U-Bahn in Berlin: BVG baut Röhre in der Röhre
Der Tunnel zwischen U 5 und U 8 wird erneuert. Das Verfahren ist technisch besonders – und besonders teuer.
Durch diesen Tunnel fährt kein Fahrgast. Und trotzdem muss ihn die BVG nun aufwendig sanieren – mit einem Verfahren, das es zumindest in Berlin noch nicht gegeben hat: Entstehen soll ein etwa 200 Meter langer Tunnel im Tunnel – unter Wasser. Die Kosten sind noch nicht ermittelt. Fest steht aber: Es wird teuer.
Neu bauen muss die BVG den sogenannten Waisentunnel unter der Spree in Mitte, den sie nur für Betriebsfahrten nutzt. Er verbindet die Linien U 5 und U 8. Die Röhre beginnt am Bahnhof Alexanderplatz und mündet südlich vom Bahnhof Jannowitzbrücke in die Stammstrecke der U 8. Weil er auch einen Abschnitt der Waisenstraße unterquert, erhielt er deren Namen.
Schon vor dem Ersten Weltkrieg begann der Bau
Begonnen hatte den Bau noch vor dem Ersten Weltkrieg die Elektrofirma AEG, die auf eigene Kosten eine Nord-Süd-U-Bahn zwischen Gesundbrunnen und Neukölln schaffen wollte. Heute gehört der Abschnitt zur U 8 (Wittenau–Hermannstraße). Im Krieg mussten die Arbeiten unterbrochen werden. Weil der Bau nicht termingerecht fertig geworden war, musste die AEG die vorhandenen Anlagen nach einem Prozess an die Stadt abtreten, die dann in eigener Regie die Arbeiten 1926 fortsetzte – und dabei den Linienverlauf zwischen Jannowitzbrücke und Alexanderplatz änderte, um den Alex direkt erreichen zu können.
Der spätere Waisentunnel habe von Anfang an Probleme gemacht, sagte BVG-Bauchef Uwe Kutscher dem Tagesspiegel. Der Tunnel unter der Spree sei nie dicht gewesen. An zahlreichen Stellen sei durch kleine Risse stetig Wasser eingedrungen. Auf die Anlage wollte man aber nicht verzichten, und so wurde der Spree-Abschnitt bereits 1930 zum ersten Mal saniert. Weil es nicht möglich war, den Tunnel von außen abzudichten, baute man damals eine verhältnismäßig dünne Innenschale in den Tunnel ein, der dafür groß genug war.
Trotzdem habe das Grundwasser weiter seinen Weg durch Ritzen im Beton gefunden, sagte Kutscher. Jahrzehntelang habe man damit leben können. Nachdem es aber Anfang des Jahres verstärkt Risse – in anderer Form als bisher – gegeben habe, sei klar gewesen: So kann es nicht bleiben.
Das Grundwasser darf nicht abgepumpt werden
Aus Sicherheitsgründen baut die BVG jetzt zunächst Stützen für die Innenschale ein. Dass sie das Gleis blockieren, spielt keine Rolle, der Tunnel ist ohnehin gesperrt, weil seit dem vergangenen Jahr der nördlich anschließende Abschnitt saniert wird. Die Arbeiten sollten Anfang 2019 abgeschlossen sein. Jetzt wird es wohl erst 2020 oder 2021 so weit sein.
Einfach im vorhandenen Tunnel eine weitere Schale einzubauen, sei nicht möglich, weil dafür die Höhe des niedrig angelegten Bauwerks nicht ausreiche, sagte Kutscher. Jetzt will die BVG die in einem besonderen Verfahren gebaute Tunneldecke unter Wasser abreißen lassen und dann im Grundwasser mit Fertigteilen, die in den vorhandenen Tunnel gesenkt werden, die neue Röhre bauen lassen. Eingesetzt werden sollen auch Taucher. Erschwert wird das Verfahren, weil die Strecke eine S-Kurve hat.
Einfacher wäre es, das Grundwasser abzupumpen und dann im Trockenen zu bauen. Das ist in der Innenstadt, anders als in der Anfangszeit des U-Bahn-Baus, aber nicht mehr zulässig. Und die Spree in mehreren Schritten abschnittsweise zu sperren, um dort dann hinter schützenden Spundwänden bauen zu können, lasse der Schiffsverkehr nicht zu. Parallel einen neuen Tunnel zu bauen, erfordere ein aufwendiges Planfeststellungsverfahren, was weitere zwei Jahre dauern könnte, sagte Kutscher. Und billiger würde es auch nicht. Bleibt also der unter Wasser entstehende Tunnel im Tunnel.
Jens Wieseke vom Fahrgastverband Igeb, der wie der Senat Tunnelneubauten in den nächsten Jahren ablehnt, hält die Arbeiten am Waisentunnel für richtig, weil es eine Sanierung sei. BVG und Senat müssten sich darauf konzentrieren, das Bestandsnetz zu sichern. Auch wenn es so teuer werde wie jetzt am Waisentunnel.