Marode Schulen in Steglitz-Zehlendorf: Und schuld bist...Du!
Seit Jahren beschäftigt Steglitz-Zehlendorf der Sanierungsstau an Schulen und Sportstätten. Doch anstatt gemeinsam anzupacken, machen sich die Parteien, die Stadträte stellen, gegenseitig Vorwürfe. Das muss endlich aufhören, wenn die Bezirkspolitik glaubwürdig bleiben will.
Wer ist im Bezirksamt eigentlich hauptverantwortlich für den unfassbaren bezirklichen Sanierungsstau bei Schulen und Sporthallen? Wenn man die Frage stellt, der Bezirkselternausschuss hat das beispielsweise schon öfter getan, bekommt man meistens ausweichende Antworten. Denn natürlich will keine der Parteien, die Stadträte stellen, in Haftung genommen werden. Die Wahrheit aber lautet: Alle sind verantwortlich.
Vor einigen Monaten, in einem Hintergrundgespräch, hat eine hochrangige Grünen-Funktionsträgerin im Bezirk sehr offen darüber geredet und gesagt: "Wenn wir das nicht alle gemeinsam hinbekommen, dann haben am Ende alle versagt."
Trotzdem musste eben jener Michael Karnetzki (SPD) sich auch in der letzten Bezirksverordnetenversammlung massiv verteidigen, weil er es offensichtlich nicht schafft, freie Stellen, für die die Mittel auch genehmigt sind, zeitnah zu besetzen. Es sind Stellen im Hochbauamt, die auch sehr wichtig sind, um die baulichen Sanierungen in den einzelnen Schulen voranzutreiben. Aber allein der Titel der Großen Anfrage, von der CDU gestellt, ließ tiefe Einblicke zu auf die Art und Weise, wie man offensichtlich beliebt, im Rathaus miteinander umzugehen: "Herr Karnetzki, warum müssen die Schüler unter Ihnen leiden und die Lehrer verzweifeln?"
Die Anfrage suggerierte mit gedrückter Tränendrüse, wer da in Steglitz-Zehlendorf der alleinige Hauptverantwortliche sein soll: Karnetzki natürlich! Aber das ist unfair und grober Unsinn, und die CDU weiß das auch, denn in ihren eigenen Reihen befindet sich auch noch die Stadträtin Cerstin Richter-Kotowski (CDU), die wiederum für Bildung und somit auch für die Schulen zuständig ist. Karnetzki ist zuständig für Immobilien und Verkehr, und bei ihm ist auch das Hochbauamt angesiedelt. Ob das Sinn macht, steht hier nicht zur Debatte, aber offensichtlich funktioniert die Ressortaufteilung in diesem Bezirksamt nicht sonderlich gut.
Der Bezirkselternausschuss wünschte sich beispielsweise endlich "Klarheit". Bis heute beklagen die schulischen Elternvertreter, dass es keine strategische Auflistung von Mängeln an Schulen gibt und dementsprechend auch keine Priorisierung von Maßnahmen. Stattdessen sagte ihnen der Stadtrat Karnetzki einmal, gebe es mehrere Aktenordner zu baufälligen Schulen. "Aber offensichtlich hat niemand einen Überblick oder vielleicht möchte auch niemand einen Überblick haben", vermutet die Bezirkselternausschussvorsitzende Birgitt Unteutsch.
Vergeblich versuchte Unteutsch bis heute zu erfragen, was genau sich denn nun hinter den 410 Millionen Euro verberge, auf den der Sanierungsstau in Steglitz-Zehlendorf beziffert wird. Kürzlich erst fand sie heraus, dass beispielsweise die so genannten Mobilen Unterrichtsräume (Mur) nicht in dieser Zahl enthalten seien. Und gerade erst wurde bekannt, nach Recherchen von Tagesspiegel-Zehlendorf, das die Gesamtsanierungskosten beim Fichtenberg-Gymnasium sich nicht auf knapp sechs, sondern vermutlich auf knapp 14 Millionen Euro belaufen. Aber niemand weiß, wer das bezahlen soll.
Unteutsch ist auch "sauer" auf den Stadtrat Karnetzki, aber vor allem ist sie tief enttäuscht darüber, dass das Bezirksamt nicht mit einer Stimme spricht, sondern gegenseitige Schuldzuweisungen an der Tagesordnung seien. Deshalb ist der BEA auch sehr skeptisch über die Rochade, die die CDU nun möglicherweise bei bestimmten Ressorts anstrebt. Wie berichtet, soll demnächst der neue Stadtrat Frank Mückisch das Ressort Bildung erben, während Richter-Kotowski die Stadtentwicklung übernimmt. Sollte es so kommen, dann würde das nur Sinn machen, wenn Richter-Kotowski gleichzeitig auch das Hochbauamt übernehmen würde, denn dann wären die wichtigsten "Bauressorts" gebündelt. Und sie könnte beweisen, dass sie wirklich auch das Zeug dazu hat, den Bezirk Ende 2016 als Bürgermeisterin zu führen. Doch vermutlich wird man "Hochbau" beim Stadtrat Karnetzki belassen, denn dann könnte man dem, vermutet auch Birgitt Unteutsch, immer schön den Schwarzen Peter zuspielen.
Sollte der Ressortwechsel dazu führen, dass die CDU noch weniger Verantwortung beim Thema Schulsanierung übernimmt, würde sie vermutlich den letzten Rest an Vertrauen verspielen, den sie bei diesem Thema noch hat. Der Bezirkselternausschuss jedenfalls ist sich sicher: "Der Ressortwechsel ist doch nur ein Schachzug, um nicht handeln zu müssen." Birgitt Unteutsch jedenfalls befürchtet, dass sich der neue Mann natürlich erst sehr lange wird einarbeiten müssen, und "solange wird nichts passieren".
Michael Karnetzki wird sehr schnell sein Amt in den Griff bekommen müssen. Aber die schwarz-grüne Zählgemeinschaft, die den Bezirk regiert, sollte endlich aufhören, sich hinter ihm zu verstecken. Schließlich regiert die CDU diesen Bezirk schon sehr lange - den Sanierungsstau jedenfalls gibt es nicht erst seit gestern.
Am Dienstagabend, 23. Juni, ab 19 Uhr, findet im Bürgersaal des Rathaus Zehlendorf die nächste Diskussionsveranstaltung zum Thema marode Schulen statt. Unter anderen wird Birgitt Unteutsch und Stadtrat Karnetzki auf dem Podium sitzen. Veranstaltet wird die Diskussion von der Partei Die Linke. Auch der Bezirksschülersprecher wird mitreden. Am Mittwoch, 24. Juni, demonstrieren die Schüler übrigens zum Thema vor dem Rathaus Zehlendorf.
Der Autor ist Redakteur für besondere Aufgaben im Tagesspiegel und hat das lokale Portal Tagesspiegel Zehlendorf konzipiert. Folgen Sie dem Autor auch auf Twitter oder Facebook.