Eine Liebeserklärung an die BSR: Recyclinghof - ick liebe Dir!
Die Männer dort sind freundlich, und sie haben diesen ganz eigenen schmutzig-direkten Charme. Unser Autor fühlt sich ziemlich wohl - auf dem Recyclinghof in Zehlendorf. Nach dem Besuch fühlt er sich immer frei. Vom Müll und auf der Seele.
Letztens gab es einen riesigen Stau. In einer ziemlich abgelegenen Straße, im Hegauer Weg in Zehlendorf. Es war ein bisschen wie früher vor dem Grenzübergang Dreilinden. Der einzige Unterschied, die Menschen waren nicht zur Geduld gezwungen, sondern stiegen aus ihren Autos und Vans aus und schleppten plötzlich freiwillig riesige Papiertüten, Elektrogeräte oder anderen Plunder die Straße hoch. Was geschehen war?
Mein geliebter Recyclinghof der BSR hatte zu, obwohl er laut Öffnungszeiten eigentlich offen hätte sein müssen. Mitten zur Mittagszeit und mitten in der Woche saß ich im Auto und fragte mich, warum die Leute ausgerechnet um diese Uhrzeit und mitten am Tag zum Gewerbehof fahren können. Hatten die keine Arbeit? Ähm, also ich hatte wirklich frei...
Aber um es gleich vorweg zu sagen: Ich fand das auch klasse, denn, ganz ehrlich und ohne jede Ironie, ich liebe diesen Recyclinghof. Denn jedes Mal, wenn man ihn verlässt, ist man im wahrsten Sinne des Wortes erleichtert. Und vermutlich geht das Vielen so, deshalb kommen ja so viele.
Sogar befreit auf der Seele! Das liegt übrigens auch am schmutzig-direkten Charme der BSR-Mannschaft, die dort arbeitet. Denn es gibt eigentlich keinen Tag, an dem die Jungs, sind nur Männer, nicht gut gelaunt sind, auch wenn sie das vielleicht nicht immer sofort zeigen. Wer drauffährt, muss die Fensterscheibe herunterkurbeln und wird gefragt, was er hat. Dann wird in knappen Sätzen erklärt, wohin, gleichzeitig sieht der geschulte Blick, ob man in den ganzen Sachen noch ein bisschen Hausmüll zum Entsorgen versteckt hat. Dann grinst der BSRler und merkt an: "Wenn Sie noch ne' kleine Schippe oder so haben, dit is Hausmüll, kostet. Schmeißen Se' bei sich in die Tonne, nich?"
Kein Streit, kein Geschrei, alles friedlich
Später guckt er auf das ganze Plastikspielzeug, das kaputte, grinst wieder und murmelt: "Machste in Sperrmüll!"
Sagen wir es so. Wenn man artig alles sortiert, die Glühlampen, die Glasflaschen, die Batterien, den Elektroschrott, das Papier und zum Beispiel Metallschrott, und die BSRler sehen, dass man sich die Mühe macht, darf auch das eine oder andere Hausmüllteilchen in den Sperrmüll-Container. Da haben die Mitarbeiter einfach das richtige Fingerspitzengefühl, um es einmal so auszudrücken.
Und warum nun der Stau? Ganz einfach, es mussten zwei der riesigen Container abtransportiert werden, und deshalb wurde das Gelände für eine knappe Stunde gesperrt. In dieser Stunde reihten sich bestimmt bis zu 50 Autos hintereinander, und da man von hinten schlecht sehen konnte, liefen irgendwann alle mit ihrem Krempel zu Fuß, bis sie sahen, dass das Tor zu war.
Erstaunlicherweise gab es weder Ausschreitungen noch wurde herumgepöbelt, und es schrie auch niemand einen anderen an. Im Gegenteil: Als das Tor geöffnet wurde, und die freundlichen Gesichter der BSR-Mitarbeiter zu sehen waren, hatten alle wieder gute Laune.
Keine Ahnung, woran das liegt? Vielleicht muss man mal einen Psychologen fragen. Oder Sie, liebe User! Was sind Ihre Erlebnisse auf einem Recyclinghof?
Der Autor lebt in Zehlendorf. Der Text erscheint auf dem Zehlendorf Blog, dem Online-Magazin des Tagesspiegels.
Michael Rosenzweig