Geplante Flüchtlingsbauten in Lankwitz: Kopp: "Wir tragen diese Planung so nicht mit"
Für den Bau von modularen Flüchtlingsunterkünften auf dem Gelände eines Lankwitzer Seniorenheims plant der Senat, alte Bäume fällen zu lassen. Bezirk und Anwohner fragen sich nun, warum man stattdessen nicht Ruinen dafür abreißt.
„Ein neues Zuhause in Geborgenheit. Umgeben von einem weitläufigen Park“ so wirbt die Vivantes Hauptstadtpflege für ihr Haus Leonore in der Leonorenstraße 17, 33 und 33A in Lankwitz“. Der auf diese Weise angepriesene Park des Seniorenheims wurde vor über 100 Jahren vom Nervenarzt James Fraenkel angelegt. Nun sollen anscheinend viele der mehr als hundert Jahre alten Bäume gefällt werden und dort modulare Flüchtlingsbauten (MUFs) für 480 Geflüchtete errichtet werden. Auf dem Vivantes-Gelände befinden sich ebenfalls mehrere verfallene und Graffiti-bunte Häuschen, die erhalten bleiben sollen.
„Wir haben auf einer SPD-Infoveranstaltung am 16. Juni erfahren, auf welchem Teil des Grundstücks nun gebaut werden soll“, sagt Anwohner Peter Ittenbach. „Seitdem die Liste der geplanten MUFs veröffentlich worden war, war uns die Adresse bekannt, aber wir alle sind natürlich davon ausgegangen, dass die Ruinen abgerissen werden und dort dann die Unterkünfte errichtet werden.“
Man sei sich unter der Anwohnerschaft einig, dass es eine vernünftige Lösung für die Unterbringung der Flüchtlinge geben müsse. Die Turnhallen seien auf Dauer nicht zumutbar. Und dass hier jeder Bezirk seinen Anteil leisten müsse, sei selbstverständlich. „Aber es leuchtet uns nicht ein, weshalb die Ruinen auf dem Gelände stehen bleiben sollen und der schönste Teil des Geländes plattgemacht wird“, sagt ein anderer Anwohner. „Wir haben natürlich ein Interesse am Bestehen des Parks, ganz einfach weil er schön ist. Aber es wäre doch klüger, die Ruinen abzureißen und dort die Unterkünfte zu errichten.“
Vivantes erklärt gegenüber dem Tagesspiegel Steglitz-Zehlendorf, die Häuschen enthielten eine wichtige Trafostation und ein Notstromaggregat, die könne man nicht ohne weiteres abreißen. Das andere Teilgrundstück hingegen sei nicht betriebsnotwendig. „Vivantes strebt an, solche nicht betriebsnotwendigen Grundstücke sukzessive zu verkaufen, um vom Erlös Investitionen zu finanzieren, etwa am dringend sanierungsbedürftigen Klinikum Neukölln“, sagt Vivantes-Sprecherin Kristina Tschenett.“ Derzeit befände sich Vivantes in Verhandlungen mit dem Senat. Trafostation und ein Notstromaggregat woanders neu zu errichten, sei zu kosten- und zeitaufwändig.
