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Wo bitte geht's zum Thielplatz? Barbara Vetter arbeitet in dem Kiosk an der U-Bahnstation Thielplatz und weiß: Der Platz als solcher existiert gar nicht.
© Annika Middeldorf

Berlin-Zehlendorf: Nächster Halt: Freie Universität

Von 2017 an könnte der U-Bahnhof Thielplatz den Namen der Hochschule tragen.

„Wie immer?“ Ob Tageszeitung mit Kaffee oder Feierabendbier zur Bockwurst – Barbara Vetter kennt die Wünsche ihrer Kunden. Der kleine Kiosk im Bahnhofsgebäude der Dahlemer U-Bahnstation Thielplatz, in dem die Rentnerin seit fünf Jahren arbeitet, ist Versorgungszentrale und Kommunikationsknotenpunkt für Anwohner und Pendler, die an der Station ein- und aussteigen. Viele davon sind Studierende, Wissenschaftler oder Universitätsmitarbeiter, die von hier aus zu ihren Seminaren, Vorlesungen oder Arbeitsplätzen laufen. „Etwa 70 Prozent unserer Kunden sind Studenten oder arbeiten an der Uni“, schätzt Vetter.

Dass der U-Bahnhof Thielplatz ein zentraler Punkt nahe des Campus’ der Freien Universität ist, soll sich bald auch im Namen der Station widerspiegeln. Zwischen Dahlem-Dorf und Krumme Lanke hieße es an der U3-Strecke dann: „Nächster Halt: Freie Universität Berlin“. Dass eine Umbenennung prinzipiell möglich ist, haben Gespräche des Universitätspräsidiums mit den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG), der Bezirksverwaltung Steglitz-Zehlendorf, dem Berliner Fahrgastverband und der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt ergeben.

2017 könnte es soweit sein. Dann nämlich soll auch eine andere Station im Berliner Liniennetz, der U-Bahnhof „Neue Grottkauer Straße“ an der Linie U5, einen neuen Namen bekommen. Fallen beide Umbenennungen zusammen, würde das Kosten und Aufwand gering halten, weil Fahrpläne und Aushänge ohnehin aktualisiert werden müssten. Es blieben dann nur noch die Kosten für das Austauschen der Schilder im Bereich des Bahnhofs. Universitätspräsident Professor Peter-André Alt und der Bezirksbürgermeister von Steglitz-Zehlendorf Norbert Kopp versicherten in einer Bürgerdiskussion im März dieses Jahres, dass für die Finanzierung weder Mittel aus dem Universitätsetat noch aus dem Bezirkshaushalt aufgewendet würden: „Wir gehen davon aus, dass das Ganze kostenneutral realisierbar sein wird“, sagte Professor Peter-André Alt.

Am Bahnsteig der Station, nur wenige Treppenstufen von Barbara Vetters Kiosk entfernt, steht Berkhy Aksehivlioglu und wartet auf die nächste Bahn. Ob der 26-jährige Geografiestudent von den Plänen zur Umbenennung schon gehört hat? „Nein“, sagt er, „aber die Idee finde ich nicht schlecht, weil fast das ganze Gebiet in Dahlem zur Freien Universität gehört. Für die Uni wäre es gut, wenn sie eine eigene U-Bahnstation hätte – das könnte auch bei der Orientierung helfen.“

Auch andere Berliner Stationen sind nach Einrichtungen in der Nähe benannt

Tatsächlich sind im Berliner Liniennetz bereits andere Stationen nach Einrichtungen in deren Nähe benannt, etwa die Haltestellen „Naturkundemuseum“ an der Line U6 oder „Olympiastadion“ an der S5. In Köln, München oder Bochum tragen Haltestellen nahe der Universitätsgelände den Namen der Hochschule. Peter-André Alt wünscht sich das auch für die Freie Universität: „Die Freie Universität zieht Studierende und Wissenschaftler aus aller Welt nach Berlin-Dahlem. Mit ihrem guten Namen schmückt sie den Wissenschaftsstandort Berlin-Südwest – und das tut sie sehr gerne.“ Den guten Namen, so Präsident Alt, dürfe man trotz aller Bescheidenheit auch zeigen.

So könnte es aussehen, wenn der U-Bahnhof Thielplatz in Dahlem in "Freie Universität Berlin" umbenannt würde.
So könnte es aussehen, wenn der U-Bahnhof Thielplatz in Dahlem in "Freie Universität Berlin" umbenannt würde.
© Foto und Montage: Bernd Wannenmacher

Ob der neue Name auch dabei helfen könnte, sich auf dem Campus zu orientieren? Kioskverkäuferin Barbara Vetter kann sich das gut vorstellen: „Für viele sind meine Kollegin und ich die Alternative zum Routenplaner auf dem Smartphone“, sagt sie. Schwierigkeiten mit der Orientierung hat jedenfalls, wer den Thielplatz als Ort sucht. Es gibt ihn schlicht nicht – anders als den Thielpark und die Thielallee. Namenspatron ist übrigens der ehemalige preußische Ministerialdirektor Hugo Thiel (1839 - 1918), der sich seinerzeit für die Umwandlung des landwirtschaftlichen Gutes Domäne Dahlem in eine Villenkolonie und für die Nutzung des südöstlichen Areals von Dahlem als Wissenschaftsstandort eingesetzt hatte.

