Stellenstreit wegen Lichterfelder Weidelandschaft: Eine Frau für 57 Hektar
30 Pferde als Wiesenmäher - so pflegt Anne Loba die Weiden auf dem ehemaligen Militärgelände „Parks Range“. Schon lange - und bisher immer ehrenamtlich. Dass das Amt der Grünen-Stadträtin in Zehlendorf ihr jetzt eine Halbtagsstelle verschaffte, hat Empörung ausgelöst.
Der Frau, um die es hier geht, ist es furchtbar unangenehm, im Mittelpunkt zu stehen. „Ich bin einfach keine Rampensau", sagt Anne Loba und guckt dabei mit leicht geschlossenen Augen in die Ferne.
Es ist Samstagvormittag, und Anne Loba wartet am Tor der Reitergemeinschaft Holderhof auf den Zehlendorf Blog. Dort, wo die Hochhäuser der Thermometersiedlung ausdünnen, zweigt der Landweg von der Réaumurstraße ab. Und hier, hinter einem verwitterten Maschendrahtzaun und einer Reihe baufällig anmutender Baracken, tut sich ein riesiges Gelände auf. Feldwege schlängeln sich durch hügelige, Baum bestandene Weiden, verlieren sich in der Ferne. Die Lichterfelder Weidelandschaft, auf der die Reitgemeinschaft Holderhof ihre Pferde hält, ist insgesamt 57 Hektar groß.
Und eine Frau, Anne Loba, hat hier alles im Griff.
Aber worum geht's eigentlich, warum ist Anne Loba, von der man sagen kann, dass diese Weidelandschaft in gewisser Weise doch ihr Zuhause ist, gerade sehr angefasst? Und was hat das Bezirksamt in Zehlendorf und die Parteien damit zu tun?
Zunächst also zum Mitschreiben und zum besseren Verständnis: Es geht um eine Fläche, ehemaliges Militärgelände, das mittlerweile der Groth-Gruppe gehört. Mit dieser hat das Bezirksamt 2013 vereinbart, dass von den insgesamt rund 110 Hektar etwa 57 Hektar als zusammenhängende Naturlandschaft zu schützen seien. Denn obwohl es sich bei der so genannten „Grünen Mitte“ um eine private Fläche handelt, ist laut Gesetz der Bezirk für den Erhalt von Biotopen und seltenen Tierarten verantwortlich. „Als Zwischenlösung zum Erhalt der Flächen“, wie das Umweltamt Steglitz-Zehlendorf in einer Pressemitteilung vom 16. März 2015 schreibt, hat der Bezirk im Dezember 2014 eine Frau befristet auf ein Jahr eingestellt, die als Halbtagskraft die Pflege der Fläche koordinieren soll. Dafür setzt sie unter anderem die Pferde der Reitgemeinschaft Holderhof als vierbeinige "Weidemäher" ein. Nur tut sie dies schon seit mehr als zwanzig Jahren. Ehrenamtlich. Ende 2014 erst hatten die Behörden offenbar den Wert ihrer Arbeit erkannt und eine Halbtagsstelle geschaffen.
Wer hierher kommt, kann sich kein eigenes Pferd leisten
Aber die Vergabe dieser Stelle hat für Ärger gesorgt, selbst der Bürgermeister sagt, man hätte sie so nicht vergeben dürfen. Von Vetternwirtschaft spricht vor allem die SPD, auch von fragwürdiger, ja, "rechtswidriger Stellenvergabe" durch das Bezirksamt. Und deshalb wird sich die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) an diesem Mittwoch mit dem Thema beschäftigen müssen.
