Inklusives Projekt: Ein Atlas für Steglitzer Kieze: Lieblingsorte - aber nicht immer perfekt
Es ist ein wunderbares Projekt, das es verdiente, auf ganz Steglitz-Zehlendorf ausgeweitet zu werden: 18 Lieblingsorte von Menschen mit und ohne Beeinträchtigung und die dazugehörigen Verbesserungsvorschläge.
„Verrückte Kunst in einer Kirche…, verrückt.“ Gemeint ist die Petruskirche in Lichterfelde-Ost und sie gehört zu den 18 Lieblingsorten des Redaktionsteams, das kürzlich einen etwas anderen Kiez-Atlas auf die Beine gestellt hat. Doch warum verrückte Kunst? Weil hier nicht wie meist üblich nur Gottesdienste gefeiert werden, sondern die Kirche auch als Veranstaltungsraum genutzt wird; für Ausstellungen und Konzerte. Doch leider – und das ist der Nachteil – fehlen an der Petruskirche die Parkplätze für Menschen mit Behinderung.
Und alles das steht in dem neuen „Kiez-Atlas für fast Alle“, so lautet sein offizieller Titel. Er wurde von einem gemischten Team aus Menschen mit und ohne Beeinträchtigungen zusammengestellt und soll ein weiterer Schritt in Richtung inklusive Gesellschaft sein.
Gemeinsam haben sie ihre Lieblingsorte in Lankwitz und Lichterfelde-Ost besucht und genau unter die Lupe genommen. Dabei spielten bestimmte Kriterien eine Rolle; etwa Barrierefreiheit oder, wie verständlich Hinweisschilder sind. Doch bevor es richtig losging, konnten die Teilnehmer in einem Fotokurs lernen, wie man ein Motiv möglichst anschaulich in einem Bild darstellt. Ein Großteil der Fotos in der Broschüre sind demnach eigene Bilder.
Lieblingsort von Angelika Hornberg, die bei dem Projekt mitgemacht hat, ist der Gemeindepark Lankwitz. „Denn ich liebe die Natur und Tiere, und hier gibt es ein Tiergehege“, sagt sie. Außerdem seien die Hinweisschilder gut zu verstehen. Und der Park habe eine Minigolfanlage, die sie oft und gerne nutze. Trotzdem: Auch hier könnten Dinge durchaus verbessert werden. Es fehle zum Beispiel eine Behinderten-Toilette, und es gebe zu wenige Mülleimer.
Minigolf spielt auch Andreas Franz gern, der ebenfalls zum Team gehört. Doch noch viel lieber tritt er das Runde in das Eckige – also spielt Fußball mit seinen Freunden. Und dafür hat er den Alt-Lankwitzer Sportplatz in der Schulstraße für sich entdeckt. „Denn da können alle am Nachmittag Fußball spielen – wo hat man das schon“, schwärmt er. Ab 16 Uhr ist der Platz für jeden geöffnet. Das Gelände sei sauber und gepflegt, der Hausmeister nett und die Wege barrierefrei.
Fazit: Alles gut so! Obwohl. Eine Sache hätte sich Andreas Franz gewünscht. Dass auch das Stadion Lichterfelde mit in dem Kiez-Atlas vorgestellt würde. Ursprünglich waren es 26 Orte, die sich das Team ausgesucht hatte. Doch weil der Platz in der Broschüre begrenzt ist, sind letztlich 18 übrig geblieben. Das Stadion Lichterfelde gehörte nicht dazu.
Es gibt Schlimmeres, denkt sich vermutlich Doris Grund, die für das Projekt einmal pro Woche aus Pankow extra in den Berliner Südwesten gekommen ist. Die 62-Jährige hatte davon erfahren, dass Redakteure für den Kiez-Atlas gesucht werden und wollte unbedingt mitmachen: „So habe ich eine neue Gegend kennen gelernt und diese gefällt mir prima.“
Am besten findet sie den Lilienthalpark in Lichterfelde. Vor allem, weil sie dort mit den Öffentlichen Verkehrsmitteln gut hinfahren kann. „Sich mit einem Buch auf einer Decke unter die Bäume setzen, das gefällt mir“, beschreibt sie. Und es sei hier ruhiger als in den Parks in Pankow. Was ihr noch auffiel: Das Denkmal auf dem Fliegeberg könne man mit dem Rollstuhl erreichen. Hingegen die Beleuchtung im Park sei weniger gut. „Denn es fehlen einige Lampen“, sagt sie.
Und so führt der Kiez-Atlas den Leser mit einer einfachen Sprache, anschaulichen Fotos, Abbildungen, Karten, Zitaten und Symbolen durch die einzelnen Orte. Auch Restaurants, Straßen, eine Tierarztpraxis und die Volkshochschule sind dabei. „Uns war es wichtig, auch solche Orte aufzunehmen, die nicht perfekt sind“, erklärt Nadja Philipp. Kritikpunkte könnten für das Bezirksamt oder für den Eigentümer der jeweiligen Anlage eine Anregung sein, etwas zu verändern.
Viele Träger haben sich an dem Projekt beteiligt
Es sei bewusst eine subjektive Auswahl getroffen worden. Jeder im Redaktionsteam habe andere Interessen und einen anderen Zugang zu den Orten. Nadja Philipp ist Studentin für soziale Arbeit an der Evangelischen Hochschule Berlin in Zehlendorf. Sie und Max Reininghaus haben das Kiez-Atlas-Projekt ein halbes Jahr lang praktisch begleitet.
Die Broschüre ist auf Initiative des sozialen Trägers Mittelhof entstanden, in diesem Fall im Nachbarschaftshaus Villa Folke Bernadotte – mit Unterstützung des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin, der Sparkasse und der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales. Weiterhin haben sich an dem Projekt freie Träger beteiligt, die unter anderem betreutes Wohnen für Menschen mit Beeinträchtigung anbieten; wie etwa die Aktion Weitblick, das Pastor-Braune-Haus und Camphill Alt-Schönow.
Als Schirmherr konnte der Bezirksbürgermeister Norbert Kopp (CDU) gewonnen werden. „Jetzt ist es an Ihnen, den Leserinnen und Leser, auf Spurensuche zu gehen…“, schreibt er in seinem Vorwort. „Junge und alte Menschen, Menschen, die hier wohnen, Menschen, die bei uns zu Gast sind, Menschen mit und ohne Behinderung – sie sind alle Teil unserer lebens- und liebenswerten Gemeinschaft in Steglitz-Zehlendorf.“
Der Kiez-Atlas für fast alle „Unsere Lieblingsorte in Lankwitz und Lichterfelde-Ost“ liegt in der Villa Folke Bernadotte und in den Einrichtungen des Vereins Mittelhof in Lankwitz und Lichterfelde aus. Er kann auch hier herunter geladen werden.
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