Mehr als 100 Jahre alt ist das denkmalgeschützte Gebäude des U-Bahnhofs Thielplatz, der bis heute eine Problemzone hat: In dem Bahnhof gibt es keinen Personenaufzug. Gehbehinderte oder Reisende mit Kinderwagen oder Fahrrad weichen deshalb auf die Station Dahlem-Dorf aus, an der es seit 2004 einen behindertengerechten Fahrstuhl gibt.

Den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) zufolge soll sich die Situation aber bald verbessern. Bis zum Jahr 2022 will die BVG alle S- und U-Bahnstationen in Berlin barrierefrei gestalten. Dann trägt die Station möglicherweise schon den Namen „Freie Universität Berlin“. Bei Barbara Vetter und ihren Kiosk-Kunden bliebe, abgesehen vom Namen, alles „wie immer“.

Dieser Text erschien in der FU-Beilage im Tagesspiegel.

Was Studierende und prominente Absolventen von der Umbenennung halten

Cerstin Richter-Kotowski, Bildungsstadträtin in Steglitz-Zehlendorf:
„Ich finde die Idee großartig! Sie wurde schon vor einiger Zeit von der CDU in der Bezirksverordnetenversammlung entwickelt. Ich bin selber Absolventin der Freien Universität. Und mein Schwiegervater, Professor Georg Kotowski, war als Student ein Gründungsmitglied. Er hätte sich sehr über eine solche Initiative gefreut!“

Ernst Elitz, früherer Intendant des Deutschlandradios und Direktor an der Berlin Media Professional School an der Freien Universität Berlin:
„Diese Forderung gibt es seit der Gründung der Freien Universität. Eine Universität braucht eine Adresse, die sich für jeden Berliner und Berlinbesucher einprägt. Eine U-Bahn-Station Freie Universität ist auch ein Signal für die historische Bedeutung der Hochschule für die Stadt im Kampf um die Freiheit des Geistes.“

Frank Lüdecke, Berliner Kabarettist und Autor und ehemaliger Student der Freien Universität:
„Eine Station Freie Universität klänge natürlich gut. Ein Teil der Studierenden würde allerdings dort aussteigen, um dann eine Station nach Dahlem-Dorf zurückzulaufen, weil es von da näher ist. In jedem Fall Vorsicht bei privaten Sponsoren! Am Ende heißt die Station Mercedes-Benz-Universität am O2-Platz.“

Clara Nicola, Jurastudentin im dritten Semester:
„Das ist eine gute Idee. Auch weil die Uni für Dahlem sehr prägend ist, finde ich es richtig, wenn man eine Haltestelle nach ihr benennt. Da es den Thielplatz nicht gibt, ist es sinnvoll, die Station umzubenennen.“

Eric Schweitzer, Unternehmer und Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) sowie der IHK Berlin:
„Die Freie Universität gehört zu den Top-Universitäten Europas. Entsprechend stolz bin auf meine Alma Mater – und erinnere mich gern an meine Studentenzeit. Dieser Ort der Spitzenforschung ist imagebildend für Berlin. Die Stadt sollte diesen Trumpf spielen: Eine Verortung im U-Bahnplan wäre ein wichtiger Schritt.“

Isabel Fauth, studiert an der Freien Universität Rechtswissenschaft:
„Sofort sehen, wo man hin muss: Das war auch bei der Umbenennung des S-Bahnhofs Unter den Linden in Brandenburger Tor sinnvoll. Besonders für ausländische Studierende, die nur kurz an der Universität sind, wäre die Umbenennung gut.“

Eckart von Hirschhausen, Arzt, Komiker, Autor und Moderator:
„Die Freie Universität hat den Geist dieser Stadt maßgeblich geprägt. Selbst wenn man von Studierenden erwarten sollte, es ohne massive Hinweise zu schaffen, an der richtigen Station auszusteigen, bin ich für eine Umbenennung. Bildung ist seit Jahren unterirdisch unterfinanziert. Das passt zu einer Untergrundbahn-Station!“

Ulli Zelle, rbb-Moderator und Sänger der Band „Ulli und die grauen Zellen“:
„Namen von U-Bahn-Stationen sollen Orientierung bieten. Und wenn man dem Bahnhof entsteigt, ist man dem Herzen der Hochschule ja ganz nah. Taucht dann künftig Freie Universität auf den Linienplänen auf, die auch Touristen aus aller Welt in der Hand halten – das wäre eine tolle Sache."

Annika Middeldorf

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