hat. Lediglich auf der U 3 lässt die BVG die Züge mit sechs Wagen fahren; im bereits eingeführten Ferienfahrplan hielt sie Vier-Wagen-Züge für ausreichend.
Wenn ab Montag für voraussichtlich zweieinhalb Wochen der Verkehr der S-Bahn weiter eingeschränkt wird, sollten Fahrgäste die S-Bahn meiden, rät der Fahrgastverband Igeb. Auch bei einer Umwegfahrt mit der BVG könne man schneller am Ziel sein, weil viele S-Bahnen – und auch Ersatzzüge – überfüllt und verspätet sein würden. Noch ist das Netz der BVG vollständig.
Klaus Kurpjuweit