Fälschte die Großfamilie einen Mietvertrag?: Bezirksamt Neukölln kündigt Berliner Remmo-Clan die Villa
Die Großfamilie soll das Anwesen verlassen - Vorwurf: Betrug. Bürgermeister Hikel sieht „schwerwiegende Verstöße“, ein Clan-Spross dagegen „Wahlkampf“-Manöver.
Das Bezirksamt von Berlin-Neukölln hat dem bekannten Remmo-Clan die von ihm genutzte Villa in Alt-Buckow gekündigt - und zwar außerordentlich und fristlos. Grund sind Vorwürfe, sie strafrechtlich relevant sind: Betrug und Urkundenfälschung.
„Ich habe entschieden, der Mietpartei fristlos zu kündigen. Hintergrund dieser fristlosen Kündigung sind schwerwiegende Verstöße gegen das Vertrags- und Vertrauensverhältnis gegenüber dem Bezirksamt im Zusammenhang mit der Mietsache“, sagte Bezirksbürgermeister Martin Hikel (SPD) am Mittwoch dem Tagesspiegel. „Die Regeln unseres Rechtsstaates sind klar, und sie gelten für alle. Wer betrügt, muss auch mit rechtlichen Konsequenzen rechnen, so einfach ist das.“
Der Bezirk ist seit 2020 Eigentümer des Anwesens und somit Vermieter, zuvor gehörte es einem Sohn der Großfamilie, der es seiner Mutter vermietet hatte. Um diesen Mietvertrag geht es bei Hikels Entscheidung.
In den sozialen Medien ist schon am Dienstag das Kündigungsschreiben Hikels veröffentlicht worden. Der Bürgermeister wirft der Mutter der in Alt-Buckow residierenden Kernfamilie vor, „einen gefälschten Mietvertrag“ vorgelegt zu haben, „um eine in Wahrheit nicht bestehende Rechtsposition“ beim Gartengrundstück neben der Villa zu belegen. Damit hätten Remmos versucht, so der Vorwurf, das Bezirksamt „von der Wahrnehmung berechtigter Vermieterinteressen am Schutze unseres Eigentums vor unberechtigter Inanspruchnahme abzuhalten“.
Hintergrund ist, dass das Areal neben der Villa ständig von den Remmos genutzt wird, obwohl es rechtlich ein eigenes Grundstück ist. Erst im Juli hatten Arbeiter unter Polizeischutz am Anwesen der Großfamilie einen heiklen Baueinsatz durchgeführt. Das Bezirksamt hatte zuvor angeordnet, dass die zwei Nachbargrundstücke mit einem Zaun getrennt werden sollen.
Nach Ansicht des Bezirksamts umfasst der Mietvertrag nur die Villa, nicht den Garten daneben. Die Remmos gehen gegen die Einzäunung rechtlich vor. Dazu haben sie auch den angeblichen Mietvertrag zwischen einem Remmo-Spross, der das Haus vor Jahren gekauft hatte, und dessen Mutter vorgelegt.
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Die Behörde untersuchte das Schreiben, denn bislang war ein solcher Vertrag den üblichen Behörden - Jobcenter, Polizei, Bezirksamt - nicht bekannt. Der von den Remmos vorgelegte Mietvertrag soll offensichtlich gefälscht gewesen sein. Für Hikel „stellt die Anfertigung von gefälschten Urkunden zu Beweiszwecken einen unüberwindbaren Bruch des Vertrauensverhältnisses zwischen Mieter und Vermieter dar“. Die Familie sei „bereits zuvor mehrfach abgemahnt worden, vertrauensschädigende Maßnahmen zu unterlassen“, heißt es im Kündigungsschreiben.
Die Remmos haben wegen der angespannten Lage auf dem Wohnungsmarkt nun einen Räumungsaufschub bis 31. Oktober. Bei erneuten Vorfällen werde „ohne weitere Zwischenschritte Räumungsklage“ erhoben, kündigte Hikel an. Auf dem Internet-Portal "Instagram" verkündete ein Sohn des Familienoberhauptes: Man werde "jedes rechtlich Mittel" einlegen. Zudem wirft er Neuköllns Bürgermeister Martin Hikel vor, der SPD-Politiker versuche "auf Kosten Unschuldige eine Wahlkampf zu gewinnen" und schüre durch Diskriminierung Hass und Rassismus (alle Rechtschreibfehler im Original). Es ist jener Spross, der im Garten von einer Hollywood-Schaukel aus regelmäßig Instagram-Videos gepostet hat.
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In dem Anwesen sind in den letzten Jahren zwischen acht und zwölf Personen gemeldet gewesen. Sowohl das Haus als auch das Gartenareal gehören seit Oktober 2020 dem Staat: Damals wies das Kammergericht die Beschwerde der Remmos gegen die Beschlagnahme der Immobilien zurück. Zuvor gehörte die denkmalgeschützte Villa einem der Söhne, er hatte es im Jahr 2012 als 19-Jähriger für 224.280 Euro gekauft. Nach Ansicht der Richter agierte er mit Geldern aus undurchsichtigen Quellen und als Strohmann für seinen Vater, den bundesweit bekannten Clan-Chef.
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Das Gebäude gehört zu den 77 Immobilien aus dem Umfeld der Großfamilie, die von der Staatsanwaltschaft vor drei Jahren vorläufig konfisziert wurden. Vorwurf: Sie wurden mit Beutevermögen erworben, es bestand ein Geldwäsche-Verdacht. Weil der Sohn die Villa seiner Mutter vermietet hatte, ist dem Staat als neuem Eigentümer – vertreten durch das Bezirksamt Neukölln – der Mietvertrag zugefallen.
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Unter Beamten und Juristen heißt es, die Familie werde das Haus so schnell nicht verlassen müssen: Die Miete zahlt das Jobcenter, weil den Bewohnern offenbar Sozialleistungen zustehen. Ob die Remmos nun eine andere Bleibe finden, ist ungewiss. In Deutschland gilt, Obdachlosigkeit sei unter allen Umständen zu verhindern.
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Das Bezirksamt selbst war bislang davon ausgegangen, die Remmos vorerst nicht aus der Villa herauszubekommen und kündigen zu können - wegen des geltenden Mietrechts. Erst durch den Betrugsverdacht hat der Bezirk nun eine Handhabe.
Gegen Remmo-Männer wird immer wieder wegen Gewalttaten und Eigentumsdelikten ermittelt, in vielen Fällen wurden sie rechtskräftig verurteilt. Zuletzt wegen des Diebstahls der Goldmünze aus dem Bodemuseum und des Goldnestes aus einer Grundschule. Zudem verurteilte das Landgericht einen entfernten Verwandten des Neuköllner Remmo-Zweiges wegen eines blutigen Überfalls auf eine tschetschenische Gruppe. Dem war ein Bandenkrieg vorausgegangen.