Schutz für Kinder in Berlin: Bilanz nach einem Jahr Kinderschutzambulanzen
Zum einjährigen Bestehen der fünf Ambulanzen zieht der Senat eine positive Bilanz. Durch die Einrichtung soll misshandelten Kindern geholfen werden.
Trotz der massiven Personalnöte in den Jugendämtern wird akuten Fällen prompt nachgegangen. „Ich habe keinen Fall erlebt, bei dem nicht innerhalb von zwei Stunden jemand da war“, berichtete am Montag Matthias Brockstedt, Kinderarzt im Gesundheitsamt Mitte.
Brockstedt war ins Krankenhaus Neukölln gekommen, um zusammen mit dem Senat Bilanz zu ziehen, denn es ist genau ein Jahr her, dass in Berlin fünf Kinderschutzambulanzen aufgebaut wurden, um Lücken in der Versorgung zu schließen. Seither können Jugendämter, Erzieher, Verwandte oder Kinderärzte bei Verdachtsfällen die Anlaufstellen in der Charité, an den Kliniken Neukölln und Buch, am DRK-Klinikum Charlottenburg und am St. Joseph Krankenhaus Tempelhof einschalten. Dort arbeiten Teams mit Fachkräften aus verschiedenen Bereichen wie der Kinder- und Jugendmedizin, Gynäkologie, Radiologie, Psychologie, Sozialarbeit und Krankenpflege, um herauszufinden, ob die betreffenden Kinder missbraucht, geschlagen oder etwa schwer vernachlässigt wurden. Dazu werden die Kinder untersucht und Gespräche mit den Eltern geführt, die das Kind begleiten.
Zur ersten Bilanz gehört, dass 366 Kinder und Jugendliche untersucht wurden. Über die Hälfte der Überweisungen erfolgte aufgrund des Verdachts auf körperliche Misshandlung, bei fast jedem fünften Fall gab es den Verdacht auf sexualisierte Gewalt. In einem Drittel der Fälle stellte sich „eindeutig“ heraus, dass eine Kindeswohlgefährdung vorlag. „Eine wesentliche Lücke im Netzwerk Kinderschutz wurde damit geschlossen,“ steht für Jugendsenatorin Sandra Scheeres (SPD) fest.
Damit die Ambulanzen arbeitsfähig sind, müssen die jeweiligen Kliniken ihre gesammelte Expertise zur Verfügung stellen. Es wurden deshalb vor einem Jahr nur Häuser ausgewählt, die schon auf dem Gebiet aktiv waren. Inzwischen haben sich auch Schwerpunkte herauskristallisiert. So kümmert sich die Ambulanz an der Charité vor allem um sexuelle Gewalt. Von den rund 100 Kindern, die im ersten Jahr untersucht wurden, waren etwa 75 unter acht Jahre alt.
Die Fachleute gehen davon aus, dass die Fallzahlen steigen werden, wenn sich die Angebote der Kinderschutzambulanzen mehr herumsprechen. Brockstedt empfiehlt dann, dass eine weitere Kinderschutzambulanz hinzukommt und zwar am Sana-Klinikum Lichtenberg, um näher an die vielen sozial vernachlässigten Kinder in Marzahn-Hellersdorf heranzurücken: Der Weg nach Buch sei für diese Familien oftmals zu weit, gibt Brockstedt zu bedenken, der das Konzept der Kinderschutzambulanzen seit vielen Jahren mitentwickelt hatte.
Susanne Vieth-Entus