Schon vor Abschluss der Bauarbeiten: BND-Zentrale wertet Viertel in Mitte auf
Der Umzug des BND nach Berlin erweist sich als Initialzündung, das bisher tote Viertel in Mitte boomt schon jetzt. Neue Läden eröffnen, Investoren drängeln sich, die Parkplätze werden knapp und Anwohner rätseln: Dürfen sich die Spione später frei im Kiez bewegen?
Vor ein paar Jahren passte der Name perfekt: „Café am Ende der Welt“. Da galt die Scharnhorststraße in Mitte als abgelegen und verschlafen. Ulrike Rodel, der Betreiberin des kleinen Lokals, gefiel der „dörfliche Charakter“. Und jetzt? Links wird gebaut. Rechts wird gebaut. Schräg gegenüber auch. Den Namen wird sie trotzdem behalten. Nur die Zahl der freien Stühle hat abgenommen.
In der Scharnhorststraße zeichnet sich derzeit am deutlichsten ab, wie rasant sich die Gegend rund um den Neubau des Bundesnachrichtendienstes entwickelt. Der angekündigte Umzug von 4000 Spionen war die Initialzündung, sagt Barbara Lipka von der Chamartín Meermann AG, die in der Scharnhorststraße drei Reihen Townhäuser und dutzende Eigentumswohnungen baut. Die allermeisten sind bereits verkauft. Auch wenn sich das sonderbar anhört: Geheimagenten gelten als Standortvorteil, sagt Lipka. Denn erstens sei der BND ein ruhiger Nachbar. Und zweitens einer, der Planungssicherheit verspricht. Die Spione bleiben schließlich für Jahrzehnte, mindestens.
„Sehr erfreulich“ nennt Mittes Baustadtrat Ephraim Gothe (SPD) die Entwicklung des Quartiers. Mit den neuen Bewohnern kommen bereits neue Geschäfte, private Kita-Träger suchen dringend geeignete Standorte. Die Parkplätze werden schon jetzt knapp, auch wegen der vielen Handwerker – der Bezirk will deshalb weiträumig Parkraumbewirtschaftung einführen. Aber erst nach der Wahl. Das Einzige, was sich verzögert, ist der BND-Bau selbst. Die Fertigstellung wurde auf 2014 verschoben. Aus dem zuständigen Bundesamt für Bauwesen heißt es inzwischen, die Agenten könnten erst 2015 ihre Arbeit aufnehmen.
Südlich der Riesenbaustelle verläuft ein kleiner Graben, hier soll bald wieder die Panke fließen, die derzeit noch in den Nordhafen abgeleitet wird. Um den Fluss entsteht ein schmaler Parkstreifen, noch ist er nur zu erahnen, wegen der vielen Erdhaufen und Bagger. Wer dort im Matsch steht und rüber zum BND-Neubau schaut, wird sich wundern: Das Gebäude wirkt gar nicht wie die verschanzte Festung, die viele befürchtet haben. Eher wie ein beliebiges – viel zu groß geratenes – Bundesministerium.
Auch auf der anderen Seite des Komplexes, an der Chausseestraße, wo der Haupteingang liegt, sind die Zeichen des Wandels nicht mehr zu übersehen: Neue Cafés wie das „Themenback Topsecret“ haben eröffnet, das Hotel „Tryp“ verkündet schon nach einem Monat volle Bettenbelegung. „Alles top hier“, sagt ein Gast unten am Empfang. Nur die Saunalandschaft brauche dringend ein paar Liegen.
Dass der Boom kommen würde, war klar. Allenfalls das Tempo überrascht, sagt Denis Madden von der Firma German Property Centre. Der Ire berät Investoren bei der Wahl ihrer Objekte, und weil er sich ganz sicher war, hat er selbst vor vier Jahren ein Haus in der Wöhlertstraße erworben. Jetzt melden sich ständig Investoren bei ihm und fragen, ob sie sein Haus kaufen können. Dabei bewirbt er es gar nicht.
Die größten privaten Bauprojekte kommen erst. Nördlich angrenzend die Anlage „The Garden“ nach einem Entwurf von Architekt Eike Becker, mit Hotel, Büros und 13 Stadtvillen. Bruttogeschossfläche: 37 000 Quadratmeter. Und dann die „Feuerlandhöfe“, ein riesiger Bürokomplex vis-à-vis des BND, der Baubeginn steht noch nicht fest.
Manche Anwohner fürchten, dass die Mieten bald deutlich steigen werden. Andere glauben, dass die Belebung des Viertels durch den BND überschätzt wird, weil man die 4000 Mitarbeiter eh nie zu Gesicht kriegen wird. Dass sie morgens zur Arbeit kommen, mit dem Auto oder der U6, in dem riesigen Komplex verschwinden, ihre Mittagspausen in der hauseigenen Kantine verbringen und erst abends wieder herauskommen, nur um dann schnellstmöglich die Heimfahrt anzutreten. Genau so lief es jahrzehntelang im bayerischen Pullach: Aus Sicherheitsgründen war es den Mitarbeitern verboten, sich unter die Pullacher zu mischen.
Diese Angst ist unbegründet. Solche Vorsichtsmaßnahmen waren ein Relikt des Kalten Krieges, heißt es aus BND-Kreisen. In Berlin werde es die nicht geben, und ja: Es werde ganz sicher zu einer Vermischung mit dem Umfeld kommen, tagsüber in den angrenzenden Cafés und Restaurants, abends beim Feierabendbier in den Kneipen.
Investment-Berater Denis Madden glaubt, dass sich die Chausseestraße als Fortsetzung der Friedrichstraße im Bewusstsein der Stadt verankern wird. Und fordert, dass der U-Bahnhof Schwartzkopffstraße möglichst bald in Chausseestraße umbenannt wird. Das würde die BVG eine Menge Geld kosten, aber einen wichtigen Mann hat er schon überzeugt: Baustadtrat Gothe hält die Forderung für „angebracht und unterstützenswert“.