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Im Geburtstagskleid. Zum Jubiläum des Europa-Centers gibt es passende Werbung an der Fassade, die gerade renoviert wird.
© Cay Dobberke

50 Jahre Europa-Center: Romy Schneider, die Ärzte und der Mercedes-Stern

Das Europa-Center wurde vor 50 Jahren eröffnet: Zum 50. Geburtstag haben wir 50 einzigartige Anekdoten gesammelt - von Feueralarmen wegen Klimaanlagen bis zum fehlgeleiteten James Bond.

1. Auf dem Gelände des Europa-Centers befand sich seit 1916 das berühmte Romanische Café, bis 1933 ein Treffpunkt von Künstlern und Intellektuellen. Seinen Namen verdankte es dem 1943 ausgebombten Romanischen Haus.

2. Im Eingang an der Tauentzienstraße erinnert eine Tafel an den Reichskanzler und Außenminister Gustav Stresemann. Dort stand das kriegszerstörte Haus, in dem der Politiker von 1920 bis 1923 lebte.

3. Die Pläne des Investors Karl Heinz Pepper wurden allgemein begrüßt, galt doch das Areal als „Schandfleck der City, wo auf den Trümmern des legendären Romanischen Cafés Catcher, Zirkusclowns und Schaschlikesser einander gute Nacht sagen“ – so der damalige Lokalchef des Tagesspiegels, Günter Matthes.

4. In einer frühen Planungsphase hieß das Europa-Center nur „Europahaus“. Das löste in West-Berlin Stirnrunzeln aus: Brauchen wir davon zwei? „Europahaus“ hieß bereits das 1931 fertiggestellte Bürogebäude in der Kreuzberger Stresemannstraße.

5. Bei der Grundsteinlegung am 28. November 1963 verschwand auch eine Tagesspiegel-Ausgabe – erst in der Blechkassette, dann im Untergrund.

6. Baukräne auf Hochhäusern wie dem Europa-Center, die mit ihnen in die Höhe wachsen, sind heute Alltag. Damals fragte sich mancher Passant: Wie kommt das Ding wieder runter?

7. Der verbaute Stahl reiche locker für einen Ozeandampfer, wurde damals behauptet. Und aus den 14 000 Quadratmetern Glas ließe sich eine Schaufensterfront vom Zoo bis nach Zehlendorf bauen.

8. 1500 Ehrengäste kamen zur Eröffnung des Centers am 2. April 1965, darunter der Regierende Bürgermeister Willy Brandt, Bundesschatzminister Werner Dollinger und der Oberkommandierende der US-Armee in Europa, General Andrew P. O’Meara.

9. Beim Start war der Mercedes-Stern auf dem Dach mit zehn Metern Durchmesser der weltweit größte. Heute ist der in Hongkong doppelt so groß (dreht sich aber nicht).

10. Zur Eröffnung kam Romy Schneider aus Paris, beschwatzt von ihrem Stiefvater, dem Gastronomen Hans Herbert Blatzheim, der dort mehrere Restaurants betrieb. Dabei funkte es zwischen Romy und Harry Meyen, Regisseur, Star des Berliner Boulevardtheaters, noch gebunden, aber bald geschieden. Im Sommer 1966 wurde geheiratet. Die Ehe hielt keine zehn Jahre.

11. Curd Jürgens trug sich anfangs mit Plänen, im Center einen Drugstore nach US-Vorbild einzurichten. Daraus wurde nichts: Die unamerikanischen Ladenschlusszeiten schreckten ihn ab.

12. Fußgängerbrücken führten anfangs über die Tauentzien- und die Budapester Straße. Besonders erstere, 77 Meter lang, geriet anfangs leicht in lästige, „als unangenehm empfundene Schwingungen“, wie es hieß – ein ähnliches Phänomen wie 35 Jahre später bei der Millennium Bridge in London. Das bekam man in den Griff, anders als die Probleme mit dem beheizbaren, ewig defekten Belag. Die Brücke wurde 1979 abgebaut und in den Grenzübergang Heerstraße integriert. Sie ist dort noch heute zu sehen. Die zweite Brücke verschwand 1986.

