Höhere Mieten per Gutachten erlaubt: Bundesgerichtshof gibt Deutscher Wohnen Recht im Streit um Berliner Wohnung
Der Immobilienkonzern verlangte für eine Wohnung in Spandau mehr Miete, als der Mietspiegel laut Mietervertreter vorsieht - Gerichtsgutachten entschied.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat im Streit über die Zulässigkeit einer Erhöhung der Miete, die laut Mietervertreter nicht den Mietspiegel berücksichtigte, zugunsten der Deutschen Wohnen geurteilt (AZ: VIII ZR123/20) durch Hinzuziehen eines Gutachtens.
Gestritten wurde über die Mieterhöhung für eine Wohnung in Spandau. Die Deutsche Wohnen hatte argumentiert, die gute Ausstattung der Wohnung rechtfertige ein Erhöhung von 422,82 Euro auf 474,93 Euro monatlich für die 84 Quadratmeter große Immobilie. Zuvor hatte das Amtsgericht Spandau die Mieterhöhungsklage der Deutschen Wohnen abgewiesen.
Gerichte dürfen Gutachten einholen
Das Landgericht hatte im Berufungsverfahren das Gutachten eines Sachverständigen eingeholt. Danach war die Mieterhöhung zulässig. Dagegen war die Mieterin in Revision vor den BGH gezogen. Dieses hält das Einholen eines Gutachten für zulässig.
Gerichte seien nicht verpflichtet, nur nach Mietspiegel zu urteilen. In den Gerichtsbezirken Wedding und Schöneberg müssen Mieter nun mit der Einholung von Gutachten in Streitfällen rechnen.
Marcel Eupen vom Alternativer Mieter- und Verbraucherschutzbund (AMV), der den Fall betreute, rechnet nicht damit, dass das Beispiel Schule macht. Die anderen Kammern des Berliner Landgerichts hätten bisher ähnliche Klagen der Deutschen Wohnen abgewiesen.
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Hinzu komme, dass die Bundesregierung den Mietspiegel als Instrument zur Regulierung der Miethöhe durch Vorschriften gesetzlich stärken will. Sobald entsprechende Regeln festgeschrieben seien, würden Ausnahmefälle wie diese künftig wieder ausgeschlossen.
Deutsche Wohnen: Mieterhöhung mit Mietspiegel begründet
Ein Sprecher des im Dax notierten Konzerns betonte: "Die Deutsche Wohnen hat keine Miethöhe in ihrem Mieterhöhungsverlangen angesetzt, die über den Mietspiegel hinaus geht. Das Mieterhöhungsverlangen wurde auf Basis des Mietspiegels und mit dem Mietspiegel begründet." Der Rechtsstreit habe sich an der Frage entzündet, wo – im Rahmen des Mietspiegels(!) – die korrekte Miethöhe anzusetzen ist." Selbst die höhere Miete, die das vom Gericht beauftragte Gutachten ermittelt habe, bewege sich noch innerhalb des Mietspiegels.
Mietervertreter: "Die Deutsche Wohnung trickst"
Widerspruch kommt von Mietervertreter Marcel Eupen. Er bleibt dabei: „Wer den Mietspiegel zugrunde legt, darf nicht mehr als 4,90 Euro je Quadratmeter für diese Wohnung verlangen – stattdessen verlangt die Deutsche Wohnen viel mehr, nämlich 5,65 Euro“. Der Mietervertreter weiter: „Die Deutsche Wohnen trickst“. Der Trick bestehe darin, die Miete anhand eines Wertes aus der sehr großen „Spanne“ im Mietspiegel auszuwählen, der für die betreffende Wohnung gar nicht gelte. Hintergrund: Im Mietspiegel sind die Mieten der Wohnungen nach Baujahren unterschieden. Die korrekte Berechnung nach Mietspiegel verlangt aber außerdem die Anrechnung von Zuschlägen oder Abschlägen auf die mittlere Miete einer Baualtersklasse. Diese Zu- und Abschläge hängen von den Merkmalen der Wohnung ab, etwa von deren Ausstattung. In dem konkreten Fall ergab sich unter Berücksichtigung des Mietspiegels eine Miete von 4,90 Euro. Das habe das Amtsgericht festgestellt. Und auch das Landgericht habe dies nicht infrage gestellt. Im Unterschied zu den meisten anderen Berliner Gerichten habe diese Kammer des Landgerichts aber eine Beweisführung jenseits des Mietspiegels durch Heranziehen eines Gutachters zugelassen. „So kam eine höhere Miete zustande, als eine Berechnung nach dem Mietspiegel hergibt“, sagt Eupen
Mietdeckel drängt die Mietpreisbremse in den Hintergrund
Mietspiegel, Mietpreisbremse und andere mietrechtliche Bestimmungen im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) bildeten bisher die Grundlage für die Festsetzung der Mieten und deren Erhöhung. Durch die Einführung des Mietendeckels gelten daneben in Berlin rechtliche Obergrenzen für die Mieten.
Die Annahme höherer Mieten als die in Tabellen abhängig vom Baujahr, der Ausstattung und des Zustands der Wohnungen (zuzüglich 20 Prozent tolerierte Überschreitung) ist seitdem verboten.