Geschichten über den Flugplatz Staaken (1): Spektakel in Spandau: Als 500.000 Menschen zum Flughafen pilgerten
Im Westen von Berlin befand sich einst ein Flugplatz, der die Massen anzog. Schulen wurden stadtweit geschlossen, als in den 20ern "Graf Zeppelin" landete. Eine Erinnerung.
Der Flugplatz Staaken war einst ein bedeutender Luftfahrt-Standort, aber auch eines der größten Filmstudios abseits von Hollywood. Historische Fotos und einige erhalten gebliebene Gebäude erinnern an dessen Geschichte. Hier erzählt Rainer W. During, der seit den 80ern für den Tagesspiegel schreibt, einige Geschichten über den vergessenen Flugplatz tief im Westen von Berlin. During hat einst auch ein Buch über den Flugplatz verfasst.
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Eine halbe Million Menschen versammelten sich an einem Novembertag des Jahres 1928 in Staaken - rund doppelt so viele wie die heutige Einwohnerzahl des Bezirks Spandau. Sie kamen in Sonderzügen vom Lehrter Bahnhof und Sonderbussen vom damaligen Reichskanzlerplatz, dem heutigen Theodor-Heuss-Platz und waren kaum zu bremsen. Damit auch die Kinder dabei sein konnten, hatten sogar die Schulen geschlossen.
Chaos auf der Heerstraße, niedergetrampelte Zäune
Ein großes Polizeiaufgebot konnte nicht verhindern, dass die Zäune des damaligen Flugplatzes zwischen Nennhauser Damm und Fernbahntrasse niedergetrampelt wurden. Der Grund für die Massenhysterie war Graf Zeppelin. So hieß das nagelneue, seinerzeit größte gebaute Luftschiff LZ 127. Nach seiner ersten Amerikafahrt hatte es Kurs auf Berlin genommen und fast jeder wollte den 236 Meter langen, fliegenden Koloss aus der Nähe sehen.
Auf der für die Anfahrt der Besucher freigegebenen Heerstraße herrschte schon damals ein einziges Verkehrschaos. Tausende von Autos und überfüllte Busse standen im Stau gen Westen. Und war dann endlich Staaken erreicht, hieß es erneut: Schlange stehen, an den Kassen, wo ein Eintrittsgeld von einer Mark kassiert wurde.
Hunderte von Händlern witterten ihr großes Geschäft, boten Zeppelinabzeichen und Postkarten ebenso feil wie warme Würstchen und Bananen.
Schauen Sie mal, wie es am Flugplatz Staaken 1928 aussah
Rund eine Stunde drehte der Zeppelin eine Ehrenrunde über der Hauptstadt, bevor er gegen 9.45 Uhr in Staaken zur Landung ansetzte. Dazu mussten zunächst Haltemannschaften die von der Besatzung hinabgeworfenen Taue ergreifen, um das Luftschiff, dem 105.000 Kubikmeter Wasserstoff den Auftrieb verliehen, an den Ankermast zu manövrieren. Dabei hob und senkte sich der Gigant der Lüfte immer wieder einmal und die Männer, die die Taue nicht loslassen durften, schwebten dann jeweils kurzzeitig in der Luft. Sehr zur Erheiterung der Zuschauer, wie damals eine Zeitung berichtete.
Rund 2000 bis 3000 Unentwegte verbrachten die Nacht auf dem Flugplatzgelände, um auch den Start nicht zu verpassen. Gegen sieben Uhr früh hob das Luftschiff zur Rückfahrt nach Friedrichshafen ab.
Schon lange vor dem Besuch waren in Staaken selbst Luftschiffe gebaut worden. Bereits 1915 hatte die Luftschiffbau Zeppelin GmbH hier zwei 252 Meter lange, 35 Meter breite und 40 Meter hohe Hallen errichtet. Grund war der erhöhte Bedarf an Militärluftschiffen während des Ersten Weltkrieges.
Direktflüge von Berlin zum Bodensee - immer ab Staaken
Bis 1918 wurden hier zwölf Luftschiffe sowie die sogenannten Staakener Riesenflugzeuge gebaut. Der Firmengründer, Graf Ferdinand von Zeppelin, besuchte den Standort letztmalig Anfang 1917, wenige Wochen vor seinem Tod. Nach dem Krieg gab es dann 1919 einen Zeppelin-Linienverkehr für Passagiere mit dem Luftschiff LZ 120 „Bodensee“ zwischen Friedrichshafen und Staaken. 1920 musste er auf Anweisung der alliierten Siegermächte eingestellt werden.
Noch heute erinnern in Staaken historische Gebäude an die Zeit der Luftschiffe. Am Brunsbütteler Damm steht noch ein Teil des einstigen Zeppelin-Verwaltungsgebäudes, ist zwar denkmalgeschützt, aber ungenutzt dem Verfall preisgegeben. Gleiches gilt für die Gebäude der ehemaligen Zeppelin-Wasserstofffabrik an der Straße Am alten Gaswerk. Sie war noch bis zum Mauerfall in Betrieb, zuletzt als VEB Technische Gase.
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Mehr zur Staakener Flugplatzgeschichte demnächst auf www.tagesspiegel.de/spandau. Und auf Facebook finden Sie uns unter www.facebook.com/tagesspiegelspandau