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Imbissstand "Mustafa's Gemüse Kebap" in Berlin-Kreuzberg
© Ingo Salmen

Tarik Kara von Mustafa's Gemüse Kebap: „Für mich ist der Döner eine Brücke zwischen den Menschen“

Beim Projekt „Schalom Aleikum“ setzt sich Kara für den Dialog zwischen Juden und Muslimen ein. In einem Buch erzählt er, wie es dazu kam.

Der Beitrag ist eine Leseprobe aus dem neuen Buch "Impulse geben! Jüdische und muslimische Gründer im Gespräch", das im Rahmen des Projekts "Schalom Aleikum. Jüdisch-muslimischer Dialog" des Zentralrats der Juden im Verlag Hentrich & Hentrich erscheint. Gefördert wird das Projekt durch die Integrationsbeauftragte, Staatsministerin Annette Widmann-Mauz. Dieser Text entstand in Zusammenarbeit mit Adrian Garcia-Landa, camembert communication.

1973 wurde ich in der Türkei in der Kleinstadt Alacam am Schwarzen Meer geboren. Mit sieben Jahren kam ich nach Berlin Kreuzberg, mit meinen Eltern als Sohn türkischer Einwanderer. Da bin ich aufgewachsen. Mit meiner Frau Songül habe ich heute drei Kinder, Berlin-Kreuzberg ist meine Heimat. 

Ich betreibe seit 2005 den Kebab-Stand Mustafa's Gemüse Kebap am Mehringdamm in Kreuzberg. Ich habe das Glück, dass mein Kebab sehr berühmt ist, Gott sei Dank!

Meine Unternehmensidee ist einfach: Ich will den bestmöglichen Kebap machen. Dabei sehe ich mich als Kebapverkäufer und nicht als Unternehmer, der nur auf Zahlen guckt. Ich brauche die Nähe zum Produkt, zu der Zwiebel, der Tomate, zu den Kunden, den Mitarbeitern, damit ich die Qualität halten und verbessern kann. Ich brauche auch die richtige Mannschaft und habe das Glück, ein sehr gutes Team zu haben. Eine Mannschaft ist mir sehr wichtig, denn ich liebe Fußball. Ich habe sehr früh angefangen zu spielen. 

Zum Kebap kam ich 1993, als mein Onkel ein Kebap-Lokal in Eberswalde eröffnete. Ein Türke, Muslim und Döner-Verkäufer, in einer ostdeutschen Kleinstadt kurz nach der Wende, das waren nicht die besten Voraussetzungen. Es ist aber das Gegenteil passiert von dem, was man erwarten könnte. Es war nicht immer einfach, heute kann ich darüber lachen. Auch hat da Fußball geholfen, weil ich im Verein Rixdorfer SV spielte.

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Der Wunsch, den besten Döner zu machen, entstand damals. Ich sage „deutscher Döner“, denn so wie wir ihn hier kennen, gibt es ihn in der Türkei nicht. Er ist eine Mischung aus beiden Kulturen. Er macht keinen Unterschied zwischen Leuten, ich frage meine Kunden nicht, bist Du Moslem, Christ, oder Jude. Für mich ist der Döner eine Brücke zwischen den Menschen, weil Essen verbindet. Und für mich als Muslim sind alle Menschen gleich. 

Das Wohl der Anderen

Deutschland habe ich mir nicht ausgesucht. Ich habe lange gebraucht, um hier anzukommen, denn ich war sehr glücklich in der Türkei. Dort wohnte ich bei meinen Großeltern, die wie meine Eltern waren. Meine echten Eltern brachten mich nach Deutschland, ohne mich zu fragen. Ich hatte deswegen lange eine Wut in mir. Warum macht man einen Menschen unglücklich? Noch dazu einen, der nichts dagegen tun kann. Erst sehr viel später verstand ich, warum meine Eltern ausgewandert sind.

Porträtfoto von Tarik Kara, Gründer von Mustafas Gemüse Döner in Berlin-Kreuzberg.
Tarik Kara.
© Jenny Posener/ Falko Siewert /promo

Heute bin ich sehr froh, in Deutschland zu sein. Um ein Unternehmen aufzubauen ist es ein gutes Land, es gibt Regeln und Verlässlichkeit, die alles einfacher machen. In der Türkei muss man ein Improvisationskünstler sein, weil man sich ständig an neue Regeln anpassen muss.

Mit meinem Unternehmen hatte ich nie Herausforderungen, weil ich Muslim bin. Im Gegenteil, es hat mir geholfen, ich habe immer einen Grundsatz des Islams befolgt: Das Wohl des Anderen ist so wichtig wie dein eigenes. Wenn ich einen Döner verkaufe, muss nicht nur ich zufrieden sein, sondern auch meine Mitarbeiter und insbesondere meine Kunden. Das ist eins meiner wichtigsten Prinzipien. Außerdem ist Religion für mich eine Privatsache, das ist eine Beziehung zwischen Dir und Gott und geht niemanden anderen etwas an.

