Historisches Gebäude-Trauerspiel in Zehlendorf: Vorsicht, Busen!
Die Villa Calé ist eines der schönsten Gebäude in Zehlendorf - und zerfällt langsam. Das Land Katar hat das historische Haus samt Gartengrundstück 1997 gekauft, aber wohl aus Pietätsgründen bisher nicht genutzt - wegen der barbusigen Figuren am Dach.
Unverhüllte Busen verhindern offenbar die Nutzung eines der prächtigsten Gebäude in Zehlendorf. Die Villa Calé, die der Verleger Franz Calé sich von 1904 bis 1907 hat erbauen lassen und die das Land Katar 1997 samt Grundstück in der Schützallee/Ecke Riemeisterstraße erwarb, zerfällt zusehens.
Bezirksamt "wie der Ochs vor dem Zaun"
Der für Stadtentwicklung zuständige Stadtrat Norbert Schmidt (CDU) sagte dem Tagesspiegel: "Uns sind die Hände gebunden. Leider gibt es keine gesetzliche Pflicht zur Nutzung von Eigentum. Wir stehen da wie der Ochs vor dem Zaun. Katar muss sich ernsthaft fragen lassen, warum es dieses historische Gebäude überhaupt erworben hat."
Im Jahre 2003 war das Problem den Grünen sogar eine Kleine Anfrage in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) wert. Die Fragen lauteten: "Was hat das Bezirksamt bisher unternommen, um den Leerstand der denkmalgeschützen Villa zu beseitigen?" und "Welche weiteren Möglichkeiten hat das Bezirksamt und welche davon wird es einsetzen, um den Missstand zu beseitigen?"
Der damalige sozialdemokratische Stadtrat Klaus-Peter Laschinsky und heutige Vorsitzende des Heimatvereins Zehlendorf antwortete: "Ein Leerstand des Gebäudes war dem Wohnungsamt nicht bekannt. Maßnahmen gegen den bestehenden Leerstand können nicht mehr eingeleitet werden, da es sich bei dem Grundstück nicht um öffentlich geförderten Wohnraum handelt. Das Zweckentfremdungsverbot, mit dem in der Vergangenheit die Verfolgung von ungenehmigten Wohnungsleerstand bei nicht öffentlich gefördertem Wohnraum möglich war, wurde mit der Verordnung vom 11.7.2003... aufgehoben."
Einst wurde das Haus mit Kuppel und Putten für zwei Millionen Goldmark von der Architektengemeinschaft Bastian & Kabelitz gebaut, Calé wollte, das man dem Haus seinen Wohlstand ansieht. Die Villa hatte 800 Quadratmeter Wohnfläche auf einem über 3000 Quadratmeter großen Gartengrundstück. Heute steht es unter Denkmalschutz. Eigentlich bauten die beiden Architekten Landhäuser, hier durften sie sich im Neoklassizismusstil monumental austoben.
Nach der Inflation 1923 fiel das Haus an den Staat, während des Krieges war der deutsche Marine-Stab dort untergebracht, später, 1947, eröffneten die Amerikaner dort einen Jugendklub, in dem mancher Zehlendorfer Jugendliche sich aufs Abitur vorbereiten konnte – in beheizten Räumen, ein Luxus in den kalten Nachkriegswintern.
Eine Zehlendorferin erinnert sich an die Erzählungen ihrer Mutter: "Sie hat mir erzählt, dass sie während des Krieges in dem Haus Suppe ausgegeben habe." Im Volksmund heißt die Villa auch "Engelsvilla", wegen der Engelsfigur auf der Kuppel.
Als Katar das Haus 1997 für rund zwei Millionen Mark kaufte, sollte ursprünglich die Botschaft dort entstehen, in der Umgebung gibt es viele Botschaften oder Botschaftsresidenzen anderer Staaten. Aber es passierte - nichts. Ab und an kamen Architekten vorbei, es wurden große Pläne gemacht, zuletzt für ein Kulturzentrum, aber restauriert wurde nie. Fragt man in der Botschaft um Auskunft, wird man zu vielen Gesprächspartnern durchgestellt, die alle keine Antwort wissen. Der schriftliche Fragebogen, den ein Botschaftsangehöriger schließlich zum Thema erbat, wurde nie beantwortet. Die einzige offizielle Aussage, die zu bekommen war, lautete: "Wir verkaufen nicht."
Der Immobilienunternehmer Christian Gérôme dagegen, bekannt für sein Händchen für Luxus-Immobilien, sagt, er sollte das Gebäude für die Botschaft verkaufen. Und er bestätigte dem Tagesspiegel: "Die barbusigen Putten sind das Problem. Denn auch sie stehen unter Denkmalschutz. Die Einkäufer der Botschaft haben sich einfach vertan."
Gérôme glaubt, dass im Land Katar selbst möglichst niemand wissen solle, dass die Botschaft hier ein solches Haus gekauft habe. Deshalb muss das Haus weg. 1,9 Millionen Euro hat ein Investor geboten, das war der Botschaft allerdings zu wenig, denn umgerechnet liegt der damalige Kaufpreis mittlerweile bei über zwei Millionen Euro. Unter 2,5 Millionen dürfe nicht verkauft werden, sagt ein Insider. Ein potentieller Käufer muss wohl nochmals zwei Millionen in die Restaurierung stecken.
Ein Denkmalschützer aus der Zehlendorfer Verwaltung sagt, im Inneren des Gebäudes sei kaum "noch bauzeitliche Ausstattung vorhanden", aber "die Fassadenfläche ist groß". Handwerklich sei das kein Problem, man müsse aber "Geld in die Hand nehmen". Immer wieder musste der Denkmalschutz die "Unterhaltspflicht" des Eigentümers anmahnen.
Der Autor ist Redakteur für besondere Aufgaben im Tagesspiegel. Der Text erscheint auf dem Zehlendorf Blog, dem Online-Magazin dieser Zeitung.
Armin Lehmann