Erbe des Braunkohleabbaus: Braune Brühe bedroht den Spreewald
Eine rot-braune Eisenocker-Brühe verunreinigt den Spreewald - eine Spätfolge des Braunkohleabbaus. Nun schlägt die Landespolitik Alarm wegen des Schlamms, denn das verschmutzte Flusswasser könnte auch Berlin erreichen.
Mit einem kräftigen Schlag zerstößt Werner Rosenberger am Ufer der Wuderitz das Eis. Den Eimer braucht er nicht tief in den kleinen Fluss zu tauchen, schon ist er voll mit rot-braunem Schlamm. „Das ist das Eisenocker“, sagt der 72-Jährige, der an dieser Stelle am Naturhafen von Ragow, gelegen zwischen Lübbenau und Lübben, am westlichen Rand des Spreewaldes einen kleinen Kahnfahrtbetrieb betreibt. Das Eisenocker, ein rotbrauner Schlamm, ist das Erbe von 150 Jahren Braunkohleabbau. Das Zeug mache alles kaputt, sagt Rosenberger, seinen Betrieb, bald auch den Tourismus im Spreewald. Mehrere tausend Arbeitsplätze hängen davon ab.
Noch aber ist es nicht soweit. Vom Naturhafen Ragow sind es nur zwei Kilometer bis zur Spree, wo sich das braune Wasser der Wuderitz mit dem der Spree vermischt. Noch ist die Spree relativ sauber. Damit aber könnte es bald vorbei sein, wenn nichts geschieht. Das sagen nicht nur die Kahnfahrmänner, das sagen auch Hotelbetreiber und der Tourismusverband. Im Oktober vergangenen Jahres haben sie deshalb das Aktionsbündnis „Klare Spree“ gegründet, extra außerhalb der Urlaubssaison.
„Das Wasser war früher schon braun, besonders nach Hochwasser und viel Regen“, sagt Rosenberger. In diesem Winter aber sei es besonders schlimm. Wenn Schnee und Eis abgetaut sind und die Saison wieder losgeht, befürchtet er das Schlimmste. „Die Leute sehen die braune Brühe und fahren dann lieber woanders hin.“ Der Geschäftsführer des Tourismusverbandes Spreewald, Peter Stephan, warnt: „Hier steht eine einzigartige Landschaft auf dem Spiel.“
Besonders groß ist der Zufluss der mit Eisen belasteten Spree aus Sachsen. In Spremberg an der Landesgrenze sammelt sich das Eisenocker noch in der Talsperre. „Aber wenn das nächste große Hochwasser kommt, dann schwappt das alles über und gelangt in den Spreewald. Dann ist hier alles vorbei“, sagte Wolfgang Renner (54), der hier in der Region um Cottbus für die Grünen in den Bundestag will. Doch auch an anderer Stelle kommt die braune Brühe durch, wie an der Wuderitz oder am Mühlenfließ bei Vetschau. Einst war in der Gegend das Grundwasser für die Tagebaue bis zu 100 Meter abgesenkt, jetzt steigt es und bringt das Eisen in die Fließe. „Es muss schnell eine Lösung her“, sagt Renner.
Lange Zeit wurde dem Grünen-Politiker Panikmache vorgeworfen, inzwischen ist aber auch die Landespolitik alarmiert. Am heutigen Donnerstag wird sich der brandenburgische Landtag in einer aktuellen Stunde damit befassen. Dort wird die Lage inzwischen als so dramatisch angesehen, dass alle Fraktionen in einem gemeinsamen Antrag kurzfristige Maßnahmen fordern, vor allem von Sachsen, von wo die braune Flut aus den alten Tagebaugebieten kommt. In der Kritik steht aber auch die Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft (LMBV), die die Folgen von 150 Jahren Braunkohleabbau mildern soll, in dem sie die Landschaften wieder herrichtet. Der Antrag der Fraktionen sieht auch vor, das Netz der Messstellen zu verdichten und in der Landesregierung einen Beauftragten für das Problem zu benennen. Zudem soll künftig mehr Offenheit bei dem Thema herrschen.
Nicht durchsetzen konnte sich die Linke mit ihrem Vorschlag, den Energiekonzern Vattenfall stärker zur Kasse zu beten. Ein Großteil der Sulfatbelastung in der Spree kommt aus den noch aktiven Tagebauen in der Lausitz. Nach Untersuchungen der Umweltbehörden in Brandenburg und Berlin könnte das Sulfat schon in wenigen Jahren ein Problem für die Trinkwassergewinnung in Berlin und Frankfurt (Oder) werden. Und Sulfat lässt sich nur schwer aus der Spree herausfiltern. Im Gegensatz zu Eisenocker. „Man kann schon jetzt etwas machen, die Anlagen sind da, man muss sie nur wieder in Betrieb nehmen“, sagte der Grünen-Politiker Renner. Es sind alte Auffangbecken und Wasserreinigunganlagen mit großen Teichen, die nach der Wende geschlossen wurden wie einige Tagebaue. Darüber entscheiden muss die LMBV. Im April wird über die Verwendung des Budgets bis 2017 entschieden. Klar ist aber, das gab Umweltministerin Anita Tack (Linke) am Mittwoch im Landtag zu, dass das Problem nicht kurzfristig zu lösen sei. Ein aktuelles Gutachten für die LMBV kommt zu Ergebnis, dass die Spree noch bis zu 100 Jahr braun bleiben wird.
Alexander Fröhlich, Thorsten Metzner