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Der von Christoph Berndt gegründete Verein „Zukunft Heimat“ wird vom Verfassungsschutz beobachtet.
© Patrick Pleul/dpa

Abkehr vom Rechtsextremismus nicht in Sicht: Brandenburgs AfD-Fraktion sucht einen neuen Chef

Wer folgt Andreas Kalbitz nach? Zur Wahl stehen Christoph Berndt und Dennis Hohloch. Beide haben Verbindungen in die rechtsextremistische Szene.

Wenn die AfD-Fraktion im Brandenburger Landtag am Dienstag einen neuen Vorsitzenden wählt, muss sie sich entscheiden – zwischen zwei Männern, die in die rechtsextremistische Szene verstrickt sind: Christoph Berndt und Dennis Hohloch.

Seit Juni wird die Brandenburger AfD vom Verfassungsschutz als Verdachtsfall für extremistische Bestrebungen eingestuft und mit nachrichtendienstlichen Mitteln beobachtet. Ein Grund dafür war auch der Verein „Zukunft Heimat“, der vor allem in der Stadt Cottbus mit flüchtlingsfeindlichen Protesten auffiel.

Der von Berndt geführte Verein ist bereits im Januar als erwiesen rechtsextremistische Bestrebung und als vollständiger Beobachtungsfall eingestuft worden. Grund dafür seien auch Verstrickungen des Vereins „Zukunft Heimat“ mit dem 2012 verbotenen Nazi-Netzwerk „Widerstandsbewegung Südbrandenburg“ – auch bekannt als „Spreelichter“ – und dessen Führungsfigur Marcel F. So hatte es Brandenburgs Verfassungsschutzchef Jörg Müller im Juni formuliert.

Müller hielt sich in seiner Wortwahl zurück. Das zeigt ein vertraulicher 112-Seiten-Vermerk des Brandenburger Verfassungsschutzes, über den der „Spiegel“ berichtete. Der Vermerk, in dem begründet wird, warum die AfD nun beobachtet wird, zeigt, dass es mehr als Verstrickungen sind.

Nach Ansicht des Verfassungsschutzes erfüllt der Verein eine „Scharnierfunktion“ zur „gewaltbereiten rechtsextremistischen Mischszene“ in Cottbus, dort wo Hooligans, rechte Rocker, Kampfsportler und Sicherheitsfirmen gemeinsame Sache machen. Der Verein sei geprägt durch „Islam- und Fremdenfeindlichkeit und die Ablehnung der repräsentativen parlamentarischen Demokratie“.

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Obendrein wird der Verein nach Ansicht der Nachrichtendienstler von Neonazis der „Spreelichter“ sogar unterwandert. „Insbesondere der ehemalige Kopf der Spreelichter, Marcel F., ist offensichtlich im Hintergrund für den Verein tätig und nimmt Einfluss auf diesen“, zitiert der „Spiegel“ aus dem Vermerk. F. gehe dabei „hochgradig konspirativ“ vor.

Berndt steht unter dem Einfluss eines Neonazis, sagt der Verfassungsschutz

Der Neonazis sei etwa auf einem Video vor Berndts Haus zu sehen. Der AfD-Landtagsabgeordneter und möglicher Fraktionschef „in Teilen von F. massiv beeinflusst bzw. sogar gesteuert“. Berndt nutze die Bühne bei seinem Verein „Zukunft Heimat“ und sein Landtagsmandat „offensiv zur Verbreitung seiner extremistischen Agenda“.

Berndt wies derlei Vorwürfe stets zurück. In einer früheren Erklärung von ihm heißt es: „Nur weil ich Menschen kenne, bin ich noch lange nicht deren Werkzeug“. Der Abgeordnete verwahrte sich gegen den Vorwurf, Rechtsextremist oder Neonazi zu sein. „Nichts in meinem Auftreten und meinen Reden – auf der Straße oder im Parlament – begründet die Bewertung ,gesichert rechtsextrem‘.“

Der Verfassungsschutz sieht das freilich anders. Einen Tag nach der Landtagswahl im September 2019 trat er bei der Pegida in Dresden auf. Bei seiner Rede blätterte die Idee einer vereinten, rechten Volksfront auf. Die AfD müsse sich als Teil einer „übergeordneten Bürgerbewegung“ verstehen. Neben der Arbeit im Parlament gehe es um Straßenprotest und „Auseinandersetzung um Deutungshoheiten“.

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Und Berndt zählte auf, wer alles dazu gehöre: Pegida, sein Verein Zukunft Heimat, das Magazin „Compact“, der Blog „Sezession“ des „Instituts für Staatspolitik“, der Verein „Ein Prozent“, der mit der „Identitären Bewegung“ verquickt ist. Alle stehen im Visier des Verfassungsschutzes. Berndt aber sagte: „Wer sich davon abgrenzt, der amputiert sich selbst.“ Für den Nachrichtendienst ist das einer der Belege dafür, dass sich führende Mitglieder der AfD in Brandenburg „aktiv um die Vernetzung des rechtsextremistischen Spektrums“ bemühen.

Dennis Hohloch ist der politische Ziehsohn von Andreas Kalbitz

Aber auch Berndts Kontrahent um den Fraktionsvorsitz, Dennis Hohloch, bisher parlamentarischer Geschäftsführer der AfD-Fraktion, hat enge Verbindungen in die rechtsextremistische Szenen. Dass er überhaupt für die Fraktionsspitze antritt, liegt an seinem Ziehvater Andreas Kalbitz. Hohloch erlitt durch einen angeblich freundschaftlichen Boxschlag von Ex-Fraktionschef Kalbitz einen Milzriss.

Dennis Hohloch erlitt einen Milzriss nach einem, angeblich freundschaftlichem Boxschlag von Kalbitz. Der musste daraufhin gehen.
Dennis Hohloch erlitt einen Milzriss nach einem, angeblich freundschaftlichem Boxschlag von Kalbitz. Der musste daraufhin gehen.
© Monika Skolimowska/dpa

Kalbitz musste deshalb gehen, sein Parteibuch verlor er auch – wegen verheimlichter Mitgliedschaft in rechtsextremistischen Organisationen.

Damit hatten die Fraktion jedoch die geringsten Probleme, auch nicht damit, dass Kalbitz’ führende Rolle beim „Flügel“ der AfD maßgeblich zur Einstufung der Landespartei durch den Verfassungsschutz geführt hat. Der stellt in seinem Vermerk fest: „Eine inhaltliche Distanzierung bezüglich seiner politischen Positionen fand in keiner Weise statt.“ Auch die Mehrzahl der anderen AfD-Funktionäre in Brandenburg sind für den Verfassungsschutz ähnlich rechtsextrem.

Der 31 Jahre alte Geschichtslehrer Hohloch, bislang Kalbitz’ Vertrauter in der Fraktion, tritt zwar smarter auf als andere, doch auch er blinkt rechtsaußen. Er führte über Jahre den Brandenburger Parteinachwuchs „Junge Alternative“ und hatte wie andere Mitglieder auch Kontakt zur rechtsextremistischen „Identitären Bewegung“.

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