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Vom Umgang mit behinderten Menschen: Warum sind wir nur so unsicher?

Eine eigentlich ganz alltägliche Szene auf einem Spielplatz: Ein Kind teilt gegen ein anderes aus. Doch das Kind, das haut, ist behindert. Und was nun? Unsere Autorin schildert die Situation. Aber es bleiben viele offene Fragen, oder?

Kürzlich auf einem Spielplatz mitten in Zehlendorf.

Ein etwa vierjähriges Mädchen mit blonden Zöpfchen heult auf, hält sich den Kopf. Ein anderes, etwas älteres Mädchen hatte sich plötzlich auf das ruhig spielende Kind gestürzt und ihm ein großes Büschel Haare ausgerissen. Eine runde Stelle am Hinterkopf des Mädchens genau zwischen den beiden Zöpfchen, etwa in der Größe eines Zwei-Euro-Stücks, war nun kahl. Plötzlich Stille auf dem belebten Spielplatz. Und so konnten alle hören:  

„Mein Kind hat Autismus“, sagte die eine Mutter zur herbeigeeilten anderen Mutter und versuchte in einer verzweifelten Geste, die Haare des fremden Kindes irgendwie wieder an dessen Scheitel anzubringen. „Das passiert ihr manchmal, aber es hilft auch nichts, wenn ich sie bestrafe. Es kommt nichts bei ihr an.“ Die andere Mutter winkte ab und meinte: „Nein, nicht bestrafen, aber besser aufpassen wäre auf jeden Fall wichtig“ und versuchte, ihre Tochter zu beruhigen.

Zwei Bekannte der Mutter des noch immer laut schreienden Kindes boten sich gleich an, ihr zu helfen. Der anderen Frau half niemand. Sie packte rasch alle Spielsachen und beide Kinder zusammen und verließ schnell den Spielplatz.

Dort folgten nun Diskussionen um folgende Fragen: Wie hätten sich alle Seiten korrekt verhalten können? Hätte man der anderen Mutter (die auch noch ein jüngeres Kind dabei hatte) nicht auch helfen müssen? Wie hätte eine solche Situation eventuell verhindert werden können (ohne jemanden auszuschließen)?

Spielplatzsituationen. Nicht immer einfach, und gerade dann nicht, wenn behinderte Kinder plötzlich anfangen zu hauen.
Spielplatzsituationen. Nicht immer einfach, und gerade dann nicht, wenn behinderte Kinder plötzlich anfangen zu hauen.
© dpa

Nachgefragt im Büro des Behindertenbeauftragten des Bezirks Zehlendorf. Dort hat man nur eher abstrakte Antworten: Inklusion solle am besten möglichst früh stattfinden, denn Kinder gingen völlig wertfrei und unbefangener mit behinderten Gleichaltrigen um. Spielplätze würden daher etwa schon so geplant und angelegt, dass Kinder mit und ohne Behinderung dort spielen können. Die Mutter des autistischen Kindes könne sich bei Bedarf an das Beratungs- und Leistungszentrum für junge Menschen mit Behinderung und deren Familien (BLB) wenden.

Trotzdem bleibt die Frage: Wäre etwa gerade ein Hilfsangebot an die Mutter des autistischen Mädchens diskriminierend gewesen? Hat darum niemand Hilfe angeboten?

Oder hat gerade hier vielleicht so etwas wie spontane Inklusion stattgefunden, weil die anderen Eltern bei jedem anderen Kind ähnlich (abweisend) reagiert hätten?

Was meinen Sie, liebe Leserin, lieber Leser?

Die Autorin arbeitet für den Tagesspiegel, der Text erscheint auf Tagesspiegel-Zehlendorf, dem lokalen Online-Portal aus dem Berliner Südwesten. Wenn Sie selbst über das Thema schreiben oder andere Debatten anregen wollen, wenden Sie sich gerne an zehlendorf@tagesspiegel.de

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