Klimawandel in Zehlendorf: Heiße Luft aus dem Bezirksamt
In Paris hat der Klimagipfel begonnen, in Zehlendorf bekommt ein Lehrer die Wut. Unser Autor beschreibt, wie mit dem globalen Problem im Bezirk umgegangen wird und warum er und seine Schüler sich betrogen fühlen.
Beim Klimagipfel in Paris werden wieder alarmierende Fakten zum rasanten Tempo des globalen Klimawandels präsentiert. Auf lokaler Ebene sind dagegen alle ruhig und gelassen. Die konkreten und schnellen Schritte für effektiven Klimaschutz im Bezirk gehen entweder im Ämterdschungel verloren oder werden erst gar nicht angegangen.
Dabei sind die Säulen eines effektiven Klimaschutzes auf lokaler Ebene relativ klar: Reduktion der Emissionen des motorisierten Individualverkehrs und Wärmedämmung an Gebäuden.
Eine Förderung klimafreundlicher Verkehrsmittel bleibt aber weitgehend unsichtbar im Bezirk. Trotz groß angelegtem Radverkehrsplan auf Berliner Ebene ist die Attraktivität des Fahrradfahrens im Bezirk niedrig. Die meisten Radwege entpuppen sich als bessere Pisten für den Riesenslalom (Onkel-Tom-Straße) oder als Bandscheiben zermahlende Buckelpisten mit ermunternden Warnschildern „Radwegschäden verursachen Rückenschäden“ (Mühlenstraße).
Fahrradfahrer werden in den Verkehr geleitet
Mit Vorliebe werden die Radfahrer - und hier vornehmlich Schüler in direkter Nähe zu ihrer Schule (Nord-GS, Droste-Hülshoff-Gymnasium, Goethe-Gymnasium, Droste-Hülshoff-Gymnasium) - vom Radweg in den fließenden Verkehr geleitet. Wer sich bei diesem Zweikampf als der Stärkere entpuppt, ist offensichtlich.
Als ein Lichtblick - oder aber auch vorwahlkampfinduziertes Ablenkmanöver von desolaten Fahrradwegen im Bezirk - erscheint die Diskussion um die „Fahrradautobahn“ von Zehlendorf zum Potsdamer Platz! Schade nur, dass hier langwierige Verhandlungen mit den Betreibern eines ebenfalls umweltfreundlichen Verkehrsmittels die Realisierung womöglich auf Zeiträume dehnen wird, die charakteristisch für Berliner Großprojekte sind.
Das Markenzeichen des Bezirks wird bei dieser verschleppten Entwicklung wohl eher das weißlackierte Fahrrad mit Grableuchte, abgestellt an den vielen neuralgischen Punkten in Zehlendorf bleiben.
Die bescheidenen Preisgelder für Projekte zum Klimaschutz an Schulen werden dann ausgezahlt und verbaut, wenn die beteiligten Schülerinnen und Schüler längst ihren Abschluss haben. Verhaltensbiologisch sollten jedoch Belohnungen sofort nach der guten Tat erfolgen, das lernen die Schülerinnen und Schüler bereits früh im Biologieunterricht.
Das Umweltamt verspricht seit Jahren die großzügige Vergabe von EU-Mitteln zum Klimaschutz an Schulgebäuden. Doch wenn dann Schulen das Amt umfangreich über dringende energetische Sanierungsprojekte informieren wird es meist nach Rücksprache mit dem Bauamt plötzlich kleinlaut: Die für Schulen zuständige Abteilung für Klimaschutz beim SenBWF tut es dem Umweltamt gleich. 200 000 Euro sollten beispielsweise in ein Lichterfelder Gymnasium zur Sanierung der maroden Fenster fließen.
Politik darf die Jugendlichen nicht frustrieren!
Ein unerklärlicher Sinneswandel ließ diese sinnvolle Maßnahme vom Tisch verschwinden, so schnell, wie sich auch die Vorfreude der Schülerinnen/Schüler, Eltern, Lehrerinnen/Lehrer auf den Geldsegen legte. So sieht pädagogisch wertvoller Klimaschutz aus, der Schüler mitreißt und ihr Vertrauen in die Politik fördert!
Das Argument, alleine die Sensibilisierung der Schüler über Wettbewerbe reiche aus im Kampf gegen den Klimawandel, greift nicht. Entstehen für die Schülerinnen und Schüler keine sichtbaren und spürbaren Konsequenzen aus ihrer Aktivität, fehlt der nachhaltig wirksame Lerneffekt. Lob ist zwar ein pädagogisches Mittel, bei politischen Aktionen reicht es alleine aber nicht aus.
Wie vorausschauend und einsichtig handelten doch da die Politiker der „Energiewende-Partei“ und der „Umweltschutz-Partei“ im Rathaus Zehlendorf, als sie eine neue Stelle schufen, die sich mit der Bekämpfung der Klimawandelfolgen im Bezirk beschäftigt. Die Aussage ist klar: Wir brauchen den Klimagipfel in Paris nicht, wir sind bestens gewappnet für den anstehenden Klimawandel!
Fazit: Wenn der Klimawandel in der prognostizierten, dramatischen Form bevorsteht, darf er nicht durch „heiße Luft“ aus dem Bezirksamt verstärkt werden, sondern sollte mit voller planerischer und finanzieller Kraft in Grenzen gehalten werden.
Der Autor ist Lehrer an einer Schule in Steglitz-Zehlendorf. Der Text erscheint auf dem Tagesspiegel-Zehlendorf, dem digitalen Debatten- und Stadtteilportal aus dem Südwesten.
Stephan Noth