Polizei ermittelt nach Brand in Berlin-Kreuzberg: Die Cuvrybrache ist leer - Polizei noch vor Ort
Die Besetzung der Cuvrybrache ist nach einer Brandstiftung am Donnerstagabend beendet. Die Bewohner mussten die Kreuzberger Brache verlassen – und dürfen nicht zurück. Die Nacht zu Samstag blieb ruhig.
Der junge Australier will jetzt nur noch seinen Kram holen. Danach will er weg, so schnell wie möglich. Erst mal komme er bei einer Freundin unter, sagt er. Fünfzehn Monate lebte der Australier in einer selbstgezimmerten Hütte auf der Cuvrybrache – nun ist diese Episode seines Lebens vorbei. Zusammen mit ehemaligen Nachbarn wartet er am Freitagmittag vor dem Absperrgitter der Polizei, um seine Habseligkeiten aus der Hütte zu holen. Er trägt zwei Rucksäcke auf der Schulter. Was da nicht reinpasst, muss zurückgelassen werden.
Am Donnerstagabend wurde dem jungen Mann – er nennt sich Jamin, seinen Nachnamen möchte er nicht sagen – ein Foto über Facebook geschickt. „Guck mal, dein Zuhause brennt,“ stand darunter. Jamin war zu diesem Zeitpunkt unterwegs; als er das Foto brennender Hütten sah, von Flammen, die meterhoch in den Nachthimmel schlugen, war ihm eines sofort klar: „Das könnte der Anfang vom Ende sein.“ Der Anfang vom Ende der Besetzung der Cuvrybrache. Jamin sollte recht behalten.
Das Feuer war laut Polizei gegen 21 Uhr in der südwestlichen Ecke des Geländes gelegt worden. Vorher waren zwei Bewohnergruppen aneinandergeraten: Auf der einen Seite zwei junge Westafrikaner – einer 25 Jahre, der andere 31 Jahre alt –, auf der anderen Seite fünf Polen und Esten im Alter zwischen 21 und 45 Jahren. Was den Streit auslöste, ist unklar – die Osteuropäer ließen sich aber hinterher zu einer schweren Straftat hinreißen.
Bewohner flüchten vor den Flammen
Nachdem sich die Afrikaner in eine Hütte zurückgezogen hatten, setzten die Osteuropäer die Unterkunft in Brand. Die Flammen griffen sofort auf die umstehenden Behausungen über; schließlich stand eine Fläche von 300 Quadratmetern in Flammen. Anwohner bemerkten den Brand und riefen die Feuerwehr. Die Afrikaner brachten sich in letzter Minute in Sicherheit; laut Polizei mindestens drei, nach anderen Angaben sogar vier bis fünf Hütten brannten vollständig aus. Die Bewohner der Cuvrybrache flüchteten auf die Straße, nur weg von den Flammen – einige in Bademantel und Duschschlappen. Zu diesem Zeitpunkt wussten sie noch nicht, dass sie die Nacht auf offener Straße verbringen würden.
Der Brand wurde schnell gelöscht, die Osteuropäer wurden festgenommen. Die Polizei sperrte das gesamte Areal als Tatort ab. Zunächst übernahm die 4. Mordkommission die Ermittlungen wegen schwerer Brandstiftung und Verdachts auf versuchten Mord. Der Mordverdacht bestätigte sich nicht; die Mordkommission übergab den Fall schon am Freitagmittag an ein Brandkommissariat. Die Opfer kamen unverletzt davon; einer der mutmaßlichen Täter musste eine leichte Brandwunde behandeln lassen.
Am Freitagmorgen waren nur noch Polizisten auf dem Gelände, die Bewohner der Brache hatten die Nacht außerhalb, in Hauseingängen oder auf dem Bürgersteig verbracht. Schon lange lagen sie im Streit mit dem Eigentümer Artur Süsskind; dieser will bekanntlich Luxuswohnungen bauen. Doch den Obdachlosen und Lebenskünstlern gelang es durch ihre Anwesenheit, die Pläne des Investors zu durchkreuzen. Schon lange stand die Räumung des Geländes im Raum; nun hatte sich das Problem quasi von selbst erledigt.
Nur etwa 70 Aktivisten bei Demo
Gegen 11 Uhr am Freitagvormittag teilte die Polizei mit, man habe das leere Gelände an den Eigentümer übergeben – kurz darauf waren private Sicherheitsleute vor Ort, um eine Neubesetzung der Brache zu verhindern. Der Haupt- und sämtliche Nebeneingänge wurden mit Baugittern verrammelt. Süsskind hatte einen Vertreter nach Kreuzberg geschickt – dieser war jedoch nicht zu einer Stellungnahme bereit. Laut Hakan Tas von der Linken habe der Vertreter aber „ausdrücklich klargemacht, dass niemand mehr auf das Gelände darf.“ Tas hatte sich wie der Kreuzberger Ordnungsstadtrat Peter Beckers vor Ort ein Bild gemacht.
Nachdem die Nachricht über die Entwicklungen im Internet verbreitet worden war, sammelten sich im Laufe des Vormittags einige Dutzend Flüchtlingsaktivisten an der Brache. Auf einer Kundgebung gegen die Flüchtlingspolitik der Regierung vor dem Bundesrat riefen Redner dazu auf, den Protest nach Kreuzberg zu verlagern. Die Schlesische Straße wurde vorübergehend von der Polizei gesperrt; zwischen Skalitzer Straße und Taborstraße ging bis 14 Uhr nichts mehr – laut Polizei eine Vorsichtsmaßnahme. 170 Beamte waren vor Ort – und standen dann doch am Nachmittag weitgehend beschäftigungslos herum. Nur langsam trudelten Aktivisten ein, mischten sich unter die Bewohner oder verwickelten die Polizisten in Gespräche über die Flüchtlingspolitik des Senats. Gegen 18 Uhr demonstrierten dann rund 70 Aktivisten kurze Zeit vor den Absperrungen. Laut Polizei blieb „alles friedlich“. Auch am Samstagmorgen sind laut Polizeisprecher noch Beamte vor Ort, es blieb aber ruhig in der Nacht.