Berlin: Blick zurück nach Westerland
Hagen Liebing war Bassist bei den „Ärzten“. Über seine Zeit bei der Berliner Punkrockband hat er ein Buch geschrieben
Die Stasi saß ihm im Nacken, sieben Jahre lang. Hagen Liebing war Bassist der Punkrockband „Die Ärzte“, und in den Achtzigerjahren sollte er als „Inoffizieller Mitarbeiter“ geworben werden. 1982 war es, als die Stasi eine Akte unter dem Decknamen „Schwarzer“ öffnete. Liebing war damals Mitglied der Alternativen Liste und hatte Kontakt zur Opposition im Osten Berlins. Und Liebing war Student. „Die dachten, ich hätte mal eben Zugang zum Rüstungsprogramm der Bundesrepublik“, sagt Liebing. „Ein bisschen naiv waren die Jungs schon.“ Die Kontaktaufnahme der Stasi scheiterte, und irgendwann vermerkte ein Offizier im Abschlussbericht, dass „Schwarzer“ zwar „intelligent“ sei, aber doch der Westpropaganda erlegen. Auf dem Papier wurde der Vermerk „Nichteignung/Perspektivlosigkeit“ angekreuzt. Als Liebing die Stasi-Unterlagen nach der Wende in die Hand bekam, war er sprachlos.
Es ist nur eine von vielen Geschichten, die Liebing in seinem Buch „The incredible Hagen – meine Jahre mit ,Die Ärzte’“ aufgeschrieben hat. Das Buch kommt heute in den Handel, es kostet 19,90 Euro und ist im Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag erschienen.
Von 1986 bis 1988 war Liebing bei den Ärzten, das waren jene Jahre, „in denen wir keine Band mehr für Insider waren, sondern so langsam Stars“, sagt er. Plötzlich berichtete die „Bravo“, und die Ärzte rückten in die Skandalspalten der Boulevardzeitungen.
Vom Punkrocker ist heute nicht viel geblieben: Liebings Stimme ist ruhig, sein Auftreten höflich, zurückhaltend. Revolutionär? Nun ja. Liebing wohnt heute mit seiner Freundin und Radio-Eins-Moderatorin Anja Caspary und seinen beiden Kindern in einer Dopppelhaushälfte in Spandau. Aber um sein jetziges, normales Leben, „darum geht’s in dem Buch nicht“, sagt Liebing.
Im vergangenen Sommer stand er nach vielen Jahren wieder einmal auf der Bühne. Die Ärzte hatten im Juni 2002 auf dem Mariannenplatz in Kreuzberg ein Konzert gegeben und Liebing, der alte Bandkollege, er war der Überraschungsgast. Liebing kannte Farin Urlaub, den Sänger. Liebing kannte Bela B., den Drummer, aber er kannte nicht das Gefühl, vor 35 000 Menschen zu spielen. „Wie würden die Menschen reagieren“, fragte sich Liebing damals, „kennen die mich überhaupt?“ Die Fans kannten ihn, und sie jubelten. Es war ein wunderbares Konzert, 14 Jahre nachdem sie sich getrennt hatten.
Nun ist es ja so, dass Liebing nur zwei Jahre bei den Ärzten gespielt hat. Reicht denn so etwas für ein Buch? Schließlich war im vergangenen Jahr bereits das Ärzte-Buch „Ein überdimensionales Meerschwein frisst die Erde auf“ erschienen. Die Qualitäten in seinem Buch lägen woanders, sagt Liebing. Er hat zum Beispiel ein Tagebuch geschrieben. Wie die Ärzte den Moderator Günther Jauch bei einer Livesendung verzweifeln ließen. Wie die Polizei der Band das Singen verbieten wollte. Und wie er überhaupt zu den Ärzten kam. „Du, Hagen, willst du Popstar werden?“, fragte Bela B. damals. „Ja, wirklich, so war es damals“, sagt Liebing.
Nachdem sich die Band 1988 nach einem Konzert in der Kurhalle Westerland auf Sylt getrennt hatte, brach der Kontakt ab. Irgendwann habe man sich wieder zusammengerauft und einfach gequatscht, sagt Liebing. Damals habe er dann auch gefragt, ob er nicht all die chaotischen und schönen Anekdoten aus alten Tagen in einem Buch aufschreiben könne. Seit Ende der Neunzigerjahre ist der ehemalige Mitarbeiter des Tagesspiegel nun leitender Musikredakteur des Stadtmagazins Tip. Liebing: „Ich bin Berufsjugendlicher geworden.“
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