Die Schloßstraße und ihr Kiez: Bierpinsel durch die Jalousie
Alltägliches auf einen Moment fokussieren und festhalten, das möchte der Fotograf Peter Hahn. Seine Schloßstraßen-Bilder stellt er jetzt in der Stadtbibliothek Steglitz-Zehlendorf aus.
Häufig fehlt uns Zeit. Schnell etwas einkaufen. Die S-Bahn nicht verpassen. Der nächste Termin drängt. Der Bus fährt. Die Ampel schaltet auf rot. Ein Auto hupt. Jemand schimpft. Für viele Menschen fühlt sich die Schloßstraße in Steglitz genau so an: unruhig, oberflächlich, chaotisch, schroff. Dass es entspannter geht, stellt Fotograf Peter Hahn fest, wenn er mit seinem Fotoapparat hier unterwegs ist. Dann hält er die Zeit für einen Moment an, nimmt den Augenblick wahr und entdeckt neue, mitunter unerwartete Dinge. Was damit gemeint ist, zeigt er ab Donnerstag, den 3. August, in einer Fotoausstellung im Foyer der Ingeborg-Drewitz-Bibliothek.
25 Momente, 25 Impressionen, 25 Perspektiven „direkt vor der Tür“, wie die Ausstellung heißt. Da ist zum Beispiel der Bierpinsel durch die Jalousie eines Büros zu sehen oder ein Mann - vermutlich von den Berliner Wasserbetrieben - der durch einen offenen Gullideckel in den Steglitzer Untergrund schaut oder das Wrangelschlösschen durch die verregnete Fensterscheibe eines Busses betrachtet. „Es beruhigt mich, wenn ich Alltägliches auf einen Moment fokussieren und festhalten kann“, sagt Peter Hahn. Und genau das möchte er anderen Menschen weitergeben, sie die Welt einmal durch seine Augen blicken lassen.
Offensichtlich mit einer gewissen Wirkung. Denn Miriam Sammet etwa, die die Ausstellung in der Stadtbibliothek koordiniert, hat sich von den Fotos schon inspirieren lassen. „Ich gehe bewusster über die Schloßstraße“, sagt sie, „mit einem anderen Blick; einer Art Perspektivenwechsel.“ Warum also in die Ferne schweifen, wenn es vor Ort soviel zu entdecken gibt, habe sie sich gedacht und die Idee zu dieser Fotoausstellung vorangetrieben. Der Stadtbibliothek sei es ohnehin ein Anliegen, lokale Künstler zu fördern.
Und weil Peter Hahn in Lichterfelde wohnt, kennt er die Schloßstraße und deren Umgebung gut. Exklusiv für diese Ausstellung zog er neulich an einem Sonntagmorgen los und hielt seine Eindrücke in Fotos fest. Der überwiegende Teil der ausgestellten Bilder ist daher erst wenige Wochen alt. Dabei war er nicht mit einer großen Foto-Ausrüstung unterwegs, vielmehr mit einer kleinen Spiegelreflexkamera, die er in die Jackentasche stecken konnte.
„Weil eine große Kamera eine Distanz zu den Menschen schafft“, sagt er aus Erfahrung. Heutzutage existiere ein großes Misstrauen gegenüber jemanden, der mit einem Fotoapparat etwas dokumentiere. Bisweilen spüre er sogar eine gewisse Aggressivität und sieht darin einen direkten Zusammenhang mit den neuen, sozialen Medien.
Der 60-Jährige, der in Heidelberg geboren wurde, seine Kindheit aber in Kraichgau, Hannover und Braunschweig verbracht hat, kann auf eine langjährige Erfahrung in der Fotografie zurückblicken. Nach der Schule machte er eine Ausbildung zum Fotografen und arbeitete viele Jahre in diesem Beruf. 1974 zog es ihn nach West-Berlin. Hier wohnte er lange in Schöneberg, studierte Landschaftsplanung an der Technischen Universität und arbeitete danach am Institut für Stadtforschung und Strukturpolitik Berlin. Zuletzt war er für den Landesportbund Berlin tätig. Die Fotografie hat ihn währenddessen immer begleitet. Er bezeichnet sich selbst als rastlos und ist entsprechend viel gereist, hat als junger Mann eine Weltreise gemacht.
Heute arbeitet er ausschließlich als Fotograf. Auf seiner Homepage kann man einen Eindruck von der Vielfalt seiner Bilder bekommen. Seit fünf Jahren wohnt Peter Hahn nun in Steglitz-Zehlendorf. „Ich wollte Ruhe haben, dann gab es Ruhe, ich war irritiert und wurde ironisch“, erinnert er sich an die erste Zeit. Mittlerweile habe sich das geändert und er fühle sich hier Zuhause. Wegen ihrer guten Situierung empfinde er die Menschen in Steglitz-Zehlendorf als gelassener und "sortierter" als anderswo.
Wenn er dem Bezirk eine Farbe zuordnen würde, sieht er ihn in gelb mit grünen Tupfern. Warum genau? „Abwarten und die Dinge sich entwickeln lassen“, beschreibt er es. Und das sei eine gute Voraussetzung für Kreativität und Ideen. Sein Lieblingsort zum Beispiel ist die Bahnhofswirtschaft in Lichterfelde-Ost. „Ein skurriler, schrulliger Ort, an dem ich mich anfangs nicht hintraute“, verrät er. Doch hier habe er interessante Menschen getroffen - echte Lichterfelder. Wer also den Kiez aufrichtig kennenlernen möchte, sollte hierher kommen, empfiehlt Peter Hahn.
Dass seine fotografierten Eindrücke von der Schloßstraße und ihrer Umgebung nun bald in der Stadtbibliothek gezeigt werden, ist für ihn mehr als eine Ausstellung. Er möchte damit seinen Beitrag leisten, den Kiez mitzugestalten, Dinge sichtbar machen, die dem einen oder anderen womöglich bisher entgangen sind. Im besten Fall etwas anregen, die Steglitzer Einkaufsmeile attraktiver zu gestalten. Sein Wunsch: „dass die Bibliotheksbesucher schmunzeln, wenn sie die Fotos betrachten". Denn Humor und Ernsthaftigkeit lägen in seinen Motiven oft nah beieinander
Peter Hahn ist Mitglied bei den Fotofreunden Zehlendorf, im Deutschen Verband für Fotografie und im Verein Kunst.Raum.Steglitz. Die Ausstellung „Direkt vor der Tür“ im Foyer der Ingeborg-Drewitz-Bibliothek in der Grunewaldstraße 3 in Steglitz findet vom 3. August bis 4. September statt. Der Eintritt ist frei. Am 11. August gibt es um 19 Uhr eine Vernissage zur Ausstellung.