Anne Loba führt an diesem Tag in jägergrüner Funktionsjacke, schwarzer Hose und wasserfesten Stiefeln durch das Gelände. Auf dem Feldweg spiegelt sich in den Pfützen der tief hängende graue Spätwinterhimmel. Vor einer der Backsteinhütten des früheren Wirtschaftshofs Holderhof steht ein Dixi-Klo, und eigentlich ist es offensichtlich, doch ihr ist es wichtig zu betonen: „Bei uns gibt es keine beleuchteten Reitplätze und Reithallen. Die Leute, die hierher zum Reiten kommen, können sich kein eigenes Pferd leisten, müssen dafür aber auch mal ein halbe Stunde auf dem Gelände ein Pferd zum Ausreiten suchen. Da reißen sich nicht viele drum. Wir haben keine Warteschlange.“
Die 55-Jährige kommt gerade vom Graben eines Folienteichs. Und den möchte sie uns nun zeigen. Auf dem Weg dahin kommen wir vorbei an mannshohen Reisighaufen, zwischen Bäumen aufgeschichtet. An einem Zaun lehnen aufgereiht etwa ein Dutzend Rechen, Spaten, Laubbesen, Schaufeln in unterschiedlichen Längen und Größen. Hier wird gearbeitet, alles ist nur kurz liegen gelassen worden.
Anne Loba führt den Zehlendorf Blog an ein ovales Erdloch im Gras: etwa zehn Quadratmeter sind mit dem Spaten ausgestochen, etwa 15 Zentimeter tief in die Erde. Hier soll einer der Folienteiche für Wechselkröten entstehen. „Dafür habe ich erst einen Termin mit der Naturschutzbehörde organisiert, und dann die Ausmessung in einem anderen Termin mit dem Eigentümer vorgenommen. Dann wurden die Umrisse eingegraben, ob längs- oder queroval hängt jeweils vom Boden und der Beschaffenheit des Geländes ab. Und dann habe ich die Kostenvarianten berechnet.“
Das ausgehobene Erdreich ist in zwei Hügeln neben dem künftigen Teich aufgehäuft. „Die Kröten brauchen auch Lebensraum um den Teich herum, damit sie sich verkriechen können.“ Die Wechselkröte sei im Süden Berlins schon sehr selten geworden, habe aber die Folienteiche gut angenommen. Anne Loba schätzt die Population hier auf 50 bis 60 Tiere. Bis nach Ostern habe sie Zeit, dann müssen die Teiche fertig sein, damit die Wechselkröte hier laichen kann. „Die Kröte setzt die Deadline“, sagt sie, und ein Lächeln huscht über ihr Gesicht.
Mit dieser Aufgabe hat sie das Bezirksamt beauftragt. Eine von vielen Aufgaben, die sie hier in der Lichterfelder Weidelandschaft erfüllt. Seit Mitte Dezember 2014 koordiniert die Tiermedizinerin offiziell im Auftrag des Umweltamts die Pflege des ehemaligen Militärgeländes „Parks Range“. Artenschutz und Landschaftspflege auf diesem riesigen Gelände betreibt sie aber schon viel länger.
Seit mehr als 20 Jahren, seit dem Abzug der alliierten Truppen, setzt sie ihre Pferde als „lebende Wiesenmäher“ hier ein. In diesen 20 Jahren hat sie gelernt, auf welche Weise sie die Mobilzäune am besten setzt, damit die biologische Vielfalt erhalten und gefördert wird. Wo der Pferdekot dem Boden vielleicht mehr schadet als nützt und per Hand wieder entfernt werden muss. Wie die Vegetationsentwicklung durch gezielten Gehölzschnitt gelenkt werden kann. Die Arbeit hier, vor allem das Graben, sei schon sehr anstrengend, da brauche man ein Hobby zum Ausgleich. Und so vertieft sie sich seit Jahren nach der Arbeit in Bücher über Landschaftspflege oder besucht Fortbildungen zu diesem Thema. Man müsse die Pflanzen und Tiere hier schon sehr gut kennen, um dem Auftrag nachzukommen, die Fläche naturnah zu pflegen.