13. 60 Pfennig war die Briefmarke mit dem Europa-Center wert, die die Bundespost am 19. April 1966 in der Reihe „Das neue Berlin“ herausgab. Auflage: 7 208 000.

14. Um von der Gedächtniskirche ins Center zu gelangen, musste man anfangs in die Tiefe: Tauentzien- und Budapester Straße waren bis 1980 durch eine Straße verbunden, die „Schnalle“. Die Rolltreppen zum Fußgängertunnel waren oft außer Betrieb: Viele Passanten konnten es nicht lassen, den Notschalter zu drücken. Bis zu 70 Mal am Tag mussten die Angestellten ausrücken, um den Fehler, der keiner war, zu beheben. Dann erst fand sich ein narrensicherer Schalter.

15. Das Hochhaus war Berlins erstes vollklimatisiertes Bürogebäude. Fenster ließen sich nicht mehr öffnen. Immerhin: Dreimal pro Stunde wurde die Luft ausgetauscht.

16. Damit der Wind ums Europa-Center nicht pfeift, sondern nur säuselt, war es als Modell in einem TU-Windkanal getestet und entsprechend modifiziert worden.

17. „...und vor 20 Jahren war alles vorbei“ – so hieß die erste Premiere des Kabaretts „Die Stachelschweine“ am 9. Juni 1965 in ihrem knapp zwei Monate zuvor bezogenem Domizil im Untergeschoss.

18. In der Kälte dampfende Klimaanlagen waren die Berliner in den 60er Jahren nicht gewohnt. Fast jeden Herbstabend wurde die Feuerwehr alarmiert: „Auf dem Dach des Europa-Centers brennt es.“ Die Beamten wussten, dass das Quatsch war, hinfahren mussten sie trotzdem.

19. Selbst eine Fernrohr-Galerie auf dem Hochhaus galt Mitte der 60er als meldenswert. Zwei Jahre nach Eröffnung geisterte eine Meldung durch die Presse: Man könne von dort den Gästen des Hilton (heute: Interconti) ins Zimmer schauen.

20. Gleich das erste Bild des Thrillers „Finale in Berlin“ (1966) zeigt das neue Center, das auch zum Handlungsort wird: Michael Caine als britischer Agent Harry Palmer trifft auf dem Hochhausdach einen Fluchthelfer, der einen sowjetischen Überläufer aus der DDR schmuggeln soll. Mit einem der Fernrohre dort guckt Palmer bis zum Brandenburger Tor – ein Kunststück.

21. 1000 Quadratmeter maß die centereigene Eisbahn – von September bis Juni unter freiem Himmel, Energiekosten waren sekundär. Erst 1979 wurde sie geschlossen, der Innenhof verglast. Heute ist dort das Restaurant „Tiffany“.

22. Einen Monat nach Eröffnung gab es eine Serie von Einbrüchen: Ein Obdachloser auf der Suche nach einer Schlafstelle war durch eine Zwischendecke in Läden eingedrungen, hatte sich neu eingekleidet, doch die alte Hose mit einem Schein der Gepäckaufbewahrung vom Bahnhof Zoo liegen lassen. Als er ohne Schein seinen Koffer abholen wollte, wurde er geschnappt.

23. In „Das Quiller-Memorandum“ (1966) wird das Hochhaus zur Agentenzentrale des MI6: Alec Guinness als Sektionschef und George Segal als Agent Quiller knacken von dort aus eine mörderische Neonazi-Bande.

24. Drei Jahre nach dem Start wurde an der Budapester Straße das Palace Hotel eröffnet, später Schauplatz vieler Berlinale-Pressekonferenzen. So auch der zu Frank Beyers Defa-Produktion „Der Bruch“ 1989, auf der die Fragen besonders dümmlich ausfielen. So sehr, dass Otto Sander auf dem Podium aufsprang und nach draußen stürmte.

