FFP2-Masken und OP-Masken: Diese Schutzmaskenhersteller aus Berlin produzieren am laufenden Band
Die jüngsten Beschlüsse der Politik sind ein Segen für Berlins Hersteller höherwertiger Masken. Einige Händler aber sind mit der Lage überfordert
Die Mund-Nasen-Schutzmaske ist ein lästiges Utensil, ein ungeliebtes Accessoire – und doch das wichtigste Alltagsprodukt unserer Zeit. Die Vereinbarung von Kanzlerin und den Länderchefs vom Dienstag, neue Qualitätsstandards für das Maskentragen in der Öffentlichkeit zu setzen, bringt diesen speziellen Markt auch in der Hauptstadtregion durcheinander. Hunderte Manufakturen, die in kleiner Serie Alltagsmasken aus Baumwolle gefertigt hatten, können einpacken. Wer aber Schutzmasken im gehobenen Industriestandard und -maßstab herstellen (oder zumindest importieren) kann, der kann ein riesiges Geschäft erwarten.
Im Reinickendorf, zwischen Ollenhauerstraße und Eichborndamm, steht eine Produktionsstätte, in der wöchentlich 600000 Gesichtsmasken mit dem nun vorgeschriebenen Standard FFP2 hergestellt werden. Sie schützen nicht nur andere, sondern auch ihre Träger selbst vor Infektionen, weil sie beim Einatmen Partikel aus der Luft filtern können. FFP steht für „Filtering Face Piece“ (filterndes Gesichtsstück). Die kleine Fabrik gehört drei Brüdern, die vor sieben Monaten erstmals mit der Frage konfrontiert worden waren, ob sie eine zertifizierte Maskenproduktion aus dem Nichts auf die Beine stellen könnten: Robert, Mataty und Aday Erdinc haben zwar alle offensichtlich ein Unternehmer-Gen in der Erbmasse, mit Masken aber hatten sie bisher nie etwas zu tun.
Matay Erdinc, 41 Jahre, ist gelernter Goldschmied, sein Bruder verdient sein Geld als Steuerfachangestellter, der Dritte im Immobiliensektor. Eigentlich sind sie fünf – eine der Schwestern ist, wie Matay Erdinc, im Edelmetallgewerbe tätig, die andere ist studierte Verwaltungswissenschaftlerin. Inzwischen aber spielt ihre gemeinsame Your Mask GmbH die zentrale Rolle in ihrem Leben. Als sie jetzt die Werkhalle ihrer Produktionsstätte in der Saalmannstraße der CDU-Europa-Abgeordneten Hildegard Bentele (sie ist Mitglied des Gesundheitsausschusses im Europaparlament) präsentierten, deutete nichts mehr darauf hin, dass das noch im März des vergangenen Jahres nichts als eine leer stehende Halle gewesen ist.
„Als mich jemand fragte, ob ich solche Masken herstellen könne, habe ich mich erst einmal erkundigt“, erzählt Matay Erdinc. Zu diesem Zeitpunkt habe es ein so- genanntes Open-House-Verfahren der Bundesregierung gegeben: Wer zu einem Fixpreis zertifizierte Masken produziert, erhält den Auftrag. Aber die Ausschreibung hatte er verpasst, und Maschinen hatte er ja auch noch keine. Doch als er feststellte, dass man auf dem freien Markt Masken kaufen und verkaufen kann, wagte er den Sprung in das Geschäft auch ohne Regierungsauftrag.
Matay Erdinc fand in Berlin einen Maschinenbauer, der ihm die Produktionsanlagen baute. Dann recherchierte er, wo er die Rohstoffe für die Maskenherstellung in Deutschland kaufen konnte – wegen des sicheren Nachschubs für das Material wollte er sich nicht mit ausländischen Lieferanten einlassen. Bevor die Produktion anlief, stellte er einen Qualitätsmanager ein. Im August bekam er die Zertifizierung. Seine Kunden waren von Anfang an Apotheken, Krankenhäuser und andere Unternehmen.
Heute haben die Erdinc-Brüder 40 fest angestellte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, dazu Zeitarbeiter. 600000 Masken stellen sie pro Woche her. Das ist zu steigern, wo diese Masken nun zur Pflichtausrüstung werden, wenn man das Haus verlässt. Ist das nicht ein Wagnis, so aus dem Nichts in eine neue Branche einzusteigen? „Klar“, meint Matay Erdinc, „aber die einzige Ausbildung ist das Leben an sich“.
