Öffentliche Toiletten in Steglitz-Zehlendorf: Politischer Wille für dringendes Bedürfnis gesucht
21 Toilettenanlagen gibt es laut Senatsverwaltung auf öffentlichem Straßenland in Steglitz-Zehlendorf - nicht alle davon immer benutzbar. Der Tagesspiegel Steglitz-Zehlendorf hat bei den zuständigen Stellen nachgefragt.
Was tun, wenn man unterwegs ist und plötzlich dringend muss? Schnell nach Hause laufen, in einem Restaurant oder Geschäft fragen, eine öffentliche Toilette nutzen, aushalten? Doch wenn das alles nicht geht? Gerade ältere Menschen, von denen es in Steglitz-Zehlendorf viele gibt, brauchen bei ihren täglichen Erledigungen öfter einen „Boxenstopp“, sagt Paul Neumann, Bezirksverordneter der Piraten. Daher seien öffentliche Toiletten als Teil der Infrastruktur - ähnlich wie Straßen, Ampeln oder Parkbänke - unverzichtbar. „Doch in Steglitz-Zehlendorf ist da viel Luft nach oben“, findet er. Neulich stellte er in der BVV eine Kleine Anfrage speziell zu dem Toilettenhäuschen am Ludwig-Beck-Platz in Lichterfelde-West.
Denn die Toilette dort in dem einstigen Marktmeisterhaus war laut Bezirksamt seit etwa einem Jahr gesperrt. Grund seien Schäden am Dach des Gebäudes gewesen. Neumann wollte nun wissen, warum sich die Reparaturarbeiten an der Toilette derart hinzögen? Doch eine plausible Antwort blieb zu dem Zeitpunkt aus. Laut Christa Markl-Vieto (Grüne), der zuständigen Bezirksstadträtin, sei eine Sanierung nicht in Sicht. Das war im Juni. Inzwischen hat das Bezirksamt das Dach doch repariert. Die Toilette am Ludwig-Beck-Platz, die von der Firma Wall AG betrieben wird, ist jeweils wieder an den Markttagen – also freitags und samstags – geöffnet.
Wie kommt es? „Ich habe in der zuständigen Abteilung noch einmal nachgefragt, woran es liegt und ob wir dort nicht doch etwas tun können. Dann haben die Kollegen es schnell erledigt“, erklärt Markl-Vieto. Öffentliche Toiletten seien zwar wichtig, allerdings erlebe sie auch, dass diese zum Teil sehr wenig genutzt würden. Vor allem bei älteren Menschen habe sie beobachtet, dass diese sich bisweilen scheuten, öffentliche Toiletten zu nutzen. Generell lägen ihr derzeit keine Erkenntnisse über einen zusätzlichen Bedarf an solchen Anlagen vor. Vereinzelt gebe es hin und wieder diesbezügliche Wünsche einzelner Bürger.
Elmar Krause, der sich in der Seniorenvertretung (SV) von Steglitz-Zehlendorf engagiert, sieht das anders und erhofft sich mehr Initiative. Bei den Bürgerveranstaltungen der SV werde das Problem häufig diskutiert. „Das Grünflächenamt könnte viel tun, um die WC-Situation zu verbessern“, findet er. Öffentliche Toiletten seien für die Mobilität älterer Menschen wichtig, sonst „beschränkt sich ihr Aktionsradius im Umkreis ihrer Wohnung auf nur etwa 500 Meter.“
Erst kürzlich habe er sich beim Bezirksamt zur Nutzung der Toiletten auf den bezirklichen Friedhöfen erkundigt. Die Antwort: Diese seien während der Öffnungszeiten der dortigen Blumengeschäfte geöffnet und würden danach von den Ladenbetreibern abgeschlossen. Krause fragte nach, etwa beim Friedhof Wannsee in der Friedensstraße und beim Waldfriedhof Zehlendorf. „Doch beide Geschäfte hatten von dieser Vereinbarung nichts gehört“, erzählt er.
