Gastronomie in Berlin: Lokale in der City West sollen weniger Tische rausstellen
Draußen in der Sonne Kaffee trinken? Das könnte bald schwierig werden in der City West. Der Bezirk verschärft die Regelungen für die Wirte – einige fürchten schon um ihre Existenz.
Viele Berliner und Touristen freuen sich, wenn Cafés und Restaurants bei gutem Wetter Tische und Stühle ins Freie stellen. Doch vor allem in den Innenstadtbezirken überschreiten manche Wirte die Vorschriften und lassen kaum noch Platz auf den Gehwegen – besonders Eltern mit Kinderwagen und Rollstuhlfahrer kennen das Problem. In Charlottenburg-Wilmersdorf verschärft das Bezirksamt nun die Regeln für die sogenannte Sondernutzung öffentlichen Straßenlands – und zwar für alle. Einige Wirte rechnen mit starken Umsatzeinbußen oder fürchten sogar um die Existenz ihrer Betriebe.
Der Bestandsschutz entfällt
Der Streit dreht sich vor allem um „Unterstreifen“ – die Bereiche zwischen dem eigentlichen Gehweg und der Straße. Bereits seit 2008 genehmigt der Bezirk für solche Stellen keine neuen gastronomischen Nutzungen mehr. Allerdings genießen 67 Lokale, viele davon in Ku’damm-Seitenstraßen, noch einen Bestandsschutz. Nun soll es auch damit vorbei sein.
Keine große Deko oder Strandkörbe
Darüber hinaus wird den Wirten in der City West verboten, in Schankvorgärten „übergroße“ Dekorationen aufzustellen – als Beispiel zeigte Stadtentwicklungsstadtrat Marc Schulte (SPD) ein Foto der überdimensionalen Katzenfigur, die bis vor Kurzem vor dem ägyptischen Restaurant Marooush in der Knesebeckstraße stand. Auch Strandkörbe sind tabu, „Loungemöbel aus leichten Materialien“ dagegen erlaubt.
Soeben hat Schulte das Konzept im Wirtschafts- und Verkehrsausschuss der BVV vorgestellt. Nicht nur anwesende Wirte sprachen von übertriebener „Gängelung“. Auch zwei Anwohnervertreter vom „Kiezbündnis Klausenerplatz“ reagierten mit Unverständnis: Am Klausenerplatz gebe es keine Probleme mit zugestellten Gehwegen. Die CDU-Fraktion und weitere Bezirksverordnete sprachen sich für Einzelfallprüfungen aus.
Ein Currywurstladen sieht bei sich alles in Ordnung – gerät aber trotzdem in Not
Ein Betroffener ist Mathias Wolf, der seit knapp zehn Jahren den Imbissladen „Curry Wolf“ an der Rankestraße nahe der Ecke Tauentzienstraße betreibt und zehn Mitarbeiter beschäftigt. Innen gibt es nur die Küche, direkt an der Hauswand mit der Theke ist auch nur wenig Platz. „Wurst isst man aber im Stehen und nicht im Laufen“, sagt Wolf. Deshalb hat er für den Winter ein kleines Zelt auf dem Unterstreifen aufgestellt, im Sommer steht dort ein Sonnenschirm über Tischen und Stühlen.
Der Unternehmer sieht darin kein Problem: Der angrenzende Gehweg sei breit, niemand werde behindert. Auch das Argument des Bezirksamts, Aufbauten auf Unterstreifen könnten Autofahrern das Aussteigen erschweren, weist Wolf für sich zurück: Am Fahrbahnrand stünden doch ohnehin Poller und sein Zelt reiche nicht an diese heran. Ohne die zusätzliche Bewirtungsfläche „weiß ich gar nicht, was ich machen soll“, beklagt der Chef. Er fürchtet gar das Ende seiner Wurstbude.
Der Gaststättenverband lehnt „unnötige Einschränkungen“ ab
Wolf ist auch Bezirksbeauftragter des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga) Berlin. Zusammen mit dessen Vize-Präsident Klaus Richter und Hauptgeschäftsführer Thomas Lengfelder hat er dem Bezirksamt und den BVV-Fraktionen ein Protestschreiben gesandt.
Grundsätzlich lobt der Verband zwar das Ziel, durch klare Regelungen mehr Rechtssicherheit zu schaffen und Streit zwischen Gewerbetreibenden, Fußgängern und Anwohnern zu vermeiden. „Aber dort, wo es bei Gewährleistung der erforderlichen Bewegungsfreiheit möglich und ein entsprechend breiter Gehweg vorhanden ist, sollte es keine unnötigen Einschränkungen für Gastronomen geben.“
Zu Dekorationen heißt es, gerade „die Eigenheit und das von Gaststätten (incl. Schankvorgärten) verbreitete besondere Flair“ lockten viele Gäste an, wobei „Strandkörbe und Hollywoodschaukeln sicher die Ausnahme darstellen“. Solange das Straßenbild nicht verunstaltet werde, sei das Verbot unverständlich: „Über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten.“
Mindestens zwei Meter müssen frei bleiben
Einverstanden zeigten sich verschiedene Gastronomen damit, dass Charlottenburg-Wilmersdorf wegen der großen Zahl an Fußgängern eine „Mindestdurchgangsbreite“ von zwei Metern auf Gehwegen verlangt – 20 Zentimeter mehr als in einigen anderen Bezirken.
Werden Ausnahmen erlaubt, wollen andere Wirte sie auch
Bei der Nutzung der Unterstreifen ist Stadtrat Schulte teilweise zum Entgegenkommen bereit: Tische und Stühle sollen auf breiten „Gehwegvorstreckungen“ erlaubt werden, die ansonsten dazu dienen, das Überqueren der Straße zu erleichtern.
Deutlicher definiert wird das Deko-Verbot draußen: „Übergroß“ sind Statuen, Eistütenfiguren oder Speisekartenaufsteller demnach, wenn sie das „für Blumenkübel übliche Maß“ von einem Meter Höhe und je 50 Zentimetern Breite und Tiefe überschreiten.
Der Stadtrat gibt zu, für manche Wirte könne es hart werden. Ausnahmeerlaubnisse seien aber schwierig: Erfahrungsgemäß beanspruchten benachbarte Lokale dann prompt eine Gleichbehandlung.
- Im Wortlaut: Einen Brief des Kiezbündnisses Klausenerplatz an das Bezirksamt können Sie unter folgendem Link herunterladen (pdf-Datei):
Der Artikel erscheint auf dem Ku'damm-Blog, dem Online-Magazin für die westliche Innenstadt.