„Es rechnet sich nicht, die Gebäude zu sanieren oder sie abzureißen“, sagt auch Martin Pallgen von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt, zuständig für den Bau der MUFs. „Das hat die Wirtschaftlichkeitsprüfung ergeben.“ Gegenwärtig werde deshalb der Baumbestand erfasst. Die Planung sehe aber vor, „die einzelnen MUF-Gebäude so zu platzieren, dass möglichst wenige Bäume gefällt werden müssen. Derzeit befinden wir uns in der Planungsphase, erst anschließend wird der Zustimmungsantrag und der Antrag auf Fällgenehmigung beim Bezirk eingereicht.“
Bezirksbürgermeister Norbert Kopp, CDU, sagt, die Planung sei dem Bezirk bis zur Info-Veranstaltung der SPD am 16. Juni nicht bekannt gewesen. Man war bis dahin von einer Nutzung der Ruinen-Flächen ausgegangen. Er habe „größte Bedenken“, nicht grundsätzlich gegen die Erschließung der Leonorenstraße. „Aber statt der Bäume könnten doch die „Baracken“ auf dem Vivantes-Grundstück abgerissen und dort die Unterkünfte gebaut werden.“ Dort sei auch die Anbindung an die Leonorenstraße besser. Kopp betont: „Wir tragen diese Planung so nicht mit.“ Er habe dem für die Planung zuständigen Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen und dem für das Genehmigungsverfahren zuständigen Senator Andreas Geisel, beide SPD, am 20. August einen Brief geschrieben und darin Einspruch gegen die Planung erhoben. Bis heute stehe die Antwort aus. Er rechne allerdings nicht damit, „dass da noch was komme“. Für sämtliche Flüchtlingsbauten sei ja mittlerweile der Senat zuständig.
Unbedingt schützenswerter Baumbestand
„Aus Naturschutzsicht ist dieser Baumbestand unbedingt schützenswert.“, sagt eine Sprecherin des NABU - Naturschutzbund Deutschland in Berlin. „Man müsste prüfen, ob durch die Baumfällungen auch Lebensräume streng geschützter Arten, z.B. Fledermäuse, Vögel und Käfer, ihren Lebensraum verlieren." Solche Bäume könnten nicht ohne weiteres gefällt werden, zunächst müsse ein Antrag bei der unteren Naturschutzbehörde gestellt werden. In diesem Fall würde in Form eines Gutachtens ein Ausgleich festgestellt werden in Form von Ersatzpflanzungen und Ersatznistplätzen.
Und was sagen die Senioren?
Von den nach Angaben des Heimbeirats derzeit 220 Bewohnern des Hauses Leonore, darunter viele an Demenz Erkrankte, ist noch niemand offiziell darüber informiert, was mit ihrem Zuhause geschehen soll. „Wir haben letzten Sonntag zufällig erfahren, dass bereits Vermessungen vorgenommen wurden für acht Betonmodule mit jeweils vier Stockwerken. Pflöcke wurden dort in den Boden gerammt, wo gebaut werden soll“, sagt Hannelore Kühn-Kleeberg, Vorsitzende des Heimbeirats. „Wenn die alten Bäume gefällt werden, wäre die Grünfläche so verkleinert, dass die Senioren nur noch einen Weg vor dem Haus hätten. Das bedeutet eine erhebliche Minderung der Lebensqualität im Alter.“ Sie habe mit ihrem inzwischen verstorbenen Mann, der sechs Jahre lang im Haus Leonore gelebt hat, gern auf dem Balkon in die alten Bäume gesehen und dem Rauschen gelauscht. „Der Baulärm und die Unruhe durch fast 500 neue Anwohner sind unzumutbar!“ sagt Kühn-Kleeberg. Dass dem Heimbeirat, Heimbewohnern und deren Angehörigen bisher noch niemand offiziell die anstehenden Veränderungen mitgeteilt hat, ärgere sie besonders.
Anwohner wollen Spenden sammeln
Anwohner überlegen nun, Spenden zu sammeln, um die Kostendifferenz zum Abriss der Ruinen für den Erhalt des Parks beisteuern zu können. „Es ist ein Unding, dass die Stadt den Heimbewohnern den Ruhesitz verdirbt, um die Abrisskosten zu sparen", sagt Anwohner Ittenbach. "Für uns ist es auf Dauer mit dem schönen Ausblick und der Ruhe vorbei. Aber wir können uns mit Sichtschutz und Lärmschutz wehren. Das können die Senioren nicht." Der Bezirk habe sich zu lange quergestellt in der Aufnahme von Flüchtlingen. „Die Quittung dafür zahlen jetzt die Anwohner.“
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