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Burkhard Zimmermann, Vorsitzender der SPD Dahlem, will "nicht rummeckern" über die Luxussiedlung "Fünf Morgen Dahlem Urban Village" - einem Wohngebiet mit Apartments, Villen, Penthouses und künstlichem See - aber er macht sich schon Sorgen um die soziale Mischung. Er befürchtet immer mehr geschlossene Wohnanlagen. Einst sorgten die Amerikaner, nach seiner Ansicht, für "Lockerheit" in diesem "stur-konservativen Milieu" von Dahlem.
© Thilo Rückeis

25 Jahre Deutsche Einheit (13): Berliner US-Kiez wird zum Luxusquartier

Die Militärpolizei überwachte hier einst Tempo 30, geshoppt wurde im PX-Supermarkt: Das Areal um die Truman Plaza in Berlin-Dahlem, wird umgekrempelt – manche sehen das mit gemischten Gefühlen.

Allein sein Aussehen könnte ein Statement sein. Er muss nur dastehen, schon hätte man eine gute Schlagzeile dank seines weißen Rauschebarts und des zotteligen Haars. Sagen wir: „Dahlemer Karl Marx besucht Luxussiedlung.“

Er schmunzelt nur und sagt: „Nee, lassen wir mal.“

Truman Plaza gibt's nicht mehr, nur Fünf Morgen

An diesem Morgen auf dem Gelände der alten Truman Plaza in Zehlendorf, gelegen zwischen Clayallee, Hüttenweg, Marshallstraße und Argentinischer Allee. Wo einst das Deutsch-Amerikanische Volksfest gefeiert wurde, spiegeln sich die Sonnenstrahlen im 6700 Quadratmeter großen, künstlich angelegten See. Drum herum stehen weiße Townhouses mit rostfarbenen Balkonen. Nur der ferne Baulärm und die Kräne am anderen Ende des Platzes stören das Idyll. Noch ist dieser neue Zehlendorfer Kiez nicht ganz fertig, auch wenn die ersten Bewohner eingezogen und die Gewerbe längst eröffnet sind: Supermarkt, Fitnesscenter, Bäcker, Café, Ärztehaus.

Burkhard Zimmermann, der Mann mit dem weißen Bart und den sanften grünen Augen im freien Teil seines Gesichts, ist in das „Wiener Café“ an der Clayallee gekommen, um über die Truma Plaza zu reden. Direkt vor der Haustür fängt die neue Siedlung an. Zimmermann ist ein linker und engagierter Sozialdemokrat, seit 30 Jahren Vorsitzender der Dahlemer SPD. Aber eines wird er jetzt ganz bestimmt nicht tun: diesen Ort verdammen. Was er aber sagt, weil er sich hier auskennt, weil er hier seine Jugend und den größten Teil seines nunmehr 65-jährigen Lebens verbracht hat: „Die neuen Bewohner werden diesen Kiez verändern.“ Er lächelt wieder und fügt hinzu: „Fragt sich halt nur, wie…“

25 Jahre nach der Deutschen Wiedervereinigung erlebt der Berliner Südwesten einen Bau-Boom. Aber nirgendwo ist die Zeitenwende so gut zu sehen wie rund um die alte Truman Plaza. Allein die Namen der Entwicklungsprojekte sagen etwas aus über ihren Charakter: „Dahlem Paradise“, „Fünf Morgen – Dahlem Urban Village“, „The Metropolitan Gardens“. Hört sich nicht wirklich nach sozialem Wohnungsbau an. Und ist es natürlich auch nicht. Burkhard Zimmermann sagt: „Alles, was hier neu entsteht, ist teuer bis sehr teuer.“ Auch diesen Satz will er nicht als Grundsatzkritik verstanden wissen, sondern als Zustandsbeschreibung. Zwischen den Zeilen aber ist die Sorge vor einem Auseinanderdriften der sozialen Schichten versteckt – und die vor dem Ende sozialer Durchmischung, die selbst einen Ort wie Zehlendorf ausgemacht hat. Zimmermann wohnt wegen der günstigeren Miete schon längst in Wilmersdorf.

Beliebt bei Jung und Alt war das traditionelle Deutsch-Amerikanische Volksfest auf der Truman Plaza.
Beliebt bei Jung und Alt war das traditionelle Deutsch-Amerikanische Volksfest auf der Truman Plaza.
© Imago

Die alten Zeiten sind auch hier schon lange vorbei. Aber man muss sich an sie erinnern, um zu verstehen, welchen Charakter dieser einst von der US-Army geprägte Ort einmal besaß. Zimmermann denkt gerne an die Amerikaner, vor allem daran, „dass sie sehr viele Kinder hatten und sehr kinderfreundlich waren“. Das hat ihm imponiert. Die Truman Plaza, benannt nach dem früheren US-Präsidenten Harry S. Truman, war US-Kerngebiet, die Infrastruktur angelegt wie eine Stadt in der Stadt. Mittelpunkt war der riesige PX-Supermarkt („Post-Exchange“), in dem die Soldaten steuerfrei einkaufen konnten, dahinter die Buszentrale, außerdem: der Jugendklub. Das Cole Sports Center mit dem Basketballfeld und der Bowlingbahn. Die CIA am Hüttenweg. Das alte Hauptquartier samt Militärgefängnis auf der anderen Seite der Clayallee, wo heute nur noch das Konsulat steht. Das Kino Outpost. Der Radiosender AFN. Und so vieles mehr.

