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Auf den Märkten darf das Gemüse nicht dicht an dicht gestapelt werden. Alle 20 Meter muss ein Mindestabstand von 5,5 Metern für einen Fluchtweg freigehalten werden.
© dpa

Fluchtwege freihalten: Brandschutz gefährdet Wochenmärkte

Der Betreiber des Wochenmarktes am Kollwitzplatz muss die Stände ausdünnen, nur so können die vorgeschriebenen Fluchtwege eingehalten werden. Auch andere Standorte verstoßen gegen die Vorgaben.

Bio-Würste, Öko-Käse und jede Menge Tinnef: Für tausende Berliner und Besucher ist der Wochenmarkt am Kollwitzplatz in Prenzlauer Berg jeden Samstag fester Bestandteil der Kiezkultur. Nach über elf Jahren könnte jetzt Schluss sein. Grund ist eine rigide Umsetzung von Brandschutzmaßnahmen. Andere Berliner Wochenmärkte fürchten nun ebenfalls eine neue Debatte um teils unerfüllbare Vorschriften.

Andreas Philipp Strube, der den Markt im Juni 2000 erstmals installiert hat, verzweifelt langsam an den Auflagen des Bezirksamtes Pankow. „Etlichen Händlern habe ich kündigen müssen“, erzählt er. Nur so können die vorgeschriebenen Fluchtwege eingehalten werden. Alle 20 Meter muss zwischen den Ständen fünf Meter Abstand gehalten werden, heißt es in dem Schreiben der Feuerwehr. Außerdem sind die Fahrbahnen „in einer Mindestbreite von 5,5 Metern ständig freizuhalten“, was bedeutet, dass viele Stände etwa auf vorgelagerte Tische verzichten müssten. „Wenn wir die Vorschriften umsetzen, ist der Markt an dieser Stelle nicht wirtschaftlich zu betreiben“, sagt Strube. Es wäre das Ende des Marktes.

Dabei will Pankows Ordnungsstadtrat Jens-Holger Kirchner (Grüne) den beliebten Wochenmarkt eigentlich um jeden Preis halten. Doch der Bezirk bekommt gerade selbst Druck vom Verwaltungsgericht. Wie Kirchner dem Tagesspiegel bestätigte, könnte das Gericht auf Antrag einer Anwohnerin bald ein Zwangsgeld gegen den Bezirk verhängen, wenn dieser nicht dafür sorgt, dass die Vorgaben der Feuerwehr eingehalten werden.

Joachim Pletz, Marktverwalter für das Ordnungsamt in Charlottenburg-Wilmersdorf, hat von dem strittigen Merkblatt aus dem Jahr 2007 noch nie etwas gehört. Die Vorgaben hält er für nicht umsetzbar. „Da könnten wir einige Märkte schließen“, sagt er. Nach der Deregulierung der Wochenmärkte im Jahr 2003 müssten nun für jeden Markt individuelle Lösungen gefunden werden. Verbindliche Regeln für ganz Berlin gebe es nicht. „Ich verstehe das Anliegen der Feuerwehr.“ Bei einigen, vor allem historisch gewachsenen Märkten, sei es aber schlicht nicht möglich. Die Märkte am Karl-August-Platz oder Fehrbelliner Platz und viele weitere müssten wohl schließen, wenn, wie in Prenzlauer Berg, mit dem Zollstock die Vorgaben der Feuerwehr überprüft würden.

Am Kollwitzplatz spitzte sich die Lage vor etwa zwei Jahren zu, als Anwohner wegen Lärms und mangelhafter Brandschutzmaßnahmen erstmals Klage einreichten. Deren Anwalt, Axel Dyroff, bestätigte mittlerweile, dass sich die Lärmproblematik sehr entspannt habe. „Der jetzige Betreiber kriegt es aber offenbar nicht hin, die Sicherheitsabstände zu gewährleisten.“, sagt Dyroff.

Strube hingegen sieht sich als Opfer einer Kampagne. Er vermutet, dass die Anwohner das Brandschutzargument nur als Vorwand nehmen, um den Markt vor ihrer Tür zu verbieten. Sein Anwalt Frank-Florian Seifert wirft dem Bezirk vor, sich „instrumentalisieren zu lassen“.

Ordnungsstadtrat Kirchner ist indes genervt von den Auseinandersetzungen. „Der Markt bleibt sicher, aber nicht unbedingt der Betreiber“, meint Kirchner. Andere könnten die Bestimmungen vielleicht besser umsetzen. Im August könnte nun wieder Bewegung in die Sache kommen. Nachdem es über Monate keinen Kontakt gab, ist die Klägerin wieder zu Gesprächen bereit.

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