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Alles im Angebot in der Ladenstraße. Nur ein Fleischer fehlt
© Christian Böhme

Geschäftswelt am U-Bahnhof Onkel-Toms-Hütte: Braucht die Ladenstraße neuen Charme?

Die Ladenstraße am U-Bahnhof Onkel-Toms-Hütte in Zehlendorf steht unter Denkmalschutz. Ist sie auch zukunftsfähig? Unser Autor hat sich für den Zehlendorf Blog ein Bild gemacht und findet: Sie bleibt etwas Besonderes.

Die Ladenstraße ist etwas Besonderes. Und das seit mehr als 80 Jahren. Denn ihr Konzept ist so einfach wie überzeugend: eine kleine Geschäftswelt mit Gleisanschluss. Man steigt am U-Bahnhof Onkel-Toms-Hütte einfach aus dem Zug der Linie 3, geht ein paar Stufen hinauf – und steht eine Minute später zum Beispiel im Reformhaus. Oder in der Änderungsschneiderei. Oder in der Confiserie. Oder in der Buchhandlung. Oder beim Friseur. Oder im Reisebüro.

Mehr als zwei Dutzend Geschäfte beherbergt die Ladenstraße. Überwiegend bieten dort Einzelhändler ihre Waren an. Vieles kann man dort kaufen. Aber eben nicht alles. Zum Beispiel fehlt ein Fleischer. Zudem gibt es unübersehbar Leerstand. Zum Teil seit Jahren. Und irgendwie beschleicht einen beim Bummeln unter den zahlreichen Werbeschildern das ungute Gefühl, dass dieser auch architektonisch besondere Ort (siehe Zusatz am Ende) schon bessere Zeiten gesehen hat. Zeiten, in denen die Bewohner der umgebenden Reihenhaussiedlungen ihren Alltagsbedarf zumindest in großen Teilen decken konnten. Zeiten, in denen von diesem Konzept Kunden wie Händler profitierten.

Nun wäre es allerdings arg übertrieben, die Ladenspassage zum Auslaufmodell zu erklären. Das ist zwar in den vergangenen Jahren schon häufig geschehen – doch die zumeist recht kleinen Geschäfte (abgesehen von einem mehr Platz einnehmenden Aldi und einen Nahkauf) gibt es immer noch. Nur: Wo man früher Nähzeug und frische Eier kaufen konnte, hoffen heute beispielsweise ein Asia-Imbiss oder eine kleine Pizzeria auf hungrige Kundschaft. Nichts gegen Asia-Imbisse, geschweige denn gegen Pizzerien. Aber sie scheinen dem typischen Ladenstraßen-Charme zu widersprechen. Und zur tagtäglichen Nahversorgung tragen sie auch nicht gerade bei. Es sei denn, man stellt seine Essgewohnheiten grundlegend um.

Der Autor Christian Böhme arbeitet für den Tagesspiegel. Er lebt mit seiner Familie in Zehlendorf.
Der Autor Christian Böhme arbeitet für den Tagesspiegel. Er lebt mit seiner Familie in Zehlendorf.
© privat

Allerdings hilft naive Nostalgie wohl kaum weiter, um die Ladenstraße (Eigenwerbung: „Zum rauf und runter shoppen“) wieder mit mehr Leben, sprich: Kunden und Händlern, zu füllen. An (zu) hohen Mieten liegt es dem Vernehmen nach eher nicht, dass einige Geschäfte leer stehen. Problematischer ist da offenbar der Zuschnitt der Räumlichkeiten. Viel Platz bieten sie nämlich nicht, um die Ware zu präsentieren. Alfred Schäfflers Elektroladen etwa, der mit seiner mehr als siebzigjährigen Vergangenheit zu den Urgesteinen im U-Bahnhof Onkel-Toms-Hütte gehört, ist vollgestopft mit Lampen, Staubsaugern und anderen Artikeln. Was allerdings einen großen Vorteil hat: Man bekommt so ziemlich alles. „Das Geschäft läuft zufriedenstellend“, sagt Mitinhaberin Verena Charnow.

Zusammen mit ihrem Mann Bernd gehört sie zu denjenigen, die versuchen, die Ladenstraße mithilfe verschiedener Aktionen wie Kinderfesten und Adventsveranstaltungen attraktiver zu machen – um mehr Kunden anzulocken, vor allem etwas jüngere. Viele ältere Menschen in der unmittelbaren Umgebung kämen zwar immer wieder in ihr Geschäft, weil sie den Service inklusive individueller Betreuung schätzten, betont Verena Charnow. Aber mit Blick auf die Zukunft der Ladenstraße wären Familien, die hier einkaufen, durchaus von Vorteil.

Und dann gibt es da noch verschiedene Initiativen, die sich auch um die Ladenstraße kümmern. Da ist einmal die "Nachbarschaftsinitiative Papageiensiedlung" zu deren Projekten etwa "Zukunftskiez Onkel-Toms-Hütte" gehört. Die Nachbarschaftsinitiative will nach eigenem Bekunden "gemeinsam neue Ideen für Wirtschaft und Arbeit, für Angebote und Dienstleistungen entwickeln, die Menschen und Umwelt gerecht werden." Die Ladenstraße spielt dabei eine besondere Rolle, deshalb gibt es für den "Zukunftskiez Onkel-Toms-Hütte" eine eigene Internetseite, auf der man sich über die Projekte und Vorstellungen informieren kann.

Ein Plan der Zukunft ist ein Wochenmarkt, dessen Stände vor dem Eingang zur U-Bahn Platz finden sollen. Eigentlich sollte es bald losgehen. Alles war vorbereitet. Doch einige Monate wird es nun doch noch dauern. Die BVG hat vor kurzem große Container aufgestellt. Sie will bis zum Ende des Jahres einen Fahrstuhl im Gebäude einbauen. Der Wochenmarkt lässt also auf sich warten. Die Züge der Linie 3 halten allerdings weiter Onkel-Toms-Hütte. Und die Ladenstraße, diese kleine Geschäftswelt mit Gleisanschluss, bleibt, was sie seit 80 Jahren ist – etwas Besonderes.

Kleine Geschichtskunde

Der U-Bahnhof Onkel-Toms-Hütte mit den beiden von Alfred Grenander entworfenen Kopfgebäuden ging, wie die ganze Linie Richtung Krumme Lanke, 1929 in Betrieb. Die Eröffnung der Einkaufspassagen im Norden und Süden nach den Plänen von Otto Salvisberg erfolgte drei Jahre später. Die Ladenzeilen bestanden damals aus annähernd gleich großen Geschäften sowie gleich gestalteten Fronten und Türen. Sie dienten inklusive Kino als Versorgungszentrum für die umliegenden Wohnhäuser, unter anderem für eine von Bruno Taut entworfene Großsiedlung. Nach dem Krieg zäunte die US-Armee die Ladenstraße ein. Bis Dezember 1946 dürfte sie nur von Mitgliedern des Militärs und deren deutschen Zivilangestellten betreten werden. Die Geschäftsleute wichen auf Provisorien in der Umgebung aus – unter anderem nutzten sie Garagen und Bretterbuden, die sogar auf der Argentinischen Allee standen. Heute steht das gesamte Ensemble – Bahnhof und Ladenstraße – unter Denkmalschutz.

Der Autor arbeitet in der Politikredaktion des Tagesspiegels und lebt in Zehlendorf. Der Text erscheint auf dem Zehlendorf Blog, dem Online-Magazin des Tagesspiegels.

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