Im Einklang mit meinem Glauben

Zur Religion habe ich sehr früh gefunden, denn in türkischen Dörfern sind Moscheen vor der Haustür. Als Kind habe ich mit niemand über meine Gefühle gesprochen, nur mit Gott, und das sehr intensiv. Das hat mir sehr geholfen. Diese intensive Beziehung zur Religion habe ich bis heute beibehalten. Alles Größere, das ich mache, muss einen Sinn haben und im Einklang mit meinem Glauben sein. 

In meiner Familie sind viele Mitglieder bis heute meine Vorbilder. Ich bin in einer Tabakgegend geboren, dort war fast jeder Tabakbauer. Mein Großvater, ein sehr mutiger Mann, war einer der ersten, der aus dieser Rolle ausbrach. Er eröffnete einen Lebensmittelladen und später ein Café. Die Frauen meiner Familie, besonders meine Mutter, sind auch Vorbilder. Sie hielten ihre Familien zusammen und waren sehr diszipliniert. Ich erinnere mich bis heute an eine Erzählung über meine Großmutter, die mit Kind auf dem Rücken Felder anbaute, damit es genug zu essen gab. 

Meine Familie hat die Tradition zu helfen. Der Traum meiner Eltern war es, ein Haus für die ganze Familie zu bauen. Deswegen gingen sie auch nach Deutschland, um sich das leisten zu können. Als sie zurückkehrten, haben sie das Haus gebaut. Nach deren Tod habe ich gemeinsam mit meiner Schwester daraus eine Schule für Behinderte gemacht. Damit soll der Traum meiner Eltern weiterleben. Erstaunlicherweise war das Haus so gebaut, dass es sich leicht in eine Schule verwandeln ließ. 

Ich erzähle das, weil Erfolg auch einen Nutzen für andere haben muss. Es reicht mir nicht, wenn es nur einem selbst gut geht.

Religion – der Anfang für Dialog

Der interreligiöse Dialog liegt mir besonders am Herzen, denn es gibt leider Spannungen zwischen Juden und Muslimen. Dass manche Muslime Juden nicht mögen, kann ich nicht verstehen. Wenn ich mit denen rede, stellt sich oft heraus, dass sie gar keinen Juden persönlich kennen. Man muss offen für Begegnungen sein und deswegen halte ich dieses Buch für sehr wertvoll, weil es zu einem gegenseitigen Kennenlernen beitragen kann. 

Ich glaube, dass der erste Schritt entscheidend ist. Aus meiner Sicht wurde er aber noch nicht gemacht. Ja wir müssen mehr auf einander zugehen. Wir müssen aber auch gleichzeitig bei uns anfangen und mehr dafür tun, dass wir als Muslime verstanden werden. 

Für mich kann der Anfang des Dialogs die Religion sein. Nicht nur, indem wir unsere Religion erklären, sondern auch, in dem wir deren Werte, zum Beispiel Toleranz, im Alltag vorleben. Der Dialog muss unter uns Muslimen stattfinden, zwischen Muslimen und Juden, und mit allen anderen. 

Im Geschäftsleben achte ich nicht auf die Religion meiner Partner, oder meiner Kunden. Eins der Reichtümer des Islams ist für mich, dass der Handel zwischen Muslimen und Nicht-Muslimen als sinnvoll gesehen wird. Wie ich es schon gesagt habe, das Wohl des Anderen ist genauso wichtig wie meins, egal, ob es ein Moslem, ein Jude, ein Christ oder was auch immer ist. Es gibt keine Unterschiede zwischen Menschen. 

Religion und den beruflichen Alltag trenne ich nicht, das geht ineinander über. Ich bin nicht privat Muslim und als Unternehmer, oder als Döner-Verkäufer, nicht mehr Muslim. Ich bin in jeder Sekunde meines Lebens Muslim. Es ist wie mit dem Körper, ich frage mich nicht, ob ein Organ wichtiger ist, als das andere. Alle Organe, nicht nur das Herz und das Gehirn, bestimmen zusammen meine Persönlichkeit. Genauso ist es mit meinem Glauben und meinen Handlungen. Beides gehört zusammen. Ich kann meinen Glauben nur durch meine Handlungen ausdrücken, ich muss ihn im Alltag leben. 

Aus der heutigen Perspektive fällt es mir schwer zu sagen, was in 10 Jahren sein wird. Ich möchte ein Mensch sein, der sein Verständnis für andere immer weiterentwickelt und der auch immer leichter geben kann. Ich will auch allmählich Verantwortung abgeben und mehr und mehr unterstützend tätig sein, damit andere ihre beruflichen Ziele erreichen.

Tarik Kara

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