Volker Schlöndorff über Zehlendorf und die Pfaueninsel: „Bloß keine Blumen pflücken!“
Schon als er das erste Mal nach Zehlendorf kam, verliebte sich Regisseur Volker Schlöndorff in die Pfaueninsel. Ein Spaziergang mit dem Oscar-Preisträger.
Unprätentiöser Auftritt
Volker Schlöndorff hat es nicht weit zur Pfaueninsel, sein Haus steht am Griebnitzsee. Zum Treffpunkt an der Fähre kommt der Regisseur – weiße Hose, weißes Hemd – entspannt mit dem Rad. „Zu Fuß hätte es zu lange gedauert“, sagt der 74-Jährige und lacht. Fit ist er, läuft seit 14 Jahren Marathon.
Schlöndorff hat die Pfaueninsel ausgewählt, um im Zehlendorf-Blog zu erzählen, warum er den Berliner Südwesten und vor allem die Gegend um die Havel in Nikolskoe so wunderbar findet. Er erkennt sofort die Videoreporterin wieder: Während der Dreharbeiten zum Kinofilm „Das Meer am Morgen“ 2011 in Paris hatte Nele Pasch bei Schlöndorff hospitiert, er gibt ihr prompt ein paar Tipps: „Wichtig sind immer die Zwischenschnitte!“
So weit weg von der Großstadt
Zehlendorf war für den Regisseur „der erste Punkt in Berlin“, als er vor 22 Jahren aus New York kam, um die Filmstudios in Babelsberg neu zu beleben. Nach einer Wohnungssuche in Wannsee habe er zufällig noch die Pfaueninsel entdeckt: „Dieses Gelände, diese Insel, das viele Wasser, der Wald – das war so weit weg von der Großstadt. Nirgends auf der Welt können Sie das in Wohnnähe bekommen.“
Am Inselufer sitzt ein Pfau lässig auf einem Geländer. „Jetzt muss er nur noch Rad schlagen.“ Schlöndorff mag die großen Vögel, findet sogar deren Schreie „irgendwie wunderbar“, weiß nur leider nicht, ob die Männchen oder die Weibchen die schönen Schwanzfedern haben. Er tippt auf die ersteren: „Im Tierreich wie bei den Menschen sind es die Frauen, die die Wahl treffen. Deshalb müssen wir uns schön machen.“ Schmunzelnd streicht er sich über die Glatze.
Schlöndorff kann auf dem Lageplan („Ist das nicht liebevoll gemacht!“) schnell die zentralen Orte zeigen, die Schiffshalle, die Meierei, die diesmal nicht besucht werden, schließlich die Schlossruine. Der Weg führt an gepflegten Rabatten vorbei, wie bei Schlöndorffs ersten Besuchen: „Bloß keine Blumen pflücken, musste ich meiner Tochter beibringen.“ Das Schloss erinnert ihn auch an ein Benefizkonzert der Berliner Philharmoniker im Sommer 2001: Barbara Monheims deutsch-polnischer Verein für Osteuropa hatte damit Geld für Straßenkinder in Kiew gesammelt und Schlöndorff deren schweres Leben in einem Film dokumentiert. Bis heute konnten, wie er sagt, drei Heime gebaut werden.
Die romantische Ruinenarchitektur des kleinen weißen Lustschlosses belustigt ihn: „Nur Disneyland und Neuschwanstein sind schöner.“ Und die ganze Insel biete „lauter Heimatfilm-Motive“.
Schöne Kindheitserinnerungen für die Tochter
Aber nicht nur deshalb habe er „plötzlich noch einmal neue Heimatgefühle entwickelt“, sagt der Regisseur. Aufgewachsen sei er im Taunus, dann zehn Jahre Paris, 20 Jahre München, die Toskana, die USA – und „nun endet das Ganze in Zehlendorf, warum nicht. Keine schlechte Adresse, ich fühle mich jedenfalls sehr wohl.“
Die Gegend schien ihm auch ideal für seine damals drei Monate alte Tochter: „Was wird die mal für schöne Kindheitserinnerungen haben“, dachte er sich. Er wanderte und radelte mit ihr durch den Wald und wich dabei Wildschweinen aus. Ein paar Jahre später lernte die Tochter in den kleinen Buchten am Havelufer das Schwimmen, Volker Schlöndorff badet dort bis heute gerne.
Er wohnt nicht mehr in Wannsee, ein Haus am Griebnitzsee erschien ihm dann noch verlockender. Aber er will der Gegend um die Pfaueninsel verbunden bleiben – über sein Leben hinaus. Schlöndorff deutet hinüber nach Nikolskoe und sagt ganz unbefangen, dort drüben, im Wirtshaus Moorlake, werde es einmal nach seinem Tod den „Leichenschmaus“ geben. Und die Aussegnung davor in der Sacrower Kirche. „Das habe ich schon festgelegt.“ In dem Restaurant habe seine Familie schon die Erstkommunion der Tochter gefeiert.
Wieder ein Kriegsfilm
In diesen Tagen dreht der Regisseur in Paris seinen nächsten Kinofilm „Diplomatie“ . Es werde „leider wieder ein Weltkriegsfilm“. Aber er ist überzeugt vom starken Thema: die geplante und dann verhinderte Zerstörung von Paris gegen Ende der nationalsozialistischen Besatzungszeit. „Der Wahnsinn kennt keine Grenzen“, sagt Schlöndorff, Hitler habe die Stadt dem Erdboden gleichmachen wollen. Der Film handelt von rettenden Gesprächen des schwedischen Konsuls mit dem deutschen Stadtkommandanten.
Das beste Studio Europas?
Die Medienstadt Babelsberg liegt ihm weiter am Herzen, etwa als Vorsitzender des Vereins Europäisches Filmzentrum Babelsberg (EFB). Von 1992 bis 1997 war er Geschäftsführer des Studios Babelsberg, das er heute als Erfolgsgeschichte sieht: „Es ist das am besten funktionierende Filmstudio in Europa geworden.“
Nur: „Als wir angefangen haben, hatte ich immer gehofft, dass wir dort kein Fernsehen, sondern richtig großen Kinofilm machen – natürlich europäischen Kinofilm, aber mit amerikanischen Dimensionen. Das ist uns nicht gelungen.“ Dafür aber „sind jetzt die internationalen Produktionen und auch die Amerikaner da“.
So beliebt sei der der Standort nicht immer gewesen, sagt Schlöndorff, eine Zeitlang „sah es so aus, als wenn der ganze Einsatz umsonst gewesen wäre“. Jetzt sei er froh, ganz in der Nähe des Studios zu wohnen: „Ich habe es im Rücken und kann mir sagen: Es war nicht umsonst.“
Fähre zur Pfaueninsel täglich von 9 bis 19 Uhr (3/2,50 Euro).
Der Autor ist Reporter im Tagesspiegel-Ressort Berlin-Brandenburg. Der Text erscheint auf dem Zehlendorf Blog, dem Online-Magazin des Tagesspiegels.
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