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Auch am östlichen Ende der Stadt, bei Zühlsdorf, einem Hersteller für Lüftungsanlagen in Marzahn, ist man guter Dinge. Der Ansturm der Besteller hält sich aber noch in Grenzen. Das liegt vermutlich auch daran, dass das Unternehmen seit September vorigen Jahres lediglich OP-Masken produziert. Die beliebten FFP2-Masken gehören nicht zum Sortiment. Dabei zählen OP-Masken auch zu den medizinischen Atemmasken, die in Geschäften und dem Nahverkehr zu tragen sind. Deswegen steigen seit dieser Woche auch bei Zühlsdorf die Verkaufszahlen – vor allem durch Eigenakquisition. „Nach den Beschlüssen der Politik haben wir regionale Partner wie Apotheken, Krankenhäuser und kleine mittelständische Unternehmen angesprochen“, erzählt Projektmanager Björn Demme. „Wir bieten qualitative, zertifizierte Masken vom Typ IIR mit DIN konformen Eigenschaften.“ Deswegen ärgere es ihn, dass der Senat in den vergangenen Monaten vor allem aus China exportiert habe. „Die Lager sind jetzt voll. Dabei könnten wir das Bezirksamt bei mir um die Ecke direkt beliefern. Diesen sind jedoch die Hände gebunden“, sagt Demme. Er habe schon versucht, die zuständige Senatsverwaltung zu erreichen – bisher ohne Erfolg.
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Während einige Hersteller noch auf den großen Reibach warten, profitieren Groß- und Einzelhändler, die die geforderten Masken im Sortiment haben. Beim Tempelhofer Onlinehändler „1.st FUM Smart Solutions Meier & Mannack GbR“ sind die begehrten Modelle teilweise schon ausverkauft. Der auf Mund- und Atemschutzmasken spezialisierte Vertrieb kann sich vor Bestellungen kaum retten: Was geliefert wird, ist am selben Tag noch verkauft. Die Firma besteht seit Mai 2020 und bietet in ihrem Online-Shop zertifizierte Maskenmodelle verschiedener deutscher Hersteller an. Geschäftsführer Walter Mannack arbeitet aktuell von morgens bis abends, um der Nachfrage gerecht zu werden.
„Aufgrund der jüngsten politischen Entscheidungen ist der Bedarf um das 20- bis 30-Fache gestiegen“, sagt Mannack. Den ersten Anstieg habe es im Dezember gegeben, als FFP2-Masken an Risikopatienten verteilt werden sollten. „Da haben die Apotheken unser Telefon gesprengt. Die waren darauf nicht vorbereitet.“ Jetzt kaufen die Kundinnen und Kunden seit einer Woche vor allem FFP2-Masken und OP-Masken. Erstere sind teilweise ausverkauft, für Nachschub ist jedoch schon gesorgt. In den Filialen der großen Drogeriemarktketten dm und Rossmann gibt es auch Verkaufsengpässe. Sowohl im Onlineshop als auch an vielen Standorten in Berlin sind FFP2-Masken oft ausverkauft, die sogenannten OP-Masken aber weiterhin lieferbar. dm-Geschäftsführer Christoph Werner erklärte, die Beschaffung von FFP2-Masken bereits deutschlandweit ausgeweitet zu haben: „Je konkreter und vorausschauender die Anordnungen der Politiker sind, desto besser können wir die Menschen versorgen.“
Das kann Michael Sperling, Geschäftsführer der traditionsreichen Maschinenbaufirma Karl Rabofsky in Mariendorf unterschreiben. Die FFP2-Maskenpflicht für Berlin komme mit „brachialer Gewalt“, sagt er. Schon im Oktober habe er vorsorglich eine zweite Maschine zur Maskenherstellung bestellt, die gerade die Produktion aufnehme. Die Mitarbeiter arbeiteten rund um die Uhr. Neben der Warteschlange vor seinem Werksverkauf in Marienfelde erhalte er aktuell jeden Tag rund 600 Mails und Anrufe. Alle werden beantwortet, verspricht Sperling. Manchmal dauere es allerdings zwei Tage.
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