Baupfusch: BND-Neubau: Geheim gehaltenes Chaos
Baupläne, auf die sich keiner verlassen kann, Handwerker, die nicht koordiniert arbeiten dürfen: Dem BND laufen nicht nur die Kosten aus dem Ruder. Vor lauter Sicherheit funktioniert nichts wie geplant.
Es ist das größte Bauvorhaben, das der Bund je in Angriff genommen hat. Und es ist streng geheim. Diese Mischung – groß und geheim – überfordert offenbar die Verantwortlichen. Auf der Baustelle des Bundesnachrichtendienstes (BND) in Mitte herrscht nach Angaben beteiligter Firmen ein heilloses Planungschaos. Termine würden regelmäßig verschoben und Kosten liefen aus dem Ruder. Ein Berliner Handwerksunternehmen hatte eine Bauzeit von neun Monaten mit den Planern abgestimmt, Fertigstellung: Mai 2010. Jetzt rechnet der Geschäftsführer damit, im Herbst 2012 fertig zu werden.
Die renommierte Kanzlei für Baurecht Leinemann & Partner vertritt inzwischen drei Firmen, die auf dem BND-Gelände arbeiten. Sie sehen sich als Opfer dieses Planungswirrwarrs und verlangen eine finanzielle Entschädigung. Dabei geht es in einem Fall um 5,7 Millionen Euro. Leinemann & Partner will sich zu den Mandaten derzeit nicht äußern. Das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR), das den Bau im Auftrag des Bundes steuert, spricht von vier laufenden Rechtsstreitigkeiten.
Ein Unternehmensvertreter, der anonym bleiben möchte, nennt konkrete Zahlen: Auf 300 Bauzeichnungen für ein bestimmtes Gewerk seien 4000 Fehler aufgetreten. „Die Fachplaner haben eine katastrophale Leistung abgeliefert.“ Nach Angaben eines Insiders vollzieht sich der Ablauf auf der Baustelle weitgehend unkoordiniert. „Wer zuerst kommt, zieht schnell seine Leitung.“ Wer später kommt, hat das Nachsehen, denn auf Bauzeichnungen kann er sich nicht verlassen. „Da verläuft schon mal ein Abwasserkanal auf gleicher Höhe wie ein Lüftungskanal.“ Ursache dafür seien die strengen Vorgaben des BND zur Geheimhaltung. „Pläne werden nur gestückelt herausgegeben, damit niemand den Gesamteindruck hat.“
Anders als bei normalen Großvorhaben gibt es auf der BND-Baustelle keinen Generalunternehmer. Drei verschiedene Planungsbüros wurden mit der Ausführung beauftragt, eines davon ist das international tätige Ingenieurbüro Arup. Mit Verweis auf den Bauherrn will sich Arup zu den Vorwürfen nicht äußern. Architekt Jan Kleihues ist für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.
Das BBR spricht von einem „klar strukturierten Planungs- und Bauprozess“. Derzeit werde er dadurch behindert, dass man einer Firma für Lüftungstechnik gekündigt habe. Auch mit dieser Firma bahnt sich ein Rechtsstreit an. Zum Projektexistieren laut BBR 16 000 Pläne. Bei der Komplexität des Vorhabens sei es nicht auszuschließen, dass „hin und wieder Fehler gemacht werden“.
Für das Planungschaos gibt es eine weitere Erklärung: Nach Angaben von Handwerkern wurden die Konstruktionspläne für das Hauptgebäude kurz vor Baubeginn umgeworfen, weil der BND weiteren Platzbedarf angemeldet hat. Die Planer gerieten unter Zugzwang. Die Gebäudehöhe von 30 Metern durften sie nicht verändern, also verringerten die Ingenieure einfach die Höhe der Geschossdecken und gewannen so den Raum für eine zusätzliche Etage. Tausende Bauzeichnungen waren nur noch Makulatur.
Auf der Baustelle hat inzwischen der Innenausbau begonnen. Rund 600 Bauarbeiter von 120 Firmen sind am Objekt tätig. Wer in sensiblen Bereichen arbeitet, muss ins „Planer-Haus“ gehen, um dort verwahrte Zeichnungen mit erhöhter Geheimhaltungsstufe einzusehen.
Erhebliche Verzögerungen und Mehrkosten ergeben sich aus dem rigiden Sicherheitsmanagement. Jede Lieferung ist 48 Stunden vorher mit präzisen Angaben zu Umfang und Ankunftszeit anzumelden. In der Praxis ist das kaum einzuhalten. In einem Fall warteten 50 Handwerker zwei Tage vergeblich auf einen Bagger. Dessen Ankunft war vorschriftsmäßig angemeldet worden, allerdings passte die Baggerschaufel nicht auf den Tieflader. Also fuhr der Tieflader noch mal zurück, um die Schaufel zu holen, aber an der BND-Pforte winkten die Kontrolleure ab. Einlass nur nach Voranmeldung.
Der Bau steht mit 811 Millionen Euro in den Büchern, 90 Millionen mehr als ursprünglich geplant. Allein 25 Millionen Euro gehen auf das Konto „erhöhte Sicherheitsmaßnahmen“. Weil zu viele Handwerker aus dem Ausland nicht sicherheitsüberprüft werden können, wurde zusätzliches Wachpersonal eingekauft. Jeder Bautrupp wird von Sicherheitsleuten begleitet, die aufpassen, dass keine Wanzen in Wände oder Lüftungsschächte eingebaut oder Fotos mit eingeschmuggelten Mikrokameras geschossen werden. Den Winter über wird weitergebaut, um Verzögerungen aufzuholen. Allein dafür sei eine Millionensumme zusätzlich kalkuliert worden, sagt ein Insider. Auch für das Überarbeiten und Korrigieren von Zeichnungen würden Millionenbeträge fällig.