25. Die Geschäfte in der Aktionsgemeinschaft Europa-Center waren schon früh Vorkämpfer für flexible Ladenöffnungszeiten. Mit „superlangen verkaufsoffenen Sonnabenden“ machte man 1967 den Anfang – das hieß bis 21 Uhr. Normal war 14 Uhr.

26. Im neuen Romanischen Café begann 1970 bei einem Talentwettbewerb Marianne Rosenbergs Karriere. Sie kam zu spät, rutschte als 13. Kandidatin gerade noch rein – und siegte.

27. Die 1970 an der Nürnberger Straße auf dem Parkhaus des Europa-Centers eröffneten Thermen erfüllen nicht nur Wellnes-Funktionen: Die Feuerwehr hatte ein Löschwasserreservoir verlangt.

28. Zur Bekämpfung eines Großbrandes 1973 genügten die gewohnten Hydranten. Bei Dachdeckerarbeiten an der Tauentzienstraße waren Baustoffe in Brand geraten.

29. Im November 1975 seilten sich Fallschirmjäger vom Center ab – Reklame für die Militärshow „British Tattoo“.

30. In der Nacht auf den 9. November 1981 detonierte in der Passage zur Gedächtniskirche in einem Abfalleimer ein Sprengsatz. Schaden: eine zerstörte Scheibe.

Rätselhaft. Die „Berlin-Uhr“ von Dieter Binninger zeigt die Zeit mit farbigen Feldern an. 
Rätselhaft. Die „Berlin-Uhr“ von Dieter Binninger zeigt die Zeit mit farbigen Feldern an. 
©  Doris Spiekermann-Klaas
„Die Uhr der fließenden Zeit“ des Franzosen Bernard Gitton. Das Objekt steht hier seit 1982 und ist stattliche 13 Meter hoch.
„Die Uhr der fließenden Zeit“ des Franzosen Bernard Gitton. Das Objekt steht hier seit 1982 und ist stattliche 13 Meter hoch.
© Doris Spiekermann-Klaas

31. „Fruchtsaft-Automat“ rief einer der Schaulustigen, als 1982 in einem Innenhof „Die Uhr der fließenden Zeit“ des Franzosen Bernard Gitton enthüllt wurde. Seitdem rätseln Touristen wie Berliner über dieses System.

32. Kaum weniger mysteriös blieb die Mengenlehre-Uhr von Dieter Binninger, die 1975 am Kurfürstendamm/Ecke Uhlandstraße aufgestellt wurde und 21 Jahre später in der Budapester Straße am Center einen neuen Standort fand.

33. 1975 war auch das Jahr, in dem die Feuerwehr dem Center einen hässlichen Treppenturm an der Tauentzienstraße verordnete. Erst 1987 wurde er zu Heinz Macks Lichtobelisk umgebaut.

34. War James Bond (Roger Moore) vor dem Ost-Einsatz schnell noch im Europa-Center shoppen? Man sieht es gerade noch im Hintergrund verschwinden, als 007 und M auf dem Kurfürstendamm gen Westen rollen. Warum sie dies tun, bleibt in „Octopussy“ (1983) rätselhaft: Bond will doch eigentlich zum Checkpoint Charlie.

35. „Teenagerliebe“ hieß der Song der Ärzte, zu dem der SFB für sein Jugendmagazin „45Fieber“ 1984 das erste Musikvideo der Band drehte – im Europa-Center.

36. In den frühen 80ern war das „Café Europa“ am Wasserklops einer der Nebenschauplätze im Skandal um den damaligen Charlottenburger Baustadtrat Wolfgang Antes. Otto Schwanz, Ex-„Bordell-König“, wollte unbedingt einen Strohmann als Pächter. 50 000 Mark, im Köfferchen ins Stadtratsbüro getragen, war ihm das wert.

