Streit um die Zukunft der Berliner Gymnasien: Bildungssenatorin Scheeres findet Probejahr weiter klasse
Die Schulpolitik birgt Konfliktpotential für die Koalitionsverhandlungen. Linke und Grüne wollen die Probezeit am Gymnasien abschaffen, die SPD-Senatorin nicht.
Fünf Jahre nach der Verkündigung des „Schulfriedens“ durch die Koalition von SPD und CDU stellen Linke und Grüne das zweigliedrige Schulsystem infrage: Ihr Ruf nach der Umwandlung der Gymnasien in eine Schule für alle könnte bei den beginnenden rot-rot-grünen Koalitionsverhandlungen zu einer wichtigen schulpolitischen Weichenstellung führen. Eine zentrale Rolle spielt dabei die Abschaffung des Probejahres, das es den Gymnasien bisher ermöglicht, schwache Schüler abzugeben. Nun hat sich Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) deutlich zu Wort gemeldet und Berlins zweigliedriges Schulsystem verteidigt.
„Mithilfe des Probejahres können Schüler und Eltern feststellen, ob das Gymnasium die passende Schulart ist“, sagte Scheeres auf Anfrage. „Beide Schularten, das Gymnasium und die Integrierte Sekundarschule, führen zum Abitur. Aber in unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Nicht jeder, der sich am Gymnasium angemeldet hat, wird mit der Leistungsorientierung und der sofortigen Voraussetzung, selbstständig zu lernen, glücklich“, begründet die Senatorin die Beibehaltung dieser Hürde.
Gymnasien reagieren irritiert
Unterdessen reagieren Berlins Gymnasien zunehmend irritiert auf die Diskussion. „Da hat wohl so mancher Gymnasiallehrer und so manches Elternteil grün gewählt, ohne vorher das Wahlprogramm zu lesen“, unkte ein Sekundarschullehrer angesichts der Entwicklung.
Tatsächlich steht auf Seite 16 des grünen Wahlprogramms: „Wir halten an unserem Ziel fest, eine Schule für alle zu schaffen.“ Anders als die Linken wollen die Grünen das Probejahr, das Sitzenbleiben und das sogenannte Abschulen, also das Versetzen auf eine niedrigere Schulform, nicht sofort abschaffen, sondern zunächst „die Gymnasien so ertüchtigen, dass man Schüler nicht abschulen muss“, sagt die grüne Bildungspolitikerin Stefanie Remlinger. Dies könnte zum Beispiel bedeuten, dass auch an den Gymnasien die Klassen kleiner werden müssten.
„Weltfremd“ sei diese Erwartung, findet Detlef Schmidt-Ihnen, Leiter des Lichtenberger Barnim-Gymnasiums angesichts des Mangels an Lehrern und Sozialarbeitern. Aber er würde auch jenseits der Personalfrage an zwei Schulformen festhalten. Das Gymnasium sei nicht nur besser für die Förderung der Leistungsspitze geeignet, sondern auch das beste Mittel, um die Flucht in die Privatschulen einzudämmen.