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Die Kleinstadt Jüterbog, etwa 70 Kilometer südlich von Berlin, macht derzeit durch Flüchtlingsfeindliche Äußerungen ihres Bürgermeisters auf sich aufmerksam.
© imago stock&people

Jüterbog in Brandenburg: Bürgermeister bezeichnet Flüchtlinge als ansteckend

Jüterbogs Bürgermeister warnt vor Kontakt zu Flüchtlingen - weil die angeblich Infektionskrankheiten übertragen. Und er hat kein Problem damit, als Rassist beschimpft zu werden. Das Sozialministerium ist entsetzt.

Der parteilose Bürgermeister von Jüterbog (Teltow-Fläming), Arne Raue, macht mit der Warnung vor ansteckenden Krankheiten Stimmung gegen Flüchtlinge. In einer Mitteilung warnte er die Bürger seiner Stadt „ausdrücklich“ vor dem Kontakt mit Asylbewerbern. Er sei von einer Ärztin darauf hingewiesen worden, „dass schon bei geringfügigem Kontakt mit Neuankömmlingen Gefahr von Infektionskrankheiten besteht“, auch solche, gegen „die es leider keine wirksame Impfung gibt und die in vielen Entwicklungsländern noch weit verbreitet sind“, etwa Tuberkulose. Für das städtische Personal werde er Impfungen anbieten, erklärte er in einer Mitteilung. Nachträglich wurde die Mitteilung in der Überschrift mit dem Hinweis ergänzt: „Bitte prüfen Sie Ihren Impfschutz“.

Bei Facebook "asylkritische" Posts vom Bürgermeister

Raue, der bei Facebook gern asylkritische Beiträge veröffentlicht, sagte auf Anfrage, er habe die Warnung „hochoffiziell“ von einer Ärztin erhalten, die er vertraglich für das Rathaus gebunden habe. Inwiefern es sich um einen amtlichen Hinweis handelt, wollte Raue nicht sagen. An seiner Warnung sieht er nichts Problematisches. „Ich kann inzwischen gut damit leben, als Rassist beschimpft zu werden, da bin ich stressfrei“, sagte er. Nur weil er nicht „ausschließlich eine Willkommensmelodie anstoße“, werde er „schon in die rechte Ecke“ gestellt.

Auf seiner Facebook-Seite postet Raue Beiträge rechter Verschwörungstheoretiker über angebliche Gelder des Freistaats Thüringen für linke Gegenproteste gegen Rechtsextremismus. Er findet auch nichts daran, auf eine Demonstrationen des extrem rechtslastigen Brandenburger Pegida-Ablegers „Bramm“ hinzuweisen.

Sozialministerium spricht von gefährlicher Stimmungsmache

Das Brandenburger Gesundheitsministerium reagierte entsetzt auf Raues Warnung vor Krankheiten. Die pauschale Warnung des Bürgermeisters sei „äußerst bedenklich“. Ein Ministeriumssprecher sagte: „Das ist eine ganz gefährliche Stimmungsmache, die wir aufs schärfste kritisieren und zurückweisen.“ Auch Landräten Kornelia Wehlan (Linke) kritisierte den Bürgermeister. „Das sind Behauptungen, die ich nicht nachvollziehen kann“, sagte Wehlan der Tagesspiegel-Schwesterzeitung Potsdamer Neueste Nachrichten. Gesundheitsfragen seien mit den Bürgermeistern erörtert worden.

„Der Amtsarzt hat klipp und klar erklärt, dass die Gefahr, sich bei einem Flüchtling oder Asylbewerber mit einer ansteckenden Krankheit zu infizieren, nicht höher ist als bei einem Einwohner des Landes Brandenburg“, sagte Wehlan. Sie wies darauf hin, dass alle neuankommenden Flüchtlinge grundsätzlich in den Erstaufnahmeeinrichtungen untersucht und dort ihr Impfstatus geprüft und bei Bedarf vervollständigt werde. Menschen mit ansteckenden Krankheiten würden sofort medizinisch behandelt und nicht in die Landkreise verteilt.

Grünen-Landeschef: Bürgermeister betreibt gezielt Hetze

Auch Clemens Rostock, Landesvorsitzender der Brandenburger Bündnisgrünen, reagierte empört: "Schlimm genug, dass rechte Kräfte vermehrt Gerüchte in die Welt setzen, wonach Flüchtlinge entweder kriminell seien, zu viel Geld vom Staat erhielten oder die Gesundheit anderen gefährdeten", sagte Rostock. All diese Vorwürfe würden sich stets als an den Haaren herbeigezogen erweisen. "Dass nun der Bürgermeister von Jüterbog solche Gerüchte auch noch in einer Mitteilung an Bürgerinnen und Bürger seiner Stadt verbreitet, ist unfassbar." Es gebe eigentlich nur zwei Möglichkeiten: "Entweder er glaubt an seinen eigenen Unsinn oder er betreibt gezielt Hetze. Egal wie, als Bürgermeister ist er unhaltbar.“

Laut Gesundheitsministerium sieht das Robert Koch-Institut (RKI) derzeit keine erhöhte Infektionsgefährdung durch die Asylsuchenden. 90 Prozent der erkrankten Asylsuchenden hätten sich erst in Deutschland angesteckt. Trotz steigender Flüchtlingszahlen sei kein dramatischer Anstieg von Tuberkulose-Fällen zu verzeichnen. Bis 13. Oktober waren es 121 TBC-Fälle, 2014 noch 116, in den Jahren zuvor im Schnitt 100. Wehlan sagte: Unabhängig von Stimmungsmache rate das Gesundheitsamt schon seit Jahren, regelmäßig den Impfstatus prüfen und aktualisieren zu lassen. 

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