37. In „Der Himmel über Berlin“ von Wim Wenders (1987) springt ein junger Selbstmörder vom Dach des Center–Hochhauses. Vergeblich hat Otto Sander als Engel Cassiel versucht, ihn davon abzuhalten.

38. 1988 wurde mit dem „Europa-Studio“ das zweite Kino im Center eröffnet. Den „Royal-Palast“ gab es seit 1965, dessen Hauptsaal damals die größte geschwungene Leinwand der Welt besaß. 2004 wurden die Kinos geschlossen und der Trakt später zum Elektronik-Markt umgebaut.

39. Ein Brand in der Klimaanlage bereitete Ende November 1991 der Feuerwehr viel Arbeit. Man vermutete Brandstiftung.

40. Zwei Mauerteile, Teil der Grenze zwischen Kreuzberg und Mitte, wurden 1990 nahe der Tauentzienstraße aufgestellt.

41. Als die Loveparade noch durch die West-City lief, war der Brunnen vor dem „Tiffany“ bei Ravern hoch beliebt – zum Füllen der Wasserpistolen und fürs Vollbad zwischendurch. Im Juli 1995 bedeckte dann ein zentimetertiefer See den Boden.

42. Das Center war über lange Zeit das politische Zentrum des West-Berliner Kulturlebens. Erst in den späten Neunzigern zog die Senatsverwaltung für Kultur aus.

43. Die schwergewichtigsten Besucher des Centers waren am Tag der 30-Jahr-Feier 1995 drei ausgewachsene Elefanten. Die machten draußen vor der Tür Reklame für einen Zirkus, als es zu gießen anfing und irgendjemand sich erbarmte und sie ins Trockene ließ.

44. Nur fünf Jahre, von 1994 bis 1999, währte das Gastspiel von Bugs Bunny und seinen Freunden, dann schloss der „Warner Bros.“-Shop wieder. Angeblich lag es nicht am mangelnden Umsatz, sondern daran, dass sich kein Franchise-Partner fand.

45. Nach einem Hinweis auf einen möglichen Bombenanschlag wäre das Center am 9. Oktober 2001 fast evakuiert worden. Beim Überprüfen des Anrufs waren den Behörden dann doch Zweifel gekommen, dass er ernst zu nehmen sei.

46. Von der Gedächtniskirche zum Center-Hochhaus reichte das Drahtseil, auf dem die Artistenfamilie Traber im August 2004 anlässlich des „Global City Fashion Festivals“ mit ihren Motorrädern entlangsauste.

47. Elf Mal musste ein Transporthubschrauber im Juli 2005 zum 21. Stock fliegen, um die Teile eines Flugsimulators auf die Panoramaetage zu hieven.

48. Erst 2010 verschwand an der Tauentzienstraße der letzte Stummel der Fußgängerbrücke, der, ergänzt um einen Imbiss, zum „Schlemmer-Pylon“ erklärt worden war. Die funktionslose Treppe hatte kurzfristig noch einmal Verwendung gefunden: In den Neunzigern hatte ein Erotikmagazin dort ein Pärchen beim Sex gefilmt.

49. Zur Eröffnung des neuen Nike-Store im Europa-Center am 14. Februar 2014 konnte man sich mit einem neunfachen Olympiasieger und achtfachen Weltmeister messen: Leichtathlet Carl Lewis lud zu einem kleinen Stadtlauf.

50. „Europa Center“ heißt eine CD, die die britische, auf einen Mix aus Funk und Afro-Disco spezialisierte Band „The Bank“ 2014 herausbrachte. Sie entstand teilweise in Berlin, der Aufenthalt war aber offenbar zu kurz zum gründlichen Studium des Stadtplans. Titel eines Songs: „Prinzlauaberg Am Sonntag“.

Der Artikel erscheint auf dem Ku'damm-Blog, dem Online-Magazin für die westliche Innenstadt.

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