Kreuzberg kulinarisch: Ziegenkäse statt Film
Ute Rohrbeck war erst als Theatermalerin beim Film. Dann verliebten sie und ihr Mann sich in einen Gutshof in Mecklenburg. Aus der Landliebe wurde ein Familienunternehmen, das Ziegenkäse produziert. Der kommt nun nach Kreuzberg.
Handgemachter Ziegenkäse ob kräftig, cremig, mild, mit Datteln oder Rosmarin, in Bioqualität aus dem mecklenburgischen Rögnitz: Das verspricht einen geschmacklichen Ausflug aufs Land, ist aber auch in der Hauptstadt zu finden. Genauer gesagt in Kreuzberg. Denn der Ziegenkäse aus Bio-Rohmilch, der nahe dem Schaalsee im Familienbetrieb hergestellt wird, soll nun unter die Berliner gebracht werden.
Eine verspielte Ziegenkopf-Bordüre ziert die Ladenwände in der Solmsstraße unweit der belebten Bergmannstraße. Ute Rohrbeck, Käsemacherin und Inhaberin des Ladens „Kunst und Käse“, hat sie eigenhändig an die Wand gemalt. Sie kann das, sie kam im Wortsinn von Kunst zu Käse. Ute und Martin Rohrbeck arbeiteten eigentlich in der Filmbranche.
Von der Theatermalerin zur Käsemacherin
Die 53-Jährige ist gelernte Theatermalerin, ihr Mann Herstellungsleiter für Filmproduktionen. Gemeinsam sind die beiden Anfang der 90er Jahren unter anderem an den Detlev-Buck-Filmen „Karniggels“ und „Wir können auch anders“ beteiligt. Rohrbeck ist für die Anfertigung der Filmkulissen zuständig.
Nach dem ersten Kind wird das Hin-und-Her-Reisen zwischen Hamburg und Berlin schwieriger. Ute Rohrbeck steht in der Küche ihres Ladens und erzählt lachend aus ihrer Vergangenheit. „Mein Mann meinte, wir brauchen was zu buddeln. So ein richtiges Landleben zu führen, konnte sich die gebürtige Berlinerin damals gar nicht vorstellen. Langweilig muss das sein, habe sie gedacht. Doch es kam anders.
Auf einer Faschingsparty entsteht die Idee Ziegenkäse herzustellen
Auf eine Zeitungsannonce hin, steht Rohrbeck 1994 vor einem halben Gutshof in Rögnitz, in der Nähe des idyllischen Schaalsees, 230 Kilometer von Berlin entfernt. „Das Haus war halb marode, aber schwer romantisch und total schön.“ Schnell überzeugt sie ihren Mann, zwei Wochen später gehört den beiden das Haus. Ihre Meinung über das langweilige Landleben hat sie schnell revidiert. Kreativ sein und sich austoben, so beschreibt sie ihr Leben heute. Denn nach den ersten Jahren und dem zweiten Kind überlegte das Paar, was mit dem Gutshof anzufangen sei. Auf eine Faschingsparty haben sie die Idee: Ziegenkäse herstellen! Der schmeckt gut, genügend Ställe und Wiesen gibt es im ehemaligen DDR-Grenzgebiet sowieso.
Während ihr Mann weiterhin beim Film arbeitet, sucht sich Ute Rohrbeck einen Kompagnon, der sie mit Ziegenmilch versorgt. „Dann musste ich mich nur noch um den Käse kümmern.“ Da hat sie allerdings noch keine Ahnung vom Käsemachen oder von Betriebsführung.
Als Aussteigerin sieht sich Ute Rohrbeck nicht
Heute glaubt sie, ihre Arbeit als Theatermalerin kam ihr zu Gute. „Der Bühnenmeister machte die Vorgaben, ich musste herausfinden, wie ich sie am besten umsetze. Das ist beim Käsemachen ähnlich.“ Über die Jahre hat sie sich das Käsemachen selbst beigebracht. Als Aussteigerin sieht sich die 53-Jährige sich nicht – „eher als Umsteigerin“.
Zu weich, zu fest, zu flach: Das waren die kleinen Käse-Schwierigkeiten am Anfang. „Erst nach der Reifung merkt man, dass einem bei der Zubereitung ein Fehler unterlaufen ist, man vielleicht fünf Minuten zu lang gerührt hat.“ Ziegenkäse zu machen, sagt Rohrbeck, sei, als habe man ein Baby: Man muss jeden Tag hätscheln und tätscheln.
120 Ziegen liefern ungefähr 1500 Liter Milch
Ihr allererster Käse wurde „eher Hüttenkäse als Camembert und schmeckte, ich möchte mal sagen: interessant“, sagt sie schmunzelnd. „Die Kunst am Käsemachen liegt darin, ihn jedes Mal genauso hinzubekommen, wie er sein soll.“ Das klappt nun schon seit vielen Jahren. Ihre Käserei am Schaalsee ist eine bekannte Adresse. 120 Ziegen liefern ihr heute ungefähr 1500 Liter Milch pro Woche. An die 20 Sorten werden mittlerweile in Rögnitz produziert, in Bioläden, über das Warenhaus Manufactum und im eigenen Hofladen verkauft: Vom „Blauen Künstler“, einer Blauschimmelsorte, über „Tante Bertha“, einem mildem Schnittkäse, bis hin zum Dattelvulkan – alle gentechnikfrei hergestellt, handgeschöpft und im Felssteinkeller gereift.
Überbackener Camembert mit Holunder-Chutney
Hinter der Kreuzberger Theke steht nun Ute Rohrbecks Tochter Lale. Die 23-Jährige, Studentin der Europäischen Ethnologie, berät, verkauft und empfiehlt die leckersten Ziegenkäse-Kombinationen. „Zu einem überbackenen Camembert passt zum Beispiel wunderbar das Holunder-Chutney und etwas Brot.“ Überbackene Spezialitäten wie diese, aber auch einfache Käsestullen, können die Besucher auch im oder vor dem Laden genießen. Mit inbegriffen: ein Ausblick auf die hinter Glas reifenden Ziegenkäserollen und -hügel. Weil zu Käse natürlich immer auch ein Gläschen Wein passt, ist die Ausschanklizenz bereits beantragt. Solange gibt es eine gesunde Alternative: ein Glas Rhabarber-Molke.
Kunst & Käse, Solmsstraße 26, geöffnet Montag bis Samstag 11 bis 19 Uhr. Mehr Informationen auch unter: www.kunstundkaese.de.
Dieser Artikel erscheint im Kreuzberg Blog, dem hyperlokalen Online-Magazin des Tagesspiegels.