Müll in Neukölln: Bürger sollen selbst zum Besen greifen
Überall in Berlin landet Müll auf der Straße, aber Neukölln ist unrühmlicher Spitzenreiter. Jetzt sollen alle mit anpacken.
Matratzen, Schränke, Fernseher - in die Türme von illegalem Sperrmüll auf den Straßen von Neukölln könnte man fast einziehen. Der Bezirk ist unrühmlicher Spitzenreiter, wenn es um das unrechtmäßige Loswerden von Bauschutt, Elektroschrott und sonstigem Müll geht. Rund 800 Tonnen entsorgten die Berliner Stadtreinigung (BSR) im Auftrag des Ordnungsamtes im letzten Jahr. Das kostete den Bezirk etwa 1,2 Millionen Euro. Sebastian Harnisch von der BSR ärgert sich: Wer seinen Müll einfach auf die Straße kippt, schade massiv der Umwelt.
Müll-Hotspot Karl-Marx-Straße
Es gibt aber gleichzeitig immer mehr Leute, die vermüllte Orte melden. Über das Portal „Ordnungsamt Online“ können Bürger Verschmutzungen, Vandalismus und andere Mängel im Stadtbild melden. Davon gibt es reichlich: Seit Montag wurden mehr als 170 zugemüllte Stellen in Neukölln gemeldet, knapp die Hälfte davon ist wieder aufgeräumt. Besonders häufig geht es um Möbelstücke und Baumaterialien, aber auch Weihnachtsbäume werden im März noch weggeworfen.
Am schmutzigsten ist es in Nordneukölln rund um die Karl-Marx-Straße. Für Franziska Giffey, Bezirksbürgermeisterin von Neukölln (SPD) ein Dauerthema: „Der Großteil meiner Bürgerbriefe handelt von vermüllten Orten. Wir bekommen hier 200 Anrufe am Tag, wo sich Anwohner über Müll beschweren“, sagt sie.
Mehr Eitelkeit im Bezirk
Doch das soll sich bald ändern: „Viele meinen, Neukölln sei die ewige Schmuddelecke. Aber damit kann ich mich als Bürgermeisterin nicht zufrieden geben“, so Giffey weiter. Deswegen hat sie gemeinsam mit Schulen und Unternehmen die Initiative „Schön wie wir“ gestartet. Mit einem symbolhaften Besen mit knallpinken Borsten sollen Bürger ihre Nachbarschaft selbst auf Vordermann bringen.
Als Ergänzung zur Arbeit von BSR und Ordnungsamt sollen sich Teilnehmer mehr mit ihrem Bezirk identifizieren und eigene Vorschläge einbringen. Den Namen der Aktion erklärt sie so: „Die Idee ist, dass Menschen hier oft extrem auf ihr eigenes Aussehen achten, aber nicht so sehr auf ihre Umgebung. Der Einsatz für den Bezirk soll wieder cool werden.“
Kritik kommt von der CDU
Für Christopher Förster, Pressesprecher der CDU Neukölln, eine Farce: „Die Politik scheitert daran, ein Problem in den Griff zu kriegen und schiebt es den Bürgern zu.“
Neben dem allgemeinen Straßenbild leiden vor allem die Parks unter dem Müll. Dort werden häufig giftige Abfälle wie Öle, Lacke oder Bau-Chemikalien abgeladen. Dort verschmutzen sie das Grundwasser. Obwohl für solche Verstöße bis zu 5000 Euro Bußgeld drohen, müssen die Verantwortlichen selten dafür bezahlen: Nur sieben der 598 Verfahren führten im letzten Jahr zu einem Ergebnis, die meisten Schuldigen dagegen bleiben anonym.
Müll ist überall in Berlin ein Problem
Die Lage in Neukölln ist prekär, doch auch in anderen Bezirken gibt es Schwierigkeiten. So ist illegaler Sperrmüll nach Aussage des Pankower Bezirksstadtrat Torsten Kühne auch im Prenzlauer Berg ein großes Problem. Im Norden des Bezirks werde sogar Müll in Naturschutzgebieten entsorgt. Dem Bezirk Mitte macht das gesteigerte Touristenaufkommen zu schaffen: „Gerade im Sommer sind in den Grünanlagen die Mülleimer zu voll. Einigen ist auch der Weg dorthin schlicht zu weit“, beobachtet Mitte-Bezirksstadtrat Carsten Spallek (CDU).
Er bemängelt außerdem, dass im Bereich der Reinigung so viel Geld gestrichen wurde. Innerhalb der letzten Jahre wurde der Etat für die Säuberung von Straßen und Grünflächen im Bezirk um 40 Prozent gekürzt. Für Spallek hat das noch andere Konsequenzen: „Durch eine dreckige Umgebung verschlechtert sich auch das subjektive Sicherheitsgefühl.“
Susanne Romanowski