BVV Steglitz-Zehlendorf: Wahl für das Bezirksamt: Umstrittene SPD-Kandidatin gescheitert
In einer ungewohnt zeitaufwendigen und nervenaufreibenden Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung wurden am Mittwochabend die Bezirksbürgermeisterin und vorerst drei Bezirksstadträte gewählt.
Der Bezirk Steglitz-Zehlendorf kann auch Wahlnacht. Denn am Mittwochabend wählten die Bezirksverordneten in einer ungewohnt zeitaufwendigen und nervenaufreibenden Sitzung im Rathaus Zehlendorf die Bezirksbürgermeisterin und die Bezirksstadträte. Zwar war der Wahlausgang nicht so überraschend wie Dienstagnacht in den USA, gleichwohl folgte dieser ebenfalls einer gewissen Dramaturgie mit spannendem Wendepunkt. Nachdem die ersten vier Wahlgänge relativ ruhig verliefen, wurde Franziska Drohsel, Kandidatin der SPD-Fraktion, nicht zur Bezirksstadträtin gewählt; von insgesamt 55 gültigen Stimmen bekam sie 25 Ja- und 30 Nein-Stimmen. Die Kandidatin war bereits im Vorfeld der BVV-Sitzung in der Öffentlichkeit in die Kritik geraten.
Denn Franziska Drohsel war bis vor zehn Jahren Mitglied in der vom Verfassungsschutz beobachteten und als linksextremistisch eingestuften Organisation „Rote Hilfe“. Insbesondere der CDU-Fraktionsvorsitzende Torsten Hippe meldete hierzu Bedenken an und machte seine Zweifel an der Eignung der Kandidatin sehr deutlich. „Jeder Amtsträger sollte für unsere freiheitliche, demokratische Grundordnung eintreten“, sagte er. Das seien wir unserem Rechtsstaat schuldig. Eine Kandidatin, die im Verdacht stehe, eine extremistische Haltung zu vertreten, komme als Leiterin einer Behörde nicht in Frage. „Das muss der Maßstab sein!“ Deshalb habe er den Mitgliedern seiner Fraktion anheim gestellt, wie sie abstimmen mögen. „Ich stimme mit Nein.“
Die Grünen-Bezirksverordneten sahen das offensichtlich etwas anders. Fraktionschefin Nina Stahr erklärte, dass sie eingehend geprüft habe, ob die Kandidatin die Maßstäbe und Werte unseres Landes erfülle. Immerhin habe Franziska Drohsel als Rechtsanwältin einen Eid auf die Verfassung geleistet. „Ich habe daher den Eindruck, dass sie durchaus bereit ist, dieses Amt auszufüllen“, sagte Stahr.
Dem schloss sich der Bezirksverordnete der Linken Hans-Walther Krause an, indem er feststellte, dass ihn die ganze Debatte befremde. Der Vortrag von Torsten Hippe habe sich angehört, wie: wir sind so gerecht und so verfassungstreu. „Da erinnere ich an das Zitat von Jesus: wer ohne Sünde sei, werfe den ersten Stein.“ Zwar erntete Krause dafür viel Beifall im gut gefüllten Bürgersaal des Rathauses, zugleich ging aber auch ein gelangweiltes Raunen durch die Menge.
Am Ende reichte es für Franziska Drohsel nicht. Der 36-Jährigen fehlten drei Stimmen, um Bezirksstadträtin von Steglitz-Zehlendorf zu werden. Die SPD-Fraktion zeigte sich von dem Wahlergebnis überrascht und irritiert. Einige steckten aufgeregt die Köpfe zusammen, andere starrten apathisch vor sich hin. Schließlich zog sich die Fraktion für eine Stunde zu einer Krisensitzung zurück, um anschließend zu verkünden, dass sie einen Antrag auf Vertagung des Tagesordnungspunktes stelle. „Ich möchte jetzt unsere Kandidatin nicht in die Situation einer weiteren Wahl mit unsicherem Ausgang bringen“, begründete der Fraktionsvorsitzende Volker Semler. Dafür seien die Positionen in der BVV derzeit zu unflexibel. Seine Fraktion stehe voll hinter Franziska Drohsel als Kandidatin. „Die Entscheidung, sie aufzustellen, ist gut, richtig und weise gewesen.“
Die Wahlen der Bezirksbürgermeisterin und der anderen drei Bezirksstadträte zuvor verliefen dagegen unkompliziert. Cerstin Richter-Kotowski (CDU) wurde mit 35 Ja-Stimmen, zwölf Nein-Stimmen und acht Enthaltungen gewählt. Sie ist damit die erste Frau im Bezirksbürgermeisteramt im Berliner Südwesten. Michael Karnetzki (SPD) bekam 32 Ja-Stimmen, zwölf Nein-Stimmen und elf Enthaltungen und wurde damit in seinem Amt als stellvertretender Bürgermeister bestätigt.
Über das eindeutigste Wahlergebnis konnte sich Maren Schellenberg, die Kandidatin der Grünen, freuen. Sie bekam 42 Ja-Stimmen, acht Nein-Stimmen und fünf Enthaltungen und wurde mit einem euphorischen Beifall ihrer Anhänger belohnt. Das war sicher kein leichter Moment für Christa Markl-Vieto, die in den letzten fünf Jahren die Stadträtin der Grünen war, ihr Amt jedoch an ihre Parteikollegin abgeben musste. Dessen ungeachtet souverän gratulierte Markl-Vieto ihrer Nachfolgerin zu der erfolgreichen Wahl.
Auch Frank Mückisch (CDU) wurde als Bezirksstadtrat wieder gewählt. Er bekam 37 Ja-Stimmen, neun Nein-Stimmen und neun Enthaltungen. Die Ressortverteilung im Bezirksamt wird künftig folgendermaßen aussehen: Richter-Kotowski übernimmt Stadtentwicklung, Finanzen, Personal und Wirtschaftsförderung. Karnetzki ist für Bürgerdienste, das Ordnungsamt und die Gleichstellungsbeauftragte zuständig. Schellenberg kümmert sich um das Straßen- und Grünflächenamt, um Umwelt- und Naturschutz sowie um den Hochbauservice. Mückisch übernimmt die Abteilungen Soziales, Bildung, Kultur und Sport. Für die noch fehlende Bezirksstadträtin sind die Ressorts Jugend, Gesundheit und Integration vorgesehen. Diese Abteilungen übernimmt jetzt erst einmal Michael Karnetzki in Vertretung.
Richter-Kotowski: "Es geht nicht um Interessen Einzelner"
Im Anschluss an die Wahl wurde Norbert Kopp (CDU), der zehn Jahre Bezirksbürgermeister in Steglitz-Zehlendorf war, verabschiedet – begleitet von einem zwar weniger euphorisch, dafür sehr lang anhaltenden Beifall. Norbert Kopp zeigte sich ehrlich gerührt; in seiner ganz eigenen zurückhaltenden Art. Auch Christa Markl-Vieto wurde aus ihrem Amt verabschiedet. Das Schlusswort hatte schließlich die neue Bezirksbürgermeisterin Cerstin Richter-Kotowski: „Ich werde mich dafür einsetzen, dass das Gemeinwohl wieder im Vordergrund unseres Handelns steht, denn es geht hier nicht um die Interessen Einzelner.“
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