Asylpolitik in Berlin: Flüchtling muss aus Abschiebehaft entlassen werden
Die Asylverfahren der Flüchtlinge vom Oranienplatz wollte Berlin ausdrücklich nicht an sich ziehen. Doch das Landgericht Magdeburg vertritt nun eine andere Rechtsauffassung als Senator Henkel. Deswegen musste ein Flüchtling aus der Abschiebehaft entlassen werden.
Am Mittwoch ist ein Flüchtling aus Mali, dessen Asylverfahren in Sachsen-Anhalt lief und der anderthalb Jahre auf dem Oranienplatz campierte, aus dem Abschiebegewahrsam in Grünau entlassen worden. Das Landgericht in Magdeburg (Sachsen-Anhalt) entschied, dass es keine Gründe mehr für die Haft gebe. Diese hatte die Ausländerbehörde in Börde angeordnet. Sein dortiger Asylantrag war abgelehnt worden, jetzt sollte der Mann nach Italien abgeschoben werden, wo er in die EU eingereist war.
„Berlin hat bei ihm den Anschein erweckt, für ihn zuständig zu sein“, sagte Gerichtssprecher Christian Löffler. Der Mann habe eine Unterkunft und Geldleistungen erhalten und sei von der Berliner Ausländerbehörde zu Gesprächen eingeladen worden. So war es auch in dem Einigungspapier zwischen Senat und Flüchtlingen zur Räumung des Oranienplatzes vereinbart worden. Daraus habe er schließen können, dass sein Verfahren in Berlin läuft, sagte Löffler. Deswegen habe er auch nicht mit einem Abschiebebegehren in Sachsen-Anhalt gerechnet. Gleichzeitig aber habe die Berliner Ausländerbehörde es abgelehnt, das Verfahren aus Sachsen-Anhalt zu übernehmen.
„Das Wirrwarr darf nicht zulasten des Mannes ausgelegt werden“, sagte Löffler. Die Linie von Innensenator Frank Henkel (CDU) war in den vergangenen Monaten stets, dass die hiesige Behörde keine Verfahren an sich ziehen wird. Jetzt gibt es in dem Punkt eine erste gerichtliche Entscheidung. Die Magdeburger Richter stärken damit die Auffassung der Integrationsbeauftragten Monika Lüke, die im Einvernehmen mit Integrationssenatorin Dilek Kolat (SPD) dafür plädiert, dass Berlin sehr wohl Verfahren übernehmen muss. Lüke stützt sich auf ein Gutachten, in dem Juristen der Universität Bremen zu dem Schluss kamen, dass Berlin bereits aufgrund der Schaffung der Fakten – also Gewährung von Unterkunft, Geldleistungen und behördliche Betreuung – zuständig sei. Die Innenverwaltung hielt bisher an ihrer gegenteiligen Rechtsauffassung fest.
Von den rund 550 Flüchtlingen vom Oranienplatz und aus der Gerhart-Hauptmann-Schule hat die Ausländerbehörde bis Mitte vergangener Woche 260 Flüchtlinge zu Terminen eingeladen. Der ersten Aufforderung ist nur ein Drittel der Angeschriebenen gefolgt. In 46 Fällen hat die Ausländerbehörde die Verfahren für geschlossen erklärt, da die Betroffenen auch auf eine zweite Einladung hin nicht erschienen sind. „Wer weder den ersten noch den zweiten Termin wahrnimmt, gibt zu verstehen, dass er an einer Einzelfallprüfung kein Interesse mehr hat“, sagte Innensenator Henkel. Die Sozialverwaltung prüft jetzt, ob diese Menschen noch Anspruch auf Unterkunft und Leistungen zum Lebensunterhalt haben.
In zwei Wochen wird zudem die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) in Friedrichshain-Kreuzberg über den Misstrauensantrag gegen Baustadtrat Hans Panhoff (Grüne) entscheiden. Dieser hatte Anfang Juli eigenständig den Polizeipräsidenten gebeten, die Gerhart-Hauptmann-Schule komplett zu räumen, nachdem sich rund 40 Flüchtlinge – anders als die meisten Bewohner – geweigert hatten, die Schule zu verlassen, und auf dem Dach demonstrierten. Getragen wird der Abwahlantrag von Linken und Piraten in der BVV.
Obwohl es nicht zur kompletten Räumung kam und ein Kompromiss mit den Verbliebenen erzielt wurde, gibt es weiter Ärger um die Schule. Am Wochenende uferte eine Party aus, so dass es Beschwerden wegen des Lärms gab. Außerdem kam es zuvor zu einem Polizeieinsatz, nachdem ein Mann bei einem Streit verletzt worden war. Obwohl das Gebäude nur mit Hausausweisen betreten werden kann und von einem Sicherheitsdienst bewacht wird, waren zwischenzeitlich rund 90 Personen im Haus. „Die Bewohner können Gäste empfangen, wenn sie ihren Hausausweis als Pfand bei den Sicherheitsleuten hinterlegen“, sagte Bezirksamtssprecher Sascha Langenbach. „Wir sagen den Flüchtlingen klar, dass Kooperation von beiden Seiten notwendig ist.“ Zurzeit hielten sich 45 Flüchtlinge in der Schule auf. 30 von ihnen erhalten freiwillige Leistungen des Bezirks analog zum Asylbewerberleistungsgesetz. Ab September müssen sie dafür nachweisen, dass sie mit der Ausländerbehörde in Kontakt getreten sind.
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