Pferde als Landschaftspfleger
So dauere die Entwicklung natürlich länger: Wenn man die Tiere als Landschaftspfleger einsetzt und die Natur „passieren“ lasse. Anne Loba spricht häufig von sich in der dritten Person: „Das ist hier Pflege mit der Hand, eine Person, die auf 57 Hektar allein arbeitet.“
Und trotzdem, sagt sie, sei das Arbeitsteilung. „Die Gehölzlenkung funktioniert mit einer Person, das Gelände pflegen die Pferde.“ Insgesamt dreißig Pferde sind auf dem Gelände im Einsatz als „Weidemäher“. Zwei davon stehen auf der Ganzjahresweide nebenan. Sie kommen im Laufe des Gesprächs zutraulich vorbei und lassen sich streicheln. „Nur mit zahmen Pferden ist eine kleinteilige Lenkung der Beweidung möglich. Das machen die mobilen Zäune möglich.“ So könne sie verhindern, dass einzelne Weiden übermäßig strapaziert würden. Und es befriedige und mache großen Spaß zu sehen, wie das funktioniert.
Aber es sei eine Belastung, dass sie die Pferde besitzen müsse, damit das so funktioniert. Die Pferde müssten auf dem Papier ihre Pferde sein, sie brauche für sich aber kein Pferd zum Reiten. Vor Jahrzehnten habe sie die Pferde für ein Projekt der Freien Universität als Therapiepferde angeschafft und dann mit ihnen vor 25 Jahren die Reitgemeinschaft Holderhof gegründet.
Sie ist Mitte 50 und wohnt bei den Eltern
Sie sagt: „Klar, ist das hier mein Lebenswerk. Aber damit muss ich mich nicht mein ganzes Leben beschäftigen. Und der unsachliche Shitstorm wegen meiner Halbtagsstelle macht mich nun nicht gerade fröhlich. Es wäre nur fair, wenn eine Person hier handeln und auch denken dürfte, und das nicht nur halbtags. Und man kann nicht voraussetzen, dass das ehrenamtlich passiert.“
Das habe sie sich bisher nur leisten können, weil sie immer noch bei den Eltern wohne, alle Wege mit dem Fahrrad zurücklege und auch sonst „kaum Bedürfnisse“ habe. Bis zum Dezember 2014. Seither pflege sie offiziell innerhalb der auf ein Jahr befristeten Halbtagsstelle das Gelände und habe so wenigstens die Möglichkeit, die Reitgemeinschaft ein Jahr länger zu erhalten. Und die Art der Landschaftspflege fortzusetzen, wie sie es mehr als 20 Jahre lang aus eigener Kraft geleistet hat.
Sie sagt: „Ich bin froh, dass der Bezirk die Verantwortung übernommen hat, wie er sie übernommen hat.“ Wenn die Stelle ausläuft und nicht weiter mit ihr zu besetzen ist, könne sie immer noch machen, was sie schon vor der Stellenvergabe Ende 2014 machen wollte: Aufhören und für Geld arbeiten. „Ich werde mich aber immer für das Gelände einsetzen. Ich kenne mich ja gut aus, und dann hätte die Reitgemeinschaft eine reelle Chance, dass sie auch ohne mich klarkommen.“ Nun sei sie Mitte 50, und irgendwann müsse das jemand anders machen. Was das Gelände brauche, sei einen Träger und einen Rancher vor Ort.
Eines der Gatter schwingt auf mit dem Wind, Anne Loba schwingt sich auf ihr Fahrrad. Dort hinten, zeigt sie, wollte sie ohnehin weiter graben.
Die Autorin schreibt für den Tagesspiegel und für Tagesspiegel Zehlendorf, das digitale Stadtteil- und Debattenportal aus dem Berliner Südwesten, auf dem dieser Text erscheint. Folgen Sie Maike Edda Raack auch auf Twitter. Anne Loba wollte nicht mit einem Foto im Internet erscheinen.