#WemgehörtBerlin in Charlottenburg-Wilmersdorf: Die Sorge vor dem Ausverkauf der Innenstadt
Wie umgehen mit Geldwäsche im Immobiliensektor, explodierenden Bodenpreisen und fehlenden Mietwohnungen? Ein Veranstaltungsbericht.
Überproportional ansteigende Mieten, exorbitante Bodenpreise und der drohende Verlust der bisherigen Wohnung beschäftigen die Menschen in Charlottenburg-Wilmersdorf. Am Donnerstagabend kamen etwa 140 von ihnen zur Tagesspiegel-Veranstaltung "Wem gehört Charlottenburg-Wilmersdorf" ins Rathaus an der Otto-Suhr-Allee, um unter anderem mit Baustadtrat Oliver Schruoffeneger (Grüne) über Milieuschutz oder sozialen Wohnungsbau zu diskutieren.
Nach Neukölln und Mitte wurde nun zum dritten Mal im Rahmen des gemeinsamen Rechercheprojekts #WemgehörtBerlin von Tagesspiegel und Correctiv in einem der zwölf Bezirke diskutiert. Klar ist: Die Angst, verdrängt zu werden, ist überall groß - und begründet.
Bis zu 40 Euro Miete pro Quadratmeter werde im Bezirk mancherorts schon abgerufen, sagte Klaus Helmerichs von der MieterwerkStadt. Helmerichs ist einer der Mitinitiatoren des Antrags, das Gebiet rund um den Klausenerplatz zum Milieuschutzgebiet zu machen. Den entsprechenden Aufstellungsbeschluss wird das Bezirksamt nun im Dezember fällen, wie Baustadtrat Schruoffeneger am Donnerstag erläuterte.
Hilft Milieuschutz gegen Verdrängung?
Warum dies so lange gedauert hat, ob der Milieuschutz, der unter anderem die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen genehmigungspflichtig macht, wirklich gegen Verdrängung hilft, und ob am besten gleich der ganze Bezirk Milieuschutzgebiet werden solle, darüber wurde, moderiert von Tagesspiegel-Leute-Autor Cay Dobberke, engagiert bis hitzig diskutiert.
Applaus bekam Klaus Helmerichs für seine Forderung, Immobilienfonds stärkeren Regeln zu unterwerfen, "da sonst Häuser immer nur zu Höchstpreisen weiter verkauft werden". Da reiche Milieuschutz nicht aus. Weniger Zustimmung dagegen erhielt Carsten Brückner vom Eigentümerverband "Haus und Grund", der anregte, statt "mehr Regelungen durch Milieuschutzgebiete" lieber "mehr Anreize für Einzelvermieter, Wohnungen zu behalten und zu normalen Preisen zu vermieten", zu schaffen. Jedoch mit Baustadtrat Schruoffeneger könnte Brückner hier zumindest ins Gespräch kommen.
Bündnis mit alteingesessenen Vermietern
Denn Schruoffeneger will als ein Mittel gegen den Mietenirrsinn und nur auf Rendite schielende Großinvestoren auch auf ein "Bündnis von alteingesessenen Vermietern und Gewerbetreibenden gegen die Übernahme der Stadt von außen" setzen. Und dann sagt der Grünen-Politiker: "Ich wundere mich auch, mit wem ich heute konstruktiv rede. Hätte ich in den 80ern auch nicht gedacht." Im Frühjahr will der Bezirk eine Stiftung gründen, um denjenigen Eigentümern eine Anlaufstelle zu bieten, die "zu normalen Preisen verkaufen möchten". "Im Sommer", so der Baustadtrat, soll die Stiftung dann "arbeitsfähig sein".
Jedenfalls bleibt besser kein Ansatz unversucht, die Wohnungsnot zu lindern. Denn, wie Rainer Tietzsch, Vorsitzender des Berliner Mietervereins, ganz deutlich sagt: "In Berlin löst der Neubau das Problem des Mangels an günstigem Wohnraum nicht." In den vergangenen Jahren ist der Preis für Baugrund von 880 Euro pro Quadratmeter laut Schruoffeneger auf 3960 Euro gestiegen: "Da kann niemand mehr sinnvollen Wohnungsbau machen." Die Folge: Mietwohnungen würden so gut wie gar nicht mehr gebaut, Eigentumswohnungen nur zu enorm hohen Preisen verkauft.
Dass aber auch so viele Investoren auf dem Markt bereitstehen, diese enorm hohen Preise zu zahlen, ist Folge der Intransparenz auf dem deutschen Immobilienmarkt und der ausgeprägten Bereitschaft, nicht nach der Herkunft des Geldes zu fragen, mit dem eine Immobilien erworben wird. Schon seit längerem weiß man, dass sich italienische und russische Mafia auf dem deutschen Immobilienmarkt ausbreiten. "Ohne bundesgesetzliche Regelung werden unsere Innenstädte aufgekauft", sagt der Baustadtrat.
"Eigentum verpflichtet auch"
Ein anderer Versuch, in Charlottenburg wieder mehr Wohnraum zu gewinnen, wird gerade mit der AG City diskutiert: Ob beim Bau von Gewerbeflächen, also beispielsweise Büros, künftig auch ein gewisser Prozentsatz an sozialem Wohnungsbau erbracht werden müsse. Auch hier der Versuch, auf den Erhalt der Gemeinschaft und Verantwortungsgefühl zu setzen. Dazu passt dann der Appell einer Zuhörerin ganz gut, die sich in der anschließenden Debatte äußert: "Wir wollen keine Gräben schaffen", sagt die Dame von der MieterwerkStadt. "Aber Eigentum ist nicht nur zu schützen, Eigentum verpflichtet auch."
Mehr zu unserer Debatte gestern Abend im Rathaus sowie zur Wohnungspolitik und zu anderen Themen aus Charlottenburg-Wilmersdorf lesen Sie am heutigen Freitag in unserem Leute-Newsletter aus dem Bezirk, geschrieben von Cay Dobberke. Diesen und andere Newsletter aus den zwölf Berliner Bezirken können Sie hier kostenlos abonnieren: leute.tagesspiegel.de