BVV-Wahl: Gerald Bader, Linke Steglitz-Zehlendorf: „Abgabe der Seniorenwohnungen ist skandalös“
Heute starten wir eine kleine Serie: Jede Woche stellen wir acht Fragen an einen von sieben Spitzenkandidaten zur Wahl zur Bezirksverordnetenversammlung am 18. September. Los geht’s mit Gerald Bader, Linke.
Gerald Bader ist 48 Jahre alt und wohnt schon seit seiner Kindheit in Wannsee. Er studierte Sozialpädagogik an der Freien Universität (FU) Berlin in Dahlem, war lange Zeit in der aufsuchenden Sozialarbeit tätig, lernte dabei Menschen in verschiedenen Lebenssituationen und aller Altersstufen mit ihren Sorgen kennen, wie er sagt. Später arbeitete er mit behinderten Menschen und auch als Heilpraktiker. Im Moment ist er wieder in der Sozialarbeit tätig; konkret in der Förderung von Kindern und Jugendlichen. Das krasse Missverhältnis zwischen Anspruch und Wirklichkeit in der Pflege und Betreuung habe ihm den Anstoß gegeben, sich bei der Linken zu engagieren, mehr soziale Gerechtigkeit einzufordern. Seine politischen Schwerpunkte: die Sozial-, Jugend- und Gesundheitspolitik. Gerald Bader ist der Vorsitzende der Linken in Steglitz-Zehlendorf.
1. Es gibt etwa 100 offene Stellen in der Verwaltung des Bezirksamtes Steglitz-Zehlendorf: Was würden Sie unternehmen, um das Bezirksamt (BA) als Arbeitgeber attraktiver zu gestalten und qualifizierte Arbeitskräfte zu gewinnen?
Für mich ist immer entscheidend, vom tatsächlichen Personalbedarf auszugehen, statt abstrakte Zielzahlen zu postulieren. Ich setze mich für eine sofortige Einstellungs-und Ausbildungsoffensive ein, denn bis 2025 wird die Hälfte der Beschäftigten der Berliner Verwaltung allein aus Altersgründen ausscheiden. Dass heißt: jährlich sind in Berlin bis zu 5.000 Stellen neu zu besetzen. Ich finde, dass die Befristung der Beschäftigungsverhältnisse im Öffentlichen Dienst abgeschafft werden muss. Es braucht eine wertschätzende und nachhaltige Tarif- und Besoldungsstruktur, damit auch unser Bezirk im Wettbewerb mit anderen Verwaltungen mithalten kann! Außerdem würden familienfreundlichere Arbeitszeiten und Betriebskindertagesstätten eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie ermöglichen.
2. Badestelle und/oder Hundebadestelle: Wie sieht Ihre Lösung für das friedvolle Miteinander von Hundebesitzern, Hunden und Nichthundebesitzern an den Seen im Bezirk aus?
Das Hundeverbot an Schlachtensee und Krummer Lanke ohne Bürger- und Anwohnerbeteiligung zu erlassen, war aus meiner Sicht ein überhastetes, falsches Vorgehen der grünen Stadträtin. Weder die erste Verbotsinitiative noch die erneute saisonale Verbotsregelung hat rechtlichen Überprüfungen Stand gehalten. Ein Mediationsprozess von Anfang an wäre aus Sicht der Linken hilfreicher gewesen, um die Interessen der verschiedenen Nutzergruppen zusammen zu bringen. Denn nur eine für alle als sinnvoll erachtete Regelung findet bei den Menschen Akzeptanz. Dafür ist es nicht zu spät! Statt eines erneuten Verbotes auf neuer Rechtsgrundlage sollte vom Bezirksamt jetzt ein breit angelegter Bürgerbeteiligungsprozess initiiert werden.
3. Wie sehen Sie die Situation zur Unterbringung von Flüchtlingen im Bezirk und in wie weit könnte sich das BA hierbei in Unterstützung des Senates (Lageso) künftig mehr einbringen?
Die menschenunwürdige Unterbringung Geflüchteter in Turnhallen muss endlich beendet werden! Wir brauchen deutlich mehr günstigen Wohnraum für Geflüchtete und Menschen mit geringem Einkommen. Das erreichen wir durch den zügigen Umbau leerstehender Immobilien in öffentlichem Besitz, wie zum Beispiel in der Thielallee, und durch preiswerten Neubau von Wohnungen durch die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften, wie etwa die Degewo in Lankwitz. Lange Zeit machte es sich Schwarz-Grün zu einfach, mit dem Argument, der Bezirk habe keine freien Gebäude und Grundstücke zur Verfügung. Ich fordere hier eine proaktive Rolle des Bezirksamts, vorrausschauend zu planen, geeignete Grundstücke von sich aus zu benennen und die notwendige Infrastruktur (ÖPNV-Anbindung, Kita- und Schulplätze) mitzudenken.
4. Was ist Ihre Idee von einem Masterplan, um den immens hohen Sanierungsbedarf (-stau) an Schulen in Steglitz-Zehlendorf abzubauen?
Der Sanierungsbedarf der Schulen in Steglitz-Zehlendorf wurde vom Bezirksamt mit 457 Millionen Euro angegeben. Das Land hat die Bezirke mit zu niedrigen Zuweisungen für den baulichen Unterhalt quasi am ausgestreckten Arm verhungern lassen. Meine Partei tritt dafür ein, dass die derzeitigen Sonderprogramme, die stets von der aktuellen Kassenlage abhängig sind, abgeschafft werden. Aus dem laufenden Haushalt kann eine so riesige Summe wie fünf Milliarden Euro für die Berliner Schulen absehbar nicht finanziert werden. Daher schlage ich die Gründung eines Landesbetriebes Schulbau vor, welcher Kredite aufnimmt und diese über Mieteinnahmen, die für die Nutzung der Räume gezahlt werden, refinanziert. Den Schülern ist nicht wichtig, wer saniert und neu baut, sondern dass es endlich passiert!