"Toiletten sind keine Prestige-Unternehmungen"
Für Paul Neumann sieht es so aus, als wolle man sich mit dem Thema nicht befassen. „Toiletten sind keine Prestige-Unternehmungen und damit lässt sich das Ansehen als Stadtrat kaum steigern“, macht er deutlich. Zudem wolle man dafür kein weiteres Geld aus dem Bezirkshaushalt ausgeben. Hier fehle es schlicht am politischen Willen.
Als mögliche Lösung schlägt er Kooperationskonzepte mit Restaurants und Geschäften vor. Dazu gebe es bereits das bundesweite Projekt „Nette Toilette“. Im März 2015 hätten die Piraten einen Antrag in die BVV eingebracht, dieses Projekt um den Bahnhof Lichterfelde-West einzuführen. „Mit kleinstmöglichem Aufwand verschickte das Amt einen Brief an die Unternehmen, von denen sich keines zurück meldete“, erzählt er. Hier sei eine Chance vertan worden.
Laut einer aktuellen Übersicht der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt gibt es in Steglitz-Zehlendorf derzeit 21 Toilettenanlagen auf öffentlichem Straßenland. Dazu zählen etwa Sanitärcontainer, feste Gebäude und so genannten City-Toiletten. Betreiber ist laut Bezirksamt jeweils die Firma Wall; festgelegt in einem Vertrag mit der Senatsverwaltung. Im Gegenzug stellt die Betreiberfirma im Bezirk Werbetafeln auf; so genannte Billboards.
„Mit der werbefinanzierten Erstellung von Toilettenanlagen hat sich die öffentliche Verwaltung aus diesem Geschäft zurückgezogen“, erklärt der Fraktionsvorsitzende der SPD in der BVV, Norbert Buchta. Das habe den Verwaltungen erheblich Geld gespart. So gut wie alle städtischen Anlagen seien abgebaut worden. Eine deutliche Verbesserung mit kleineren Anlagen trete nur ein, wenn die öffentliche Hand wieder investiere. „Dafür gibt es aber kein Geld“, so Buchta.
Die Wall-Toiletten indes seien teuer in der Anschaffung und Unterhaltung. Gibt es kostengünstige Alternativen? „Ich könnte mir auch Kooperationen mit Läden und Restaurants vorstellen, die mit einem Obolus aus der Bezirkskasse eine Kostenerstattung erhalten“, so der SPD-Bezirkspolitiker.
Torsten Hippe, Vorsitzender der CDU-Fraktion in der BVV, gibt in Bezug auf die Situation der öffentlichen Toiletten im Bezirk dies zu Bedenken: „Jede Ausstattung könnte immer besser sein.“ Der Bezirk könne neue Toiletten nur über die Firma Wall erstellen lassen, diese fordere im Gegenzug aber eine erhebliche Anzahl an Großwerbetafeln. „Und wir sind nicht bereit, den Bezirk mit Großwerbetafeln an exponierten Stellen überfrachten zu lassen“, sagt Hippe. Das Aufstellen einer weiteren City-Toilette sei daher im Einzelfall gegen das Aufstellen neuer Werbetafeln abzuwägen.
Christa Markl-Vieto bleibt indes zuversichtlich und setzt große Hoffnung in eine neue gesetzliche Vorgabe auf Landesebene. „Laut Änderung der Bauordnung müssen alle größeren Einzelhandelsgeschäfte künftig Toiletten für die Öffentlichkeit bereithalten“, erläutert sie. Und das werde das Problem auch in Steglitz-Zehlendorf erheblich entzerren.
Einkaufszentren auf diese Weise in die Pflicht zu nehmen, begrüßt auch Tonka Wojahn, Grünen-Kreisvorsitzende in Steglitz-Zehlendorf und Bezirksverordnete. Das sei schon in einigen Einkaufszentren realisiert worden. Zudem schlägt sie einen Wegweiser für die öffentlichen Toiletten im Bezirk vor. Zur Verbesserung der bezirklichen Infrastruktur auf dem Gebiet erachte sie ferner die Beteiligung der Bürger als besonders wichtig. Wie im Fall der Toilette am Ludwig-Beck-Platz: Hier sei das Bezirksamt auch von Anwohnern über den Zustand des Häuschens informiert worden. „Das könnte in Zukunft der beste Weg sein, die Infrastruktur zu verbessern oder neue Standorte zu ermitteln“, sagt sie.
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