Idyll mit Kran. Die Quadratmeterpreise für die Wohnungen und Häuser auf dem Areal beginnen bei 4000 und gehen bis 6000 Euro.
Idyll mit Kran. Die Quadratmeterpreise für die Wohnungen und Häuser auf dem Areal beginnen bei 4000 und gehen bis 6000 Euro.
© Thilo Rückeis

Später, als die Amerikaner weg waren, durften viele Einrichtungen nicht benutzt werden. Zimmermann muss schon wieder lachen: „Die Bowlingbahn und die Basketballkörbe entsprachen nicht den deutschen Tüv-Vorschriften.“ Am meisten aber vermisste Zimmermann diese „Lockerheit der Amerikaner in einem immer sehr stur-konservativen Milieu“. Ein Beispiel für diese Sturheit war der Widerstand gegen die heute sehr beliebte Wilma-Rudolph-Schule, die aus der amerikanischen High-School hervorgegangen war. „Sie wurde vom Bezirk bekämpft, weil man hier keine Gesamtschule wollte.“

Das Deutsch-Amerikanische Volksfest war beliebt

Zimmermann erinnert sich aber auch an die eher unheimlichen Seiten dieser Gegend: In der Tempo-30-Zone etwa fuhr man keinen Kilometer schneller, denn sonst, sagt Zimmermann, „war die MP zur Stelle“, die Militärpolizei. Nach der Wende und dem Abzug der Alliierten tat sich lange nichts, viele Gebäude wurden abgerissen, und der Rest der Truman Plaza verkam zur Brache, nur einmal im Jahr genutzt für das Deutsch-Amerikanische Volksfest. Bis die Investoren kamen. Burkhard Zimmermann, der seit mehr als 30 Jahren Jugendfahrten mit den Falken und dem Kinderring veranstaltet und für diese Arbeit mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet wurde, sagt: „Wenn ich meine Leute frage, dann finden viele das auch schön, was hier entsteht.“

Dieses Urteil wiederum gefiele vermutlich zwei Leuten, die die Truman Plaza verwandelt haben: dem Ehepaar Giovanna und Ludwig-Maximilian Stefanel-Stoffel, die den Platz mit ihrem Projektentwicklungsunternehmen bebaut haben. Der Quadratmeterpreis der Wohnungen und Häuser, die hier hinter dem Gewerbestreifen entstehen, liegt zwischen 4000 und 6000 Euro. Ludwig-Maximilian Stoffel sagte dem Tagesspiegel vor zwei Jahren zum Thema Luxus: „Berlin ist noch nicht daran gewöhnt. Wir sind am Beginn einer Entwicklung. Unsere Projekte, die wir gebaut haben, sind keine Luxusprojekte. In Berlin galten vor fünf Jahren Preise von 3000 Euro pro Quadratmeter als Luxus. In anderen Städten würde man bei solchen Preisen niemals über Luxus reden…“

Truman Plaza gibts nicht mehr...
Truman Plaza gibts nicht mehr...
© Imago

Giovanna Stefanel, Tochter des Gründers des bekannten Modehauses, formulierte ihre Vision als Artdirektorin für „Fünf Morgen“ einmal so: „Wir wollen ein Stück Dorf in der Stadt kreieren, das ist die Philosophie ... Wir wollen den Menschen schon einen Luxus geben: Und zwar die Zeit. Sie leben dort in einer friedlichen Umgebung mit kurzen Wegen für Einkäufe, Freizeit, Fitness. Für alle diese Bedürfnisse ist dort gesorgt, ein Fitnesscenter, der See, die Geschäfte. Gerade für eine Frau wird das Leben dort schön. Außerdem wollen wir eine warme, schöne Architektur. Und ich denke, wir werden das wirklich schaffen. Eine eigene Community.“

Zimmermann hofft auf jüngere, lockere Anwohner

Eine eigene Community – das ist im Prinzip das, was Burkhard Zimmermann eher fürchtet. Er sagt: „Die Abgeschlossenheit erfüllt womöglich ein Bedürfnis, für die Entwicklung eines Kiezes ist sie eher hinderlich.“ Er hat den Eindruck, dass gerade die neuen Bewohner besonders abgeschottet sein wollen. Der 64-jährige Zimmermann weigert sich aber „nur rumzumeckern“ und hofft darauf, dass es ja auch gut ausgehen könnte für diesen Ort, wenn im besten Fall die neuen Bewohner Zehlendorf nicht nur jünger, sondern auch ein wenig „lockerer“ machen – so wie einst die Amerikaner.

Der Autor ist Redakteur für besondere Aufgaben im Tagesspiegel und hat das digitale Stadtteilportal Tagesspiegel-Zehlendorf konzipiert. Folgen Sie Armin Lehmann auch auf Twitter.

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