5. Der Bezirk verkauft soziale Wohnungen, etwa in der Mudrastraße in Lankwitz: Was halten Sie davon? Wie und wo würden Sie neuen bezahlbaren, kommunalen Wohnraum schaffen?
Die Abgabe der bezirkseigenen Seniorenwohnungen ist skandalös! Seniorinnen und Senioren sind zunehmend von Altersarmut betroffen und auf bezahlbaren Wohnraum angewiesen. Werden die Wohnungen abgerissen, bedeutet dies für die verbliebenen Bewohner eine soziale Entwurzelung. Wir brauchen endlich mehr bezahlbare Wohnungen! Die Bauprojekte der Degewo - zum Beispiel in der Kaiser-Wilhelm-Straße, Dessauerstraße oder Bäkestraße - werden dem Bedarf allein nicht gerecht. Der Bezirk muss Grundstücke in Erbpacht vergeben, verbunden mit Bauverpflichtungen und sozialen Auflagen. Und er muss endlich seine Vorkaufsrechte aktiv wahrnehmen! Zudem sind private Investoren über städtebauliche Verträge mehr an den Kosten für die Infrastruktur zu beteiligen, statt wie in Lichterfelde-Süd der Groth-Gruppe den roten Teppich auszurollen.
6. Die Kiezzentren im Bezirk (Teltower Damm, Kranoldplatz, Schloßstraße) sollen schöner werden, um die Aufenthaltsqualität für die Bürger zu verbessern: Was kann das BA dafür tun?
Seit Jahrzehnten hat der Bezirk wenig in das Stadtbild investiert. Die Kiezzentren brauchen unbedingt mehr Aufenthaltsqualität! Im Zuge der geplanten Verlängerung der Tram M4 vom Alexanderplatz bis Rathaus Steglitz schlage ich eine Verkehrsberuhigung der Schloßstraße vor. Am Kranoldplatz muss dringend eine Korrektur der Verkehrsführung vorgenommen werden, um die Sicherheit der Fahrradfahrer zu erhöhen. Der Kranoldplatz selbst benötigt eine Begrünung, die in enger Kooperation mit den Gewerbetreibenden vor Ort realisiert werden sollte. Und die Linke unterstützt das Ziel, am S-Bahnhof Zehlendorf zeitnah einen zweiten Ausgang zum Postplatz hin zu errichten. Für alle drei Standorte und etliche mehr gilt: ausreichend öffentliche Toiletten und Bänke sind gerade für Familien mit Kindern und ältere Menschen unabdingbar und müssen vom Bezirk bereit gestellt werden.
7. Zwei bedeutende Kulturangebote werden absehbar aus dem Bezirk verschwinden (Dahlemer Museen und Alliiertenmuseum): Wie kann das aufgefangen werden und welche Vereine, Künstler oder Museen werden Sie unterstützen?
Die frei werdenden Flächen der Dahlemer Museen sollten auch weiterhin eine kulturelle Nutzung erfahren. Ateliers von Künstlerinnen und Künstlern sowie Ausstellungsflächen müssen nicht immer im Stadtkern sein. Ich kann mir auch eine Nutzungskooperation mit der Freien Universität gut vorstellen. Am Standort des Alliiertenmuseums wird angesichts des Zuzugs neuer Bewohner auf dem Areal des Oskar-Helene-Parks, Fünf Morgen und Metropolitan Gardens ein kultureller Veranstaltungsort gebraucht. Meine Vorschläge wären etwa ein Theater, Kino oder Musik- und Tanzveranstaltungen, die unter Umständen auch für Menschen außerhalb des Kiezes attraktiv sein könnten.
8. Wie kann Ihrer Meinung nach das Problem mit den monatelangen Wartezeiten in den Bürgerämtern des Bezirks gelöst werden?
Unter langen Wartezeiten in den Bürgerämtern leiden die Berlinerinnen und Berliner in allen Bezirken, daher kann es hier nur eine berlinweite Lösung geben. Statt Personal abzubauen, wollen wir als Linke eine Einstellungs- und Ausbildungsoffensive, um die wachsenden Aufgaben in dieser Stadt bewältigen zu können. Dafür brauchen wir, wie anfangs schon gesagt, attraktive Arbeitsbedingungen im Öffentlichen Dienst. Arbeitsstrukturen müssen verbessert, eine moderne technische Ausstattung inklusive Support sicher gestellt werden. Genauso wie Onlinebanking problemlos über das Internet funktioniert, sollen die Bürger auch Behördengänge digital erledigen können. Für diejenigen, die keinen Zugang zu den neuen Medien haben, müssen jedoch alle Dienstleistungen auch immer vor Ort zur Verfügung stehen.
Die Fragen stellte Anett Kirchner.
Nächste Woche an dieser Stelle: Unsere acht Fragen an die Spitzenkandidatin der AfD, Sabine Gollombeck.
Der Artikel erscheint auf Tagesspiegel Steglitz-Zehlendorf, dem digitalen Stadtteil- und Debattenportal aus dem Südwesten. Folgen Sie der Redaktion Steglitz-Zehlendorf gerne auch auf Twitter und Facebook.
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