Bierbrauen selbst gemacht: Breaking Bad und Babybrei
Ein Hamburger Start-Up verkauft Utensilien zum Bierbrauen in der heimischen Küche. Ein Versuch.
Ich bin 20 Jahre alt und will endlich mal etwas Richtiges machen. Mit meinen Händen. Was von Bestand. Da kommt „Besserbrauer“ gerade recht. Das Hamburger Start-Up verkauft Bierbrauboxen mit Gärballon, Malz, Hopfen, Thermometer, Hefe und Kronkorken. Die Kronkorken lösen Vorfreude aus - der Rest nicht. Sieht nach Arbeit aus. Aber dann: die Brauanleitung. Ein Assistent mit dem Namen „Bob der Braumeister“ gibt kluge Kommentare, zum Beispiel: „Der Hopfen ist die Seele des Bieres“.
Maischebrot für zwischendurch?
Während ich die Utensilien auf dem Tisch verteile, fühle ich mich wie Walter White aus der US-Serie „Breaking Bad“. Besonders der Gärballon passt eher ins Labor als in meine Küche. Der Hopfen riecht nach Cannabis und sieht aus wie grüne Hasenköttel. Als erstes muss ich das Malz aufkochen und so Maische produzieren. Nach einer Stunde sieht die Brühe schon wie Bier aus, nur riechen tut sie anders. Ich überlege wonach, aber es fällt mir nicht ein. Irgendwas mit Kindheit und Babybrei.
Die Maische gieße ich durch ein Nudelsieb, damit sich die Brühe vom Malz trennt. Das könnte man auch zum Brotbacken verwenden. Wer konsequent ist, kriegt aus dem halben Kilo Maische etwa zehn Brote. Wer in einer Zweier-WG wohnt und wenig Appetit hat, backt zwei und muss den Rest entsorgen.
Bob der Braumeister
Während die Maische köchelt, kommen Hopfen und Hefe dazu. Etwa die Hälfte der Flüssigkeit verdampft, in der Küche riecht es noch immer nach diesem undefinierbaren Geruch, irgendwas mit Baby. Fünf Stunden später passt alles gerade so in den Gärballon.
Der verschwindet jetzt für eine Woche unter der Spüle. Es beginnt einer schwierige Phase beim Bierbrauen: Ich habe keinen Einfluss mehr. Vielleicht war alles umsonst. Nach sieben Tagen fülle ich mein erstes selbst gebrautes Bier in die Flaschen und darf es mit den Kronkorken verschließen. Es duftet nach gegorenem Apfelsaft. Kohlensäure sei noch nicht drin, sagt Bob der Braumeister. Die entsteht mit dem beigerührten Zucker während der Flaschengärung. Hört sich nach Zauberei an.
Das fühlt sich so gut an
Vier Wochen lang steht die Kiste in einer Ecke meines Zimmers. An den Flaschenhälsen bilden sich kleine Blasen. Vier Wochen lang verkneife ich mir, wenigstens bei einer Flasche zu testen, ob es schon zischt. Dann der große Moment. Es zischt! Und schäumt! Und wie es schäumt! Eine große Pfütze breitet sich auf dem Boden aus. Aber das spielt keine Rolle mehr. Mit nassen Füßen stehe ich neben meinem Bett und führe die Flasche zum Mund.
Es schmeckt fad. Ich lächele trotzdem tapfer. Am nächsten Tag greife ich zum Sternburg und rufe beim Hersteller an. Ich solle es einfach ein paar Tage länger im Kühlschrank lagern, rät er. Und tatsächlich – drei Tage später schmeckt es wie ein Hefeweizen. Erstaunlich normal. Aber es fühlt sich so gut an.
Auf Seite zwei liest du, wer hinter "Besserbrauer" steckt.
Aber wer steckt hinter der Braubox? Jörg Iversen (30) gründete vor zwei Jahren mit Kathy Gabel (39) das Start-Up „Besserbrauer“. Eine Mediaplanerin und ein Webdesigner brauen Bier – ist das authentisch?
Du hast vor zwei Jahren dein erstes Bier gebraut, jetzt verkaufst du schon Brauboxen. Bist du wirklich fasziniert oder wolltest du einfach ein Start-Up gründen?
Jörg Iversen: Bevor wir selbst angefangen haben, eigenes Bier herzustellen, dachten wir immer, Bier brauen sei Hexenwerk und nur in riesigen Stahlbottichen möglich. Dabei hatten wir bereits eine Mini-Brauerei zu Hause, wir wussten es nur noch nicht! Viele Braugeräte, zum Beispiel Topf, Sieb und Kochlöffel sind in den meisten Küchen nämlich schon vorhanden.
Was machst du, wenn du kein Bier braust?
Ich bin hauptberuflich freischaffender Webdesigner, Kathy ist Mediaplanerin. Wir arbeiten noch nicht Vollzeit für die Besserbrauer, aber das ist für das kommende Jahr geplant. Das Interesse an der Braubox wird immer größer und wir testen gerade den Verkauf über die deutschen Landesgrenzen hinaus. Das ist natürlich zeitintensiv.
Wer hatte die Idee?
Kathy und ich waren im Frühjahr 2013 auf der Suche einem Hobby, das nichts mit digitalen Medien zu tun hatte. Berufsbedingt saßen wir ja ohnehin schon den ganzen Tag am Computer. Irgendwann sind wir auf das Thema Bier brauen gekommen, wahrscheinlich weil wir für Heimwerken zu tollpatschig waren und ohnehin gerne kochten. Wir haben uns dann ein 20-Liter-Braukit mit hässlichem Gäreimer aus Plastik zugelegt. Das ganze Gerät brauchte eine Menge Platz und war wahnsinnig unhandlich. Wir dachten, dass es doch auch im Küchenformat möglich sein muss, Bier zu brauen. So entstand die Idee der Braubox.
Bei neuen Produkten spielen die Schlagworte regional, nachhaltig und handgemacht eine große Rolle. Woher kommen eure Zutaten?
Unsere Zutaten werden frisch und luftdicht verpackt, das erledigt ein Zulieferer im Hopfenanbaugebiet Tettnang in Bayern. Am Brautag stehst du vier bis fünf Stunden lang in der Küche und maischst, läuterst, kochst den Hopfen. Bier brauen erfordert Körpereinsatz und Geduld. Uns war auch wichtig, dass alle Brau-Utensilien wieder verwendbar sind und beim Brauen möglichst nichts übrig bleibt. Deswegen empfehlen wir mit einem Rezept, aus dem benutzten Malz Biertreber-Brot zu backen.
An wen verkauft ihr größtenteils eure Brauboxen?
Die meisten unserer Kunden sind Männer. Das haben wir uns nicht ausgesucht, aber offenbar ist Brauen eine Männerdomäne. Das versuchen wir aber gerade zu ändern, immerhin haben wir eine ambitionierte Bierbrauerin in unserem Team! Wir merken mittlerweile, dass sich auch Frauen für Craft Beer interessieren. Die Sortenvielfalt ist hier ja auch größer als bei den Industriebieren, statt einem Pils gibt es dann halt mal ein belgisches Kirschbier oder ein fruchtiges Pale Ale. Das ist übrigens unser Bestseller.
Warum nehmen sich Leute Zeit, selber zu brauen?
Etwas mit den eigenen Händen herzustellen, hat etwas Befriedigendes. Und beim Bier brauen macht das Ergebnis sogar betrunken, ich denke, da gibt es langweiligere Hobbys.
Brauzutaten bekommt man im Internet für weniger als 75 Euro. Warum sollte man so viel für eure Box ausgeben?
Klar kann man Zutaten und Braugeräte auch woanders kaufen. Dann steht man aber dort, wo wir vor drei Jahre standen: Man muss sich mühsam alles selbst zusammenrecherchieren. Wir haben alle unsere Biersorten etliche Male gebraut, Freunden und Fachleuten in die Hand gedrückt, bei der Ratsherrn-Brauerei in Hamburg ins Labor gegeben. Wer mit der Braubox braut, soll sich keine Gedanken darüber machen, was alles schief gehen kann. Deswegen legen wir der Box z.B. auch eine bebilderte Brauanleitung mit vielen Tipps und Hintergrundwissen bei. 75 Euro zahlst du für die Erstaustattung. Ein Nachfüllpaket kostet zwölf Euro, also einen Euro pro fertige Flasche Bier.
Kann man beim Brauen etwas falsch machen? Es sind ja immerhin Lebensmittel und Hefe mit im Spiel.
Unsere Brauanleitungen sind mittlerweile ziemlich idiotensicher. Wir hören genau zu, wenn Kunden uns Feedback geben, oft reicht es schon, wenn zweimal dasselbe Problem auftaucht, damit wir die Brauanleitung ändern. Das ist sicherlich der Vorteil eines Start-Ups: die Geschäftsführer beantworten noch alle Fragen selber. Da kommt es auch mal vor, dass man am Sonntag um 20 Uhr einem Braubox-Nutzer telefonisch aus der Patsche hilft.
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Simon Grothe
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