Fall Kennedy: Britischer Polizist hatte offenbar Auftrag für Berlin
Der 2010 aufgeflogene Undercover-Agent aus Großbritannien war offenbar in drei deutschen Bundesländern im Einsatz. Offiziell war bisher nur von Aktivitäten rund um den G8-Gipfel in Heiligendamm 2007 die Rede gewesen. Der Senat fordert schnelle Aufklärung.
Schon diese Woche könnte sich der Landtag von Mecklenburg-Vorpommern mit einem delikaten Fall beschäftigten – und dabei Fragen aufwerfen, die auch für das Berliner Abgeordnetenhaus relevant werden könnten. Vor allem Linke und Grüne fordern Aufklärung über den britischen Undercover-Polizisten Mark Kennedy, der 2010 in seiner Heimat nach acht Jahren in der linken Szene aufgeflogen war. Kennedy – Deckname: Mark Stone – ist auch in Deutschland aktiv gewesen, und zwar nicht nur vorrangig rund um den G-8-Gipfel 2007 im mecklenburgischen Heiligendamm, sondern entgegen offizieller Darstellung auch in Berlin.
Bisher ist nicht nur unklar, ob der Mann für seinen verdeckten Einsatz auch von deutschen Stellen bezahlt wurde. Ebenso wenig ist zu seinen diversen Aufenthalten in der Hauptstadt bekannt. Nach einer Sitzung des Innenausschusses des Bundestages vor zwei Wochen hatte der Chef des Bundeskriminalamtes (BKA), Jörg Ziercke, bestätigt, dass sich Kennedy in drei Bundesländern aufgehalten habe. Vor den G-8-Gipfel-Protesten 2007 habe Mecklenburg-Vorpommern sogar um den Einsatz des Mannes gebeten, hieß es. Auf BKA-Vermittlung sei die Undercover-Aktion vertraglich geregelt worden. Rund um Heiligendamm kam es zu Straßenschlachten zwischen Linksradikalen und der Polizei. Neben Baden-Württemberg ist Kennedy vor allem in Berlin gewesen – und zwar mindestens vier Mal. Zuletzt hatte er sich 2009 bei Bekannten in der Stadt gemeldet. Es heißt, Berlin sei „sein erster Anlaufpunkt in Deutschland“ gewesen.
Angeblich weilte der Ermittler in Berlin nur, um seine Legende zu pflegen, offenbar weil Besuche in der Hauptstadt für europaweit reisende Linke dazugehören. Eine offizielle Vereinbarung zwischen der Berliner Polizei, BKA und britischen Behörden ist nicht bekannt. Und die Berliner Polizei ist über den Einsatz des britischen Staatsschützers offenbar nur vage informiert worden. Innensenator Ehrhart Körting (SPD) hatte erklärt, das Bundeskriminalamt habe der Berliner Polizei 2007 nur mündlich mitgeteilt, dass sich in der Stadt ein Polizist verdeckt aufhalte. Der Name Mark Kennedy sei nicht mitgeteilt worden.
In Berlin hat sich Kennedy einem Zeugen zufolge für militante Aktionen gegen Neonazis angeboten. Außerdem war bekannt geworden, dass gegen einen Mark Stone in Berlin ein Verfahren wegen Sachbeschädigung eingeleitet wurde, nachdem der Mann im Dezember 2007 in Berlin festgenommen worden war. Er soll in Mitte eine umgeworfene Mülltonne angezündet haben. Der Brite habe sich auch für die Beteiligung örtlicher Linker an internationalen Treffen und Protesten interessiert, wurde dem Tagesspiegel berichtet. Es gibt bisher keine Hinweise, dass der Mann am traditionell gewaltsamen 1. Mai in Berlin war.
Verdeckte Ermittler dürfen mindestens innerhalb der Europäischen Union herumreisen, müssen im jeweiligen Land aber angekündigt werden. Kennedy habe hierzulande – wie vorgeschrieben – nur als „Vertrauensperson“ agiert, heißt es: also nicht als Beamter mit entsprechenden Rechten, sondern als „gewöhnlicher Spitzel“ in der Szene. „Selbstverständlich darf aber auch ein V-Mann keine Straftaten begehen“, sagte der Berliner Rechtsanwalt Alain Mundt, der G-8-Gegner vertreten hatte. Der SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz sprach mit Blick auf den Einsatz ausländischer V-Männer kürzlich von einer rechtlichen Grauzone. Das Bundesinnenministerium äußerte sich nicht zu Kennedy.
Hannes Heine