Vorfahrt für Busse und Bahnen: BVG braucht Hilfe für Beschleunigungsprogramm
Eine Tram kann bis zu 250 Fahrgäste innerhalb von wenigen Sekunden über eine Kreuzung fahren. Würde jede Fahrgast das mit seinem Auto tun, würde das mehrere Minuten dauern. Doch damit möglichst viele Berliner auf die Tram umsteigen, muss sie besonder schnell sein - doch mit der Ampelschaltung auf Vorrang hakt es in Berlin.
Noch hat die BVG die Planungen für neue Vorrangschaltungen an Ampelanlagen, die Bussen und Straßenbahnen freie Fahrt gewähren sollen, gestoppt. Wie am Sonntag berichtet, aus wirtschaftlichen Erwägungen – so heißt es in der Senatsverkehrsverwaltung. Doch nun will die BVG wieder in die Offensive gehen: Weil die Verkehrslenkung Berlin (VLB), die solche Schaltungen anordnen muss, damit nicht nachkommt, stelle die BVG jetzt einen Ampelfachmann für die Arbeit in der VLB ab, sagte BVG-Chefin Sigrid Nikutta. Zudem finanziere das Unternehmen einen weiteren Spezialisten von außen für die Arbeit in der Verkehrslenkung. Dort gibt es zu wenig Personal.
Verkehr wird schneller und kosteneffektiver
Für die BVG habe es sich nicht mehr gerechnet, Vorrangschaltungen aufwendig zu planen, wenn diese dann nicht umgesetzt würden, begründete BVG-Sprecherin Petra Reetz den derzeitigen Planungsstopp. Von rund 2100 Ampelanlagen sind etwa 1600 für den Nahverkehr relevant. 939 gewähren inzwischen Bussen und Straßenbahnen die Vorfahrt. Das Ende der 90er Jahre beschlossene Programm für die Straßenbahn sei inzwischen abgeschlossen, teilte die Verkehrsverwaltung mit. Die Durchschnittsgeschwindigkeit sei von 17,4 km/h auf 19,6 km/h erhöht worden und liege derzeit bei 19,3 km/h.
Unwillkommen sei der BVG die schleppende Umsetzung beim Programm für die Busse aber gar nicht gewesen, kritisiert Jens Wieseke vom Fahrgastverband Igeb. Bei einem erfolgreichen Beschleunigungsprogramm muss das Unternehmen zwar weniger Busse einsetzen, weil diese ihr Ziel schneller erreichen, was Kosten spart, doch umgekehrt gibt es dann auch weniger Geld vom Senat.
Grundlage beim Abrechnen sind die zurückgelegten Kilometer der Fahrzeuge. Sind viele auf der Straße, gibt’s auch mehr Geld. Die Modalitäten sind im Verkehrsvertrag zwischen der BVG und dem Senat festgelegt, was Wieseke als „Konstruktionsfehler“ bezeichnet. Dieser Passus soll jetzt nach Tagesspiegel-Informationen bei den Revisionsverhandlungen zum Verkehrsvertrag beseitigt werden.
Beschleunigungsprogramm entlastet die Umwelt
Rund 55 Millionen Euro sind bisher in das Beschleunigungsprogramm investiert worden. Wo es funktioniert, sieht die Gegenrechnung so aus: Eine vollbesetzte moderne Straßenbahn kann rund 250 Fahrgäste innerhalb von etwa 15 Sekunden über eine Kreuzung bringen. Wären die Insassen alle mit dem Auto unterwegs, wären mehrere Minuten erforderlich. So entlastet das Beschleunigungsprogramm auch die Umwelt, denn in der Regel steigt die Zahl der Fahrgäste, wenn Bahnen und Busse schneller werden.
Vor dem Planungsstopp hatten nach Angaben der Senatsverkehrsverwaltung die Arbeiten an ungefähr 100 Ampelanlagen begonnen; 40 davon seien schnell umsetzbar. In diesem Jahr seien fünf Anlagen umgerüstet worden. Die Schwerpunkte der Beschleunigung würden sich jetzt zunächst auf verbesserte Bearbeitungs- und Steuerungsstrukturen bei der Senatsverkehrsverwaltung und der Verkehrslenkung konzentrieren, teilte Staatssekretär Christian Gaebler auf eine Kleine Anfrage des CDU-Abgeordneten Oliver Friederici mit.
Nach Tagesspiegel-Informationen hatte die Verwaltung neue Vorhaben aber auch selbst nicht vorangetrieben. Ein von der BVG eingereichter Passus zur Beschleunigung für den neuen Nahverkehrsplan ist dem Vernehmen nach von der Verwaltung nicht übernommen worden.
Verbesserung geht weiter
Bei Neubauten sind derzeit noch 25 Anlagen für die Straßenbahn vorgesehen – sechs im Köpenicker Netz, vier entlang der Linien M 1 (Schillerstraße/Rosenthal Nord–Am Kupfergraben) und 12 (Pasedagplatz–Am Kupfergraben), acht entlang der M 4 (Falkenberg/Zingster Straße–Hackescher Markt) und sieben im Verlauf der M 5 (Zingster Straße–Hackescher Markt), M 6 Riesaer Straße– Schwartzkopffstraße und M 8 (Ahrensfelde–Schwartzkopffstraße).
Für den Bus sollen bis 2015 noch 112 Ampelanlagen umgerüstet werden; die Kosten sind mit 2,4 Millionen Euro veranschlagt. Die BVG hofft, dass die vor dem bisherigen Planungsstopp erarbeiteten Pläne nun auch tatsächlich umgesetzt werden – mithilfe der beiden von ihr bezahlten Mitarbeiter in der Verkehrslenkung.