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Für Sehbehinderte führt nur ein für sie gut vorbereiteter Weg ans Ziel.
© Kai-Uwe Heinrich

Vom Alltag einer Sehbehinderten: Sie will nur einkaufen gehen!

Zu niedrige Randsteine, feuchte Erde auf dem Gehweg - für Menschen mit Behinderung birgt auch der Weg zum Supermarkt um die Ecke viele Hindernisse. Unsere Autorin ist selbst sehbehindert und hat eine seh- und hörbehinderte Bekannte begleitet.

Das Schweizer Viertel hat leider keine Berge! Zu diesem Schluss kam ich, als ich mich kürzlich mit einer Bekannten in der Züricher Straße Ecke Baseler Straße traf.

Als Mitglied des Behindertenbeirates von Steglitz-Zehlendorf rief sie mich an und bat um Hilfe. Ich, selber gesetzlich blind, so heißt das im Bürokratendeutsch, vereinbarte sofort einen Termin und wollte ihr gern aufzeigen, wie ich zum Beispiel zum nächsten Drogeriemarkt komme. Die Dame ist nicht nur blind, nein, sie ist auch hörbehindert und ihre Orientierung benötigt im Gegensatz zu meiner noch weiteres mehr.

Wir gingen gemeinsam die Lausanner Straße herunter und schon dort kamen die ersten Probleme: Die meisten Randsteine an den Grundstücken sind nicht erhöht. Sie sind flach und bei jedem Pendeln ihres Langstockes - allgemein als Blindenstock bekannt - landete dieser in Gebüschen oder Wiesen der Vorgärten.

Und wenn es noch sehr feucht ist, wird auch die Erde auf den Gehweg gespült. In Höhe der Einfahrt zu einem Supermarkt versuchten wir nun, einen markanten und sicheren Weg für sie zu erspüren, damit sie die Straße wechseln kann. Das Kopfsteinpflaster ist für mich gut zu hören, wenn Autos darauf fahren. Für sie aber nicht! Mit schlecht bemerkbaren Linien, Einfassungen von Gehwegplatten und Einfahrten bemühten wir uns, irgendetwas zu erfühlen.

Ich zeigte ihr dann meinen Weg zu der Drogerie. Auch hier sind Randsteine, eine teilweise gut spürbare Naht zwischen den verlegten Steinen. Aber alles war sehr mühsam, und das an einem Sonntagvormittag. Also ohne großen Verkehr. Ohne das Angstgefühl, das man hat, wenn dort in der Woche Autos fahren, geht es noch einigermaßen, so stellten wir fest. Passanten, die zum Bäcker gingen, grüßten. Als wir endlich vor dem Drogeriemarkt standen und mit akribischer Stockarbeit versucht hatten, den besten Weg für sie zu finden.

Am einfachsten und vor allem, am ungefährlichsten wäre es, wenn die Besitzer, die Erbauer dieser Anlagen einfach mal Leitlinien, Auffindungsstreifen oder Orientierungspunkte in den Gehweg integrieren würden! Selbst der Eingang zum Supermarkt war für meine Begleiterin nicht zu ertasten. Ich hingegen konnte die Eingangstür hören, die klappernden Einkaufswagen. Aber sie eben nicht! Trotz Hörgeräten war das einfach nicht möglich. Und sie wollte doch nur eins: Wie die anderen, einfach mal einkaufen gehen.

Kathrin Backhaus ist gesetzlich blind, lebt in Lichterfelde und engagiert sich unter anderem im Beirat für Menschen mit Behinderung.
Kathrin Backhaus ist gesetzlich blind, lebt in Lichterfelde und engagiert sich unter anderem im Beirat für Menschen mit Behinderung.
© Anett Kirchner

Ein ausführliches Porträt zu unserer Autorin finden Sie auf dem Zehlendorf Blog. Kathrin Backhaus ist sehbehindert, lebt in Lichterfelde und engagiert sich unter anderem im Beirat für Menschen mit Behinderung.

Kathrin Backhaus

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