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Brandenburgs Justizminister Schöneburg.
© dpa

Hintergründe der Affäre: Brandenburgs Justizminister und der Mörder

Brandenburgs Justizminister Volkmar Schöneburg war von 2001 bis 2006 der Anwalt von Detlef W. Der brutale Sexualstraftäter war sehr stolz darauf - und hat sich in der JVA Brandenburg an der Havel aufgeführt wie der Chef, sagen Vollzugsbeamte.

Glaubt man den Bediensteten der Justizvollzugsanstalt in Brandenburg an der Havel, dann haben sie jetzt einen einen neuen Chef: Detlef W., 57, Anfang der 1980er Jahre verurteilt wegen Mordes an einer 16-Jährigen; im Jahr 2000 verurteilt wegen Entführung und brutalster Vergewaltigung einer 13-Jährigen, verdächtig der Erpressung von Mitgefangenen, Gewalttaten im Gefängnis, des Drogenhandels, Schmuggels, der Nötigung und des Handels mit verboteten Gegenständen in der JVA Brandenburg.

In einem Papier sind im Ministerium W.s Gewalttaten, die er mit seinem Lebensgefährten und Mittäter René N. begangen hat, aufgelistet. Es ist mehr als 70 Seiten dick. In Brandenburgs Gefängnissen zählt er zu den schweren Fällen.

Die neue Macht verliehen hat diesem Detlef W. nach Ansicht der Vollzugsbeamten: Volkmar Schöneburg, 55, Beruf: Strafverteidiger; derzeit ausgeübter Beruf: Minister der Justiz des Landes Brandenburg, er kommt aus einer Potsdamer Juristenfamilie, der Vater war wie er Landesverfassungsrichter, der Bruder ist auch Strafverteidiger. Sein Agenda als Minister ist voll auf den Strafvollzug ausgerichtet, er setzte eine Reform durch: mehr Lockerungen, mehr Besuchszeiten sollen bei der Resozialisierung helfen. Ein Thema, mit dem man bei den Wählern nicht punkten kann und das die SPD als Koalitionspartner grummelnd hinnimmt.

Schöneburg war fünf Jahre lang Anwalt von Detlef W.

In den Jahren von 2001 bis 2006 war Schöneburg der Anwalt von Detlef W. Heute ist er der Chef der Wärter seines Exmandanten. Und in beiden Berufen soll sich der Minister um die beiden Schwerverbrecher gekümmert haben. Zuletzt am Mittwochabend nach Dienstschluss. Da griff er, wie er eingestehen musste, in ein Verfahren ein, mit dem die JVA-Leitung und die Fachabteilung des Justizministeriums andere Insassen und auch die Bediensteten vor seinem Exmandanten schützen wollte: W. sollte am Donnerstagmorgen gegen 4.45 Uhr von Vollzugsbeamten geweckt und, wie es heißt, unter Anwendung von Zwangsmaßnahmen in die JVA Cottbus verlegt werden.

Dem Minister missfiel, dass sein als brutal geltender Exmandant geweckt und von zum Selbstschutz „gepanzerten Vollzugsbeamten“ abtransportiert werden sollte. Das Ergebnis: W. sitzt weiter in Brandenburg/Havel ein. Die Aktion wurde auf abendliche Weisung des Ministers komplett abgesetzt. Er halte die Sicherheitsverlegung, eine Maßnahme unter Zwang, für unverhältnismäßig, sagte Schöneburg.

Seine Fachleute sehen das anders. „W. hatte zuvor mehrfach und manifest damit gedroht, bei einer Verlegung Gewalt gegen sich und andere anzuwenden, er hat auch mit Selbstmord gedroht – verbunden mit der Drohung, andere mitzunehmen“, so ein Insider. In solch seltenen schweren Fällen sei es zum Schutz des Gefangenen und der Vollzugsbeamten nötig, eine Zwangsverlegung in den Morgenstunden durchzuführen. „Wir müssen uns schützen“, sagt ein Bediensteter. „Jemanden gegen 5 Uhr in der Früh zu wecken und mit Handschellen abzuführen, ist doch kein Verstoß gegen Menschenrechte.“

Im Justizministerium herrscht jetzt Verbitterung

Weil Schöneburg die nach seiner Aussage schärfste Maßnahme für unangemessen hielt, ordnete er an, als „milderes Mittel“, das zum gleichen Erfolg führen könne, die Zelle von Detlef W. und seinen „Läufern“ bei  Drogengeschäften zu durchsuchen. „Es war keine einsame Entscheidung“, sagte er. Schöneburg ordnete an, eine Überstellung in ein anderes Gefängnis ohne Zwang zu prüfen. Der Minister zog auch die Angaben der Anstaltsleitung in Zweifel. „Die Vorwürfe der Anstaltsleitung gegen den Häftling wegen Drogenhandels fußten größtenteils auf Vermutungen.“ Auf Nachfragen des Ministeriums habe die Anstaltsleitung am Donnerstag Strafanzeige gegen W. gestellt.

In Brandenburg/Havel und im Fachressort im Justizministerium herrscht nun Verbitterung: „Wir werden nie wieder einen anderen Insassen dazu bekommen, über das subkulturelle Agieren von Detlef W. auszusagen“, sagt ein Beteiligter. Ein anderer meint: „Die Tür ist zu, die Insassen vertrauen uns nicht mehr, sie glauben nicht, dass wir sie vor Insassen wie W. noch schützen können. In der Wahrnehmung anderer Gefangener steht W. unter dem Schutz des Ministers.“

Mit seinen guten Verbindungen an die Spitze der brandenburgischen Justiz hatte Schwerbrecher W. nach Aussagen von Vollzugs- und Betreuungspersonal ohnehin schon immer und oft geprahlt. Schöneburg sagte nun am Donnerstag, W. habe ihm auf seine Mailbox gesprochen, er habe diese teils abgehört, meist aber ignoriert. „Das war eine Einbahnstraße“, sagte Schöneburg. Es sei aber ein Fehler gewesen, seine Handynummer für Anrufe aus der Anstalt nicht gesperrt zu haben. Das habe er jetzt getan.

Das Verbrecherpaar hatte jahrelang in gemeinsame Zelle

Nach Aktenlage hat W. mehrmals wöchentlich das Mobiltelefon des Ministers angerufen – vom Festnetztelefon in der Zahlstelle der Anstalt, für das jeder Insasse eine eigene PIN-Nummer hat. Ausweislich der Anruflisten in der JVA hat W. über einen langen Zeitraum oft mehrmals wöchentlich, meist aber mindestens einmal wöchentlich Schöneburgs Mobilnummer gewählt. Nur in seltenen Fällen kam laut Liste keine Verbindung zustande. In einigen Fällen war die Verbindung dann eher kurz. In vielen Fällen weist die Abrechnung laut Insidern auch mehrere Minuten Verbindungszeit aus.

Laut Schöneburg sind Detlef W. und René W. seit mehr als 30 Jahren in einer gemeinsamen Zelle inhaftiert gewesen, sie lernten sich 1982 kennen, im Knast wurden sie ein Paar. Nach der Entlassung entführten und vergewaltigten sie eine 13-Jährige und wurden zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. In den Jahren von 2001 bis 2006 war Schöneburg dann der Anwalt von Detlef W., in jener Zeit, als W. mit seinem Lebenspartner gegen ein Urteil vorging, dass die gemeinsame Unterbringung untersagte. Die Paar-Zelle ist eine bundesweite Rarität. In Berlin wäre das nicht möglich. „Mir ist kein Fall bekannt, in dem Paare gezielt in einem Haftraum untergebracht werden“, sagte eine Sprecherin der Berliner Justizverwaltung. Ende November wurde das Verbrecherpaar getrennt, als René N. nach Verbüßung der Haftzeit in die Sicherungsverwahrung